Energie-Ziele der Regierung in weiter Ferne (Statista + Kommentar) | Umwelt Klima Wirtschaft | Energiewende

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Unser heutiger Info-Artikel befasst sich, wie viele in jüngerer Zeit, mit dem Thema Energie. Die Energiewende soll bis 2030 fast erreicht sein, wie die Zahlen in der Grafik zeigen (zum Vergleich der Zahlen in der Statista-Grafik: die drei noch aktiven deutschen Kernkraftwerke liefern im Jahr ca. 4 bis 5 Gigawatt Strom).

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz Creative Commons — Namensnennung – Keine Bearbeitungen 4.0 International — CC BY-ND 4.0 erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.

Die Energieziele der Bundesregierung liegen derzeit noch in weiter Ferne. Wie die Statista-Grafik auf Basis einer aktuellen Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW) zeigt, entspricht der aktuelle Stand des Photovoltaik-Ausbaus nur rund 28 Prozent des Ziels von 2030. Noch größer ist die Lücke zwischen Stand und Ziel im Bereich der Elektromobilität: Von den angepeilten 15 Millionen Elektroautos sind erst rund 771.000 zugelassen, was einer Quote von 5,1 Prozent entspricht. Ähnlich mau verhält es sich bei der Anzahl der Ladepunkte für Elektroautos, die Quote liegt hier bei 6,2 Prozent.

Die Experten des DIW haben zudem errechnet, dass das derzeitige Ausbautempo bei fast allen Indikatoren zu niedrig ist, um die Ziele für 2030 noch erreichen zu können. Hierzu haben Sie den Ausbautrend der vergangenen zwölf Monate mit dem Tempo verglichen, das für das Erreichen der 2030-Ziele notwendig ist. Danach bleiben die Windkraft an Land und insbesondere die Windkraft auf See noch hinter der Photovoltaik zurück. Dies weise auf einen besonderen Handlungsbedarf bei der Windkraft hin. Auch bei der Elektromobilität sei das Ausbautempo noch deutlich zu langsam.

Wenn man als Bundesregierung Ziele setzt und öffentlich macht, sollte man wenigstens ein paar grundsätzliche Recherchen betrieben haben. Die Zulassungsstatistik weist für Deutschland etwa 3 bis 3,5 Millionen Neuzulassungen an PKW jährlich aus, mit sinkender Tendenz in den letzten Jahren und mit dem Verdacht auf weiter sinkende Tendenz, wenn die Kaufkraft der Menschen weiter abnimmt. Damit im Jahr 2030 eine Zahl von 15 Millionen Elektroautos in Deutschland unterwegs ist, beinahe das 20-fache der aktuellen Zahl, müsste unter diesen Umständen spätestens ab 2025 der Verkauf von Verbrennern ganz verboten werden, wenn das in der Grafik ausgewiesene Ziel erreicht werden soll. Das ist aber nicht absehbar, der früheste Zeitpunkt wird das Jahr 2030 sein. Also dann, wenn nach den obigen Zielen schon mehr als ein Drittel des Fahrzeugbestandes auf E-Mobilität umgestellt sein sollte. Der Elektro-Martktanteil in Deutschland lag im Jahr 2021 gerade bei 13 Prozent, 2022 sollen es ca. 15 bis 18 Prozent werden. 

Dazu hat Statista gerade heute eine neue Zahlenreihe herausgegeben: Im ersten Halbjahr 2022 wurden erst 167.000 Elektroautos verkauft. Es sieht damit so aus, als ob sogar die angepeilte Zahl von 450.000 neuen E-Autos im Gesamtjahr damit nicht erreicht werden würde. Diese wiederum ist viel zu gering, als dass wir schon in acht Jahren auf 15 Millionen elektrisch betriebene PKW kommen könnten. Hinzu tritt, aber das wollen wir heute nicht schon wieder vertiefen, dass auch der schlichte Ersatz unzähliger Verbrenner-PKW durch eine ebenso große Zahl von E-Autos nicht den Gipfel der Nachhaltigkeit darstellt. Der Gesamtbestand an Fahrzeugen muss zurückgehen, damit sich die Ökobilanz des Individualverkehrs deutlich verbessert.

Ähnlich muss man sich die Energie-Milchmädchenrechnungen auf anderen Gebieten vorstellen. Windkraft? Super, aber doch nicht dort, wo wir persönlich auch nur in geringstem Maße eine Beeinträchtigung erfahren werden, und sei es nur visuell, durch ein paar Windräderflügel am Horizont. Auch wenn die Abstandsregeln überarbeitet werden, auch wenn es bei der Windkraft an Land nach einem relativ hohen bereits erreichten Prozentsatz aussieht, es wird kaum möglich sein, ihn bis 2030 zu verdoppeln. Besonders negativ schlägt zu Buche, dass die vorherige Bundesregierung in ihren letzten Jahren die Bremse reingehauen hat und es dank falscher Förderpolitik vereinzelt sogar zum Abbau von Windrädern kommt.

Bei der Solarenergie sieht es noch betrüblicher aus. Einst war die Photovoltaik eine deutsche Vorzeigebranche der neuen Ökonomie, aber davon ist so gut wie nichts mehr übrig. Das behindert natürlich auch den Ausbau der Solarenergie hierzulande. Strategische Wirtschaftspolitik war hier lange Jahre nicht gefragt oder es wurde sogar bewusst im Sinne von Lobbyinteressen eine Politik betrieben, von der die Verantwortlichen wussten, dass sie nicht zukunftsfähig ist. Die einzige Möglichkeit, die wir sehen, um die Energieherstellungsziele der Erneuerbaren zu erreichen: Dass es möglich ist, in anderen Ländern sehr viel davon zu produzieren und es mit modernster Übertragungs- und Speichertechnik nach Deutschland zu exportieren. Die Ölländer von heute wären dann die Solarenergie-Lieferanten von morgen. Uns ist bisher nicht zu Ohren gekommen, dass dieser massive Swing in den nächsten Jahren möglich sein wird. 

Zu allem Überfluss erlebt die Kernenergie in vielen Staaten ein Revival, während sie in Deutschland bisher trotz der Gefahr für die Versorgungssicherheit, die sich aufgrund des Ukrainekrieges ergeben hat, Ende des Jahres komplett eingestellt werden soll. Der CO₂-Ausstoß hierzulande ist immer noch vergleichsweise hoch, weil eben die Erneuerbaren nicht Kernkraft und fossile Brennstoffe in ausreichendem Maße gleichzeitig ersetzt haben. Die Frage ist wirklich, kann man bei Dingen, die grenzüberschreitend gedacht werden müssen, wie die Energieversorgung, einen ideologisch aufgeladenen Sonderweg gehen, egal, was passiert. Ihn durchhalten, während selbst Länder, in denen die Menschen als vergleichsweise achtsam und stark in Sachen Bürger:innenmitsprache und -meinung gelten und die in vieler Hinsicht Vorbild sind, wie die „Scandics“, Atomkraftanteile von ca. 30 Prozent aufweisen? Die hohen Folgekosten, das Risiko der Technologie, das alles steht gegen die Tatsache, dass es uns wenig nützen wird, wenn wir hier alles zurückbauen und um uns herum munter weiter oder gar vermehrt Kernkraft eingesetzt wird. 

Auffällig in dem verlinkten Diagramm ist, dass Belgien, das bisher einen sehr hohen Atomanteil hatte, im letzten Jahr deutlich auf dem Rückzug war, als einziges Land neben Deutschland in dieser Größenordnung. Gerade von dort hört man aber aktuell, dass die Strategie wohl geändert werden wird, um die Energiesicherheit zu gewährleisten. Niemand geht den deutschen Weg mit, der ja einmal ein wenig nach dem traditionellen „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“ eingeschlagen wurde. Wir sollten inzwischen gelernt haben, dass wir damit viel Unheil angerichtet haben. Das wird ein Rückbau der Atomenergie natürlich nicht für andere bringen, die dann im Ernstfall Strom an uns liefern können. Aber dieser am weitesten von dem Weg anderer Staaten abweichende Sonderweg sollte uns nachdenklich stimmen.

Eine umfassende Bestandsaufnahme dahingehend, wie weit die Kernkraft entwickelt ist, wenn man sie auf modernstmögliche Weise betreibt, wie sicher sie dann ist, welche Kosten sie tatsächlich mit sich bringt, wird uns nicht erspart bleiben, wenn zu bei diesem Thema wieder eine klare Meinung vertreten wollen. Im Moment ist das nicht möglich. Falls die Energiesicherheit mit dem „Streckbetrieb“ tatsächlich hergestellt werden kann, sollte aus Russland kein Gas mehr kommen, was uns angesichts des bereits geringen Atomkraftanteils an der Stromerzeugung auf den ersten Blick zweifelhaft erscheint, dann sollte man ihn genehmigen, ohne dabei eine Aussage über das langfristige Vorgehen zu treffen.

Ansonsten dürfen wir feststellen, dass die Ziele der Bundesregierung für 2030 unrealistisch sind. Zumindest unter derzeitigen Voraussetzungen. Ein Techniksprung ist nicht in Sicht. Eine weitere Möglichkeit gäbe es durchaus: Ein Billion-Euro-Energiewandelprogramm könnte der Gamechanger sein. Selbst, wenn dies sofort beschlossen würde, müsste alles, was kommen soll, jedoch erst einmal genehmigt, gebaut oder umgerüstet werden. Nur, wir brauchen ja erst einmal allein 100 Milliarden für die Bundeswehr und man darf die Menschen im Land angesichts der hohen Inflation auch nicht verhungern lassen. Kommt noch eine Rezession hinzu, die zwar etwas Kohlendioxid einspart, aber auch die Mittel für Investitionen begrenzt, sind diese Ziele in Sachen energetischer Nachhaltigkeit Makulatur, selbst, wenn sie technisch noch erreichbar sein sollten.

Und wieder einmal halten wir fest: Man kann nicht alles haben. Vor allem nicht, wenn man viele Jahre lang in die falsche Richtung gewirtschaftet hat.

TH

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