Das Ende von Katar ’22: Weltmeister, historische Daten, keine Politik mehr | Briefing 84 | Sport Statistik

Briefing 84 (hier zu Briefing 83) 

Liebe Leser:innen, gefühlt eine halbe Ewigkeit ist es her, dass wir uns zur Fußball-WM in Katar geäußert haben. Nämlich hier:

Update 5 zu WM 2022 in Katar – Vor dem vermutlichen Ausscheiden des DFB-Teams: Die Menschenrechte haben schon verloren, also den Ball flach halten | Briefing 67 – DER WAHLBERLINER

Wir haben aber heute den Katar-Boykott doch noch durchbrochen, als wir so aus dem Augenwinkel heraus mitbekamen, dass es nach 60 Minuten 2:0 für Argentinien steht und uns flugs vor den Fernseher gesetzt, um noch mitfeiern zu können. Was folgte, waren nicht 30 + ein paar Minuten Nachspielzeit, sondern ein ganzes Spiel mit unfassbar vielen Höhepunkten. Da waren wir doch noch einmal beim Fußball und bei den beteiligten Nationen Argentinien und Frankreich, nicht bei allem, was Katar hätte sein sollen und nicht ist, als Austragungsort einer Fußballweltmeisterschaft. Lesen Sie gerne in den obigen Artikel hinein und in die dort verlinkten weiteren Beiträge, wenn Sie es gerne politischer hätten. Wir haben immer noch einige Quellen zu weiteren Vorfällen nach dem oben verlinkten Update, aber die werden wir höchstens noch als „Timeline“ veröffentlichen.

  • Denn vorbei ist vorbei. Argentinien ist Weltmeister. Zum dritten Mal. Unseren herzlichen Glückwunsch dazu. Dass die Argentinier nicht gerade als Gentlemen auf und neben dem Platz gelten, ist nicht neu und gibt nicht den Ausschlag dafür, ob der Titel verdient ist. Dafür darf man sich auch schon einmal einen Ehrenmantel umlegen lassen, der den Fokus noch einmal auf alles rückt, was an dieser WM falsch war.
  • Argentinien hatte, bis auf die letzten 30 Minuten der regulären Spielzeit, mehr vom Spiel. Lionel Messi hat endlich seine „Vervollkommnung“. Wir fanden immer, auch wenn er manchmal etwas schräg wirkt und nicht auch noch eine Operndiva darstellen möchte, er war der Star der Stars der vergangenen Jahre, auch im Vergleich zu Christiano Ronaldo. Es ist ein so schöner Abschluss der Karriere für ihn nach so vielen Anläufen. Falls er wirklich aufhört.
  • Frankreich hat zu wenig investiert, vor allem bis zum 2:1, das ein schlau und korrekt herausgeholter Elfer war. Man glaubte, begünstigt auch von etwas Glück im bisherigen Verlauf und der Idee, die Qualität, dies braucht, jederzeit abrufen, die zweite WM hintereinander locker nach Hause bringen zu können. Man war dicht dran, immerhin.
  • Die Argentinier sind hervorragende Elferschützen. Acht von zehn Elfmeterschießen im Laufe ihrer Turniergeschichte haben sie gewonnen. Das letzte verlorene war die legendäre Spielsequenz im Jahr 2006, in welcher der deutsche Torhüter Jens Lehmann Zettel über die Eigenheiten der Gegner beim Elfmeterschießen zugesteckt bekam. Die besten Elfmetermannschaften aller bisherigen Zeiten gaben sich in diesem historischen WM-Viertelfinale die Ehre.
  • Frankreich hatte das Elfmeterschießen provoziert und nicht alle in der Equipe Tricolore sind so nervenstark wie Superstar Mbappé. Kennen wir das irgendwoher? Deutschland hat ja auch mittlerweile so eine Talente-Mannschaft.
  • Nur einmal gelang einem Nationalteam, Brasilien, das 1958 und 1962 Weltmeister wurde. Seit 1970 ist das Land stets vorne bei der Anzahl der gewonnenen Titel.
  • In Deutschland könnte man in Deutschland schauen, was sie in Frankreich besser machen. Der DFB ist nach wie vor der größte Einzelsportverband der Welt und Kicker mit Potenzial sollte es hierzulande genug geben.
  • Der deutsche Fußball hat in regelmäßigen Abständen Sinnkrisen und bis zur EM 2024 ist noch Zeit, aus dem Potenzial eine kompakte Mannschaft zu formen. 
  • Den argentinischen Trainer kennen wir nicht, der Name war uns neu. Didier Deschamps hingegen finden wir sehr sympathisch und in seiner Art für uns eher dem Norden des Landes zugehörig. Es stimmt aber nicht bezüglich seiner Geburtsstadt, die an der südfranzösischen Küste liegt, immerhin am Atlantik. Er ist nach Mário Zagallound Franz Beckenbauer der dritte Fußballer, der sowohl als Spieler als auch als Trainer eine Weltmeisterschaft gewann. 2018 wurde er FIFA-Welttrainer des Jahres. Das kursiv Gesetzte steht so in der Wikipedia.
  • Argentinien ist nun das Land mit den meisten Weltmeistertiteln nach Brasilien, Italien und Deutschland, obwohl es erst 1978 mit dem Sammeln angefangen hat.
  • Frankreich wurde sogar erstmalig 1998 Weltmeister, mit Didier Deschamps als Chef der Verteidigung und immerhin schon zwei Titeln. Spanien, das zehn Jahre lang den europäischen Fußball geprägt hat, kommt nur auf einen, ebenso England. Auf diesem Land liegt fußballerisch seit dem fragwürdigen Titel von 1966 ein Fluch, der sich besonders deutlich beim Schießen vom Punkt zeigt.
  • 20 Jahre dauerte es, bis eine südamerikanische Mannschaft Weltmeister wurde, bevor Argentinien es jetzt wieder schaffte. 2002 war das zum letzten Mal Brasilien vergönnt, seitdem gab es nur Weltmeister aus Europa. Südamerika war einfach mal wieder dran, zumal sich in den letzten Jahren abzeichnete, dass Argentinien es mit jeder anderen Mannschaft aufnehmen kann. Sie waren nach Brasilien die Nr. 2 in den Wettbüros, Frankreich die Nr. 4, Spanien wurde an der Börse leicht höher eingeschätzt.
  • Es bleibt aber dabei, dass Brasilien oder Argentinien es für ihren fußballverrückten Kontinent richten müssen, während in Europa mindestens vier oder fünf Mannschaften jederzeit titelfähig sind, wie die Endspielteilnahme Frankreichs und Kroatiens dritter Platz erneut belegen. Der letzte südamerikanische Weltmeister, der nicht Brasilien oder Argentinien hieß, war Uruguay im Jahr 1950. Uruguay war 2022 nicht einmal nach Katar angereist.
  • Schon bei der allerersten WM im Jahr 1930, die mit Uruguay das Heimteam gewann, war Argentinien als Vizeweltmeister aus dem Turnier gegangen. Sechs Mal standen die „Gauchos“ im Finale, davon zwei Mal gegen Deutschland. Drei Mal gewannen sie, darunter 1986 gegen Deutschland, 1990 wurden sie von der wohl zweitbesten deutschen Mannschaft aller bisherigen Zeiten knapp besiegt, ebenso 2014 von einem Kollektiv, das nach dem mühseligen Achtelfinale gegen Algerien die Dinge in die Hand nahm. Als bestes deutsches Team gilt nach wie vor die Europameistermannschaft von 1972.
  • Die einzige europäische Mannschaft, die auf südamerikanischem Boden eine WM gewinnen konnte, ist ebenfalls Deutschland, sie holte in Brasilien den vierten Stern, mit einem bis heute kaum nachvollziehbaren 7:1 gegen den Gastgeber im Halbfinale und dem Sieg im Endspiel gegen ebenjenes Argentinien, dem Messi damals noch nicht zum Titel verhelfen konnte. Er hat aber sehr dazu beigetragen, dass die Nationalmannschaft Argentiniens bei Turnieren immer weit nach vorne kommen konnte. Jetzt ist die Mission erfüllt.
  • Nur Brasilien hingegen konnte als südamerikanisches Land eine WM in Europa gewinnen, das war der erste Titel in Schweden 1958. Seit es Austragungsort außerhalb dieser beiden Kontinente gibt, gewann Brasilien (in den USA 1994) Spanien (2010 in Südafrika) und jetzt Argentinien (im arabischen Emirat Katar).
  • Erst ab 1998 kam etwas Bewegung in die Riege der Mehrfachweltmeister, als Frankreich und 2010 Spanien ihre ersten Titel holten. Zuvor hatte es erst sechs Länder gegeben, die reihum die Fußball-WM mehrfach gewonnen hatten, Ausnahme: England mit seinem bis heute einzigen Titel 1966.

Am Ende nach viel Kritik an Katar also von uns ein paar historische Zahlen, auf den aktuellen Stand gebracht.

Fußball ist faszinierend und wird weiterhin von einigen Nationen beherrscht, die schon lange weit vorne dabei sind. Frankreich ist in dieser Riege noch beinahe ein Newcomer, wenn es um Titel geht, den ersten gab es 1984, als Platini & Co. die EM gewannen. Argentinien ist ein Urgestein des WM-Geschehens. Immer wieder kann sich das eine oder andere Land nach vorne spielen. Aber Kroatien ist beispielsweise zu klein, um sich auf lange Sicht oben festzusetzen, so viele Talente kann ein 4-Millionen-Einwohner-Staat nicht hervorbringen, wie dazu nötig sind. Ebenso kann man sagen, dass Brasilien, das größte Fußballland überhaupt, seit einiger Zeit eher unter seinen Möglichkeiten bleibt. Nationen, die nicht aus Europa oder Südamerika kommen, warten weiterhin auf den Durchbruch nach ganz oben. Der Fußball lebt nach wie vor von Ausnahmetalenten, von Spielern, die eine WM prägen und die günstigenfalls gut in eine Mannschaft integriert sind. Die deutsche Variante von 2014, dass „Die Mannschaft“ der Star ist, bleibt die Ausnahme. Die technische Entwicklung ist nicht mehr stürmisch, aber das hohe Niveau vorheriger Turniere wurde in etwa gehalten. Am meisten enttäuscht hat nicht Deutschland, sondern Italien, das sich als viermaliger Weltmeister und amtierender Europameister nicht einmal für Katar qualifizieren konnte. 

TH

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