Der Schatz des Piraten (Blackbeard the Pirate, USA 1952) #Filmfest 878

Filmfest 878 Cinema

 Blackbeard the Pirate ist ein US-amerikanischer Abenteuerfilm von Raoul Walsh aus dem Jahr 1952 mit Robert NewtonLinda DarnellWilliam BendixKeith Andes und Torin Thatcher in den Hauptrollen. Der Film wurde von RKO Radio Pictures gedreht und von Edmund Grainger nach einem Drehbuch von Alan Le May nach der Geschichte von DeVallon Scott produziert.

Linda Darnell hatte ich das erste Mal in „Sommersturm“ (1944) gesehen. Ein unvergessliches Melodram und auf seine Weise für mich noch heute ein Highlight des atmosphärisch besonders dichten Kinos der 1940er Jahre, zudem unter der Regie des Spezialisten für solche Filme Douglas Sirk (Detlef Sierck, der 1938 aus Deutschland emigrierte, nachdem er u. a. Zarah Leander in zwei aufeinanderfolgenden Filmen zu Ruhm verholfen hatte). Nun sehen wir eine andere Geschichte, 9 Jahre später, die nicht in Russland, sondern, wie es sich für Piratenfilme damals schon gehörte, in der Karibik spielt.

Handlung (1)

Der Film folgt dem britischen Navy Lieutenant Robert Maynard (Keith Andes), der sich aufmacht, eine Belohnung zu verdienen, indem er beweist, dass der Freibeuter Henry Morgan (Torin Thatcher) auch an Piraterie beteiligt ist.

Maynard gibt sich als Chirurg an Bord des Schiffes des Piraten Charles Bellamy aus, von dem er glaubt, dass er mit Morgan im Bunde ist. Als Maynard und sein Spionagekollege Briggs an Bord kommen, entdecken sie, dass der Pirat Blackbeard (Robert Newton) Bellamy ermordet und das Amt des Kapitäns übernommen hat.

Ebenfalls an Bord ist Edwina Mansfield, eine Piratentochter, die Bellamy heiraten wollte. Blackbeard weiß, dass Morgan Mansfield liebt und sie verfolgen wird.

Blackbeard befiehlt Maynard, eine Kugel aus seinem Hals zu entfernen, und fordert den Matrosen Gilly auf, ihn zu beobachten. Gilly steckt Maynard eine Notiz zu, in der sie ihn bittet, dem Piraten die Kehle durchzuschneiden, aber Maynard lehnt ab.

Maynard schlüpft in das Quartier des Blackbeard und findet Bellamys Logbuch, von dem er hofft, dass es Beweise dafür enthält, dass Bellamy Morgan gestohlene Waren gegeben hat.

Maynard verteidigt daraufhin Edwina gegen die unerwünschten Avancen eines lüsternen Piraten und tötet ihn mit seinem Dolch. Sie erzählt Maynard, dass sie zugestimmt hat, Bellamy zu heiraten, um vor Morgan zu fliehen, von dem sie einen Schatz gestohlen hat, der jetzt in einer Kleiderstruhe versteckt ist.

Blackbeard bricht eine von Edwinas Truhen auf, entdeckt aber nur Briefe, in denen Edwina Morgan als Bellamys Verbündeten beschuldigt. Maynard versucht, den Brief zu stehlen, aber Blackbeard hält ihn davon ab und bemerkt, dass, wenn Morgan verhaftet würde, seine gesamte Beute an den König gehen würde.

Blackbeard identifiziert schließlich die Schatztruhe und beansprucht sie.

Rezension

Die obige Handlungsbeschreibung aus der englischen Wikipedia ist vollständig wiedergegeben, abschließend ist sie jedoch nicht, und das ist auch mal gut so. Außerdem spielt „Sommersturm“ nicht in Russland, sondern in der Ukraine, in der Gegend von Charkiw, das zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Entwurfs heftig zwischen Russen und Ukrainern umkämpft ist. Das Geschehen in diesem Krieg wogt gerade hin und her und so kann man auch die Handlung des Piratenfilms beschreiben, um den es hier eigentlich geht. Eine deutsche Kritik dazu habe ich nicht gefunden, die IMDb-Nutzer:innen geben aktuell 6,0/10. Das ist nicht viel, obwohl Piratenfilme nicht das Lieblingsgenre dieser Gruppe von Filmfans sind, wenn man von der „Piratenfilme-mit-Johnny-Depp“-Reihe neueren Datums absieht, die in der Tat das Genre ausgezeichnet fortschreibt, natürlich mit dem üblichen großen Schuss Fantasy und CGI, der heute unerlässlich zu sein scheint, damit eine Geschichte noch die Münder der Kinogeher:innen offenstehen lässt, so weit, dass ein Piratensegelschaff hindurchpasst. Oder wäre darin doch wenigstens eine Schatzkiste sicher zu verbergen? Auf was man so kommt, wenn man gerade eine Art Bauch-OP hinter sich hat.

Mich hat „Blackbeard“ allerdings auch enthusiasmiert. Die Logiksprünge sind fast so  zahlreich wie die derben Sprüche und die herrlich überzeichneten Figuren, vor allem natürlich die des Blackbeard selbst. So stelle ich mir tatsächlich Charaktere dieser Zeit vor, nicht veredelt, wie in einigen anderen Seefahrergeschichten aus der klassischen Zeit Hollywoods. Das macht „Blackbeard“ nämlich auch spannend. Man weiß nie, wer wie handeln wird, man traut jeder Figur alles zu und bleibt dadurch auch nach jeder etwas absurden Wendung dem Film gewogen.

Dass diese Wendungen trotzdem im Ganzen nicht unschlüssig wirken, weil sie von den entsprechenden Charakteren in einem entsprechend wilden Milieu ausgeführt werden, weil der Film dabei auch einiges an ironischem Humor entwickelt, ist auch dem erfahrenen und hochklassigen Regisseur Raoul Walsh zu verdanken, sicher einem der besten Hollywood-Filmhandwerker, der leider keinen Oscar erhalten hat. Auf seiner Werkliste stehen wichtige Produktionen wie der große Noir „White Heat“ (1949), den ich mir bald anschauen sollte. Allein in den Jahren 1939, 1940, 1941 hat er drei Filme gemacht, die ich besonders schätze: „The Roaring Twenties“ (1939), „They Drive by Night“ (1940) und „High Sierra“ (1941), alle mit Humphrey Bogart, zu dessen Entwicklung als Star Walsh einiges beitrug und der erste mit James Cagney in einer Gangsterrolle, die seinen ersten Großerfolg in „The Public Enemy“ (1931) fortschrieb oder variierte.

Nun sind dies alles ernste Filme, Gangsterfilme, Melodramen. Walsh konnte aber auch andere Genres und so kam einige Jahre später und nach beruflichen Veränderungen dieser rabulistische Abenteuerfilm zustande, in dem keine Gefangenen gemacht werden. Zum damaligen Zeitpunkt dürfte es nur wenige Kinostücke gegeben haben, in denen Menschen so unbarmherzig die Köpfe abgeschlagen wurden. Anders als heute bei Tarantino & Co. sieht man allerdings kein Blut spritzen und auch die Köpfe oder Torsi werden nicht gezeigt. Darum hat der Film heute auch eine Altersfreigabe ab 12, die wohl darauf abstellt, dass die Fantasie von Jugendlichen nicht mehr so ausgeprägt ist wie früher.

Finale

Zu einer großen Rezension ist der Film nun wieder nicht herausragend genug, aber unter den Piratenfilmen des Jahres 1952, und damals wurden einige Piratenfilmge gedreht, steht er mit seiner herzhaften Art ziemlich vorne. Er macht eben keine Gefangenen und man muss die derbe Gestaltung mögen, die Regisseur Walsh mit ziemlicher Sicherheit nicht deshalb wählte, weil er nicht subtiler hätte filmen können. Er war allerdings auch bekannt für seinen schnörkellosen, realistischen und „Ohne-Tricks“-Stil. Deswegen liegt die obige Vermutung nah, dass dieser Film mehr echtes Seeräuberleben zeigt als viele andere, ebenso zulässig ist es aber, eine mindestens halbe Parodie in diesem Stück zu entdecken. Auch als mein Nach-wie-vor-Lieblingspiratenfim aus diesem Jahr, „Der rote Korsar“, mit einem unvergleichlichen Burt Lancaster nebst Dauerkumpel in den Hauptrollen, der den Unterschied macht, aber der auch ein paar mehr fantastische Elemente enthält. Eine schöne, dunkelhaarige Frau gibt es in beiden Werken, hier herrscht für mich Gleichstand, mehr oder weniger. Nach „Blackbeard“ drehte Walsh direkt einen weiteren Piratenfilm namens „The World in his Arms“, wieder hochkarätiger besetzt mit Gregory Peck und Anthony Quinn und wieder mit einer brünetten Schönheit namens Ann Blyth. Und natürlich wieder etwas gehobener romantisch. Das ist in „Blackbeard“ nicht möglich, weil man lange nicht weiß, wie die Hauptfigur wirklich tickt und weil auch das Mädchen ganz schön deftig zu Werke geht, wenn die eigenen Interessen geschützt werden müssen. Ist das nicht realistisch und sogar modern? Beachten Sie bitte die Schleifen im Bart von Blackbeard. Es ist avantgardistisch und alles kommt wieder.

69/100

© 2022 Der Wahlberliner, Thomas Hocke

(1), kursiv und tabellarisch: Wikipedia

Regie: Raoul Walsh
Romanvorlage DeVallon Scott
Drehbuch Alan Le May
Produzent Edmund Grainger

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