Waffen, Kampfpanzer II: Scholz, der Zauderer oder Scholz, der gegen die Kriegstreiberei führt? (Umfrage + Kommentar) | Briefing 114 | #Leopard2 #Ukrainekrieg #Geopolitik

Frontapge | Briefing 114 (hier zu 113) | Geopolitik, Krieg in der Ukraine, Waffenlieferungen, Kampfpanzer, Truppen, Atomwaffen 

Liebe Leser:innen, es war abzusehen, dass uns das Thema „Waffenlieferungen an die Ukraine“ nicht verlorengehen wird, nur, weil am letzten Freitag in Ramstein eine vorsichtige Entscheidung dazu getroffen wurde. Gerade deshalb wird es bleiben. Wir bauen auf unserem Leitkommentar vom vorgestrigen Samstag auf:

Hat Deutschland im Fall Leopard 2 versagt? (Leitkommentar) | #Briefing 113 #Geopolitik #Leopard2 #Kampfpanzer #Ukrainekrieg – DER WAHLBERLINER

Kanzler Scholz steht nach wie vor in der Kritik dafür, dass er keine Kampfpanzer an die Ukraine liefern lässt. Vorerst jedenfalls nicht. Da liegt die Frage auf der Hand, die Civey gestellt hat:

Civey-Umfrage: Würden Sie Bundeskanzler Olaf Scholz aktuell als führungsstark bezeichnen? – Civey

Begleittext aus dem Newsletter:

„Wer bei mir Führung bestellt, bekommt sie auch“, sagte der heutige Bundeskanzler Olaf Scholz einmal. Ob er dieses Versprechen einhalten kann, war zuletzt im Bezug auf den Rücktritt der ehemaligen Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) fraglich. Während der tagelangen Spekulationen um einen möglichen Rücktritt äußerte sich der Kanzler weder, um die Gerüchte zu bestätigen, noch um sie zu dementieren. Scholz wirkte in der Sache „wie ein Getriebener”, meint ZDF-Korrespondentin Andrea Maurer.

Auch in der Frage der Lieferung von Kampfpanzer Leopard 1 und 2 bleibt eine Weisung des Kanzlers bisher aus. Beim Weltwirtschaftsforum in Davos hatte sich Scholz nicht dazu geäußert. Einerseits geht es um die Frage, ob Deutschland selbst Leopard-Panzer an die Ukraine liefert und andererseits warten Polen, Dänemark und Finnland auf eine Genehmigung Deutschlands, ihrerseits Panzer zu liefern, wie das Handelsblatt berichtet.

Bisher hatte Scholz argumentiert, Deutschland dürfe keinen Alleingang in Sachen Panzerlieferung gehen. Der Bild am Sonntag gegenüber verteidigte der Bundeskanzler seine Ukraine-Politik: „Ich treffe meine Entscheidungen schnell – und abgestimmt mit unseren Verbündeten. Übereiltes Agieren und deutsche Alleingänge sind mir suspekt.” Er lasse sich vom Vorwurf des Zauderns nicht beeindrucken.

Es gibt unter den Abstimmenden derzeit fast eine absolute Mehrheit (48 Prozent), die Scholz für extrem führungsschwach halten. Wenn Sie unseren Leitkommentar gelesen haben, dann wissen Sie, für wie fundamental falsch wir diese Ansicht halten, die freilich von den Medien ohne Ende befeuert wird, die sich an Kriegslüsternheit überbieten. Heute morgen schon wieder, da waren wir noch nicht richtig wach:

Scholz und die Kampfpanzer: Der Kanzler führt Deutschland in die Isolation (t-online.de)

Es ist bemerkenswert, wie in diesem Artikel die Lage im Grunde richtig analysiert, dann aber die eigene Analyse als falsch und als Hineinversetzen in Scholz‘ Gedanken dargestellt wird. Aber wir haben ja n och Annalena Baerbock, die uns mit ihrer heißen Luft ganz sicher nicht in die Isolation führen wird. Wir haben auch das Ramstein-Treffen anders interpretiert, nämlich nicht als so dissonant, wie es hier geschildert wird. Einen Aspekt lässt man aber gerne unter den Tisch fallen:

Ist die Weigerung der USA, selbst Kampfpanzer zu liefern, stichhaltig? Nur, weil der M1-Abrams komplizierter ist als der Leopard 2? Wir können das technisch nicht ad hoc wiederlegen, aber es hat einen schalen Beigeschmack: Die USA wollen nicht diejenigen sein, die für weitere Eskalation sorgen, obwohl sie mit massiven Hilfen für die Ukraine den Krieg auf jeden Fall nicht früher zu beenden helfen. Das ist soweit in Ordnung, wie man der Logik folgt, dass der Angegriffene sich verteidigen können muss. Es ist nicht mehr in Ordnung, wenn damit neben der wirtschaftlichen Hauptlast den Europäern, besonders Deutschland, auch die politische Hauptlast für etwas aufgebürdet würde, woran vor allem die USA interessiert sind. Europa zu schwächen, es abhängiger von den USA zu machen und Russland so massiv wie möglich zu schaden. Man kann genauso gut argumentieren, hier geht die Saat der Diskriminierung gegenüber Russland aus mehr als 30 Jahren auf. Wir tun das nicht in dem Sinne, dass es den Angriff auf die Ukraine rechtfertigen würde, aber ganz langsam kriegen wir auch Schnappatmung. Es ist gar zu offensichtlich, dass es den Kriegstreibern nicht um Werte, nicht um Demokratie, sondern um geostrategische Machtpositionen geht.

Und da kann man gar nicht mehr führen, als Scholz es im Moment tut. Eine Totalverweigerung wäre nicht möglich und Deutschland ist immerhin die Nr. 2 in Europa, Waffenlieferungen an die Ukraine betreffend, in Sachen humanitärer Hilfe, inklusive der Unterbringung von mittlerweile mehr als einer Million Geflüchteten, sogar eindeutig die Nr. 1. Scholz führt im Moment against all Odds und dafür setzen wir uns hier ein. Das kann ihn nämlich angesichts der Plattheit des politischen Diskurses in Deutschland die Wiedewahl kosten und er nimmt es bewusst in Kauf. Aus Verantwortung, nicht aus einer inneren Zögerlichkeit heraus. Es ist vollkommen richtig, dass er sich nicht dazu bewegen lässt, über das hinauszugehen, was die USA tun. Dass das in den USA nicht jedem gefällt, ist klar. Aber genau das wäre keine Führung, den dortigen Wünschen allzu kampflos und opportunistisch nachzugeben.

Außerdem: was passiert eigentlich danach? Die Kampfpanzer werden diesen Krieg nicht ohne weiteres beenden, auch wenn sie Angriffswaffen sind. Wer Land zurückerobern will, braucht Angriffswaffen, was sonst?

Was wären aber die nächsten Schritte, wenn sich das ganze alle zwei Monate um eine wichtige Waffengattung erweitert? Kampfjets natürlich. Die Ukraine muss dringend die Luftüberlegenheit über ihr Territorium (zurück-) erlangen, denn wie soll sie sich sonst gegen russische Raketenangriffe wehren. Und selbstverständlich ist der Tornado oder der Eurofighter viel einfacher zu fliegen als das amerikanische High-Tech-Material. So im Sommer oder Frühherbst wird nach dem Leopard, wenn er geliefert wird, dieses Thema in den Vordergrund rücken. Wollen wir wetten?

Und was ist, wenn die ukrainichen Truppen ausgelaugt sind und nicht mehr adäquat ersetzt werden können, während Wladimir Putin doch noch zur Generalmobilmachung greift? Dann geht es leider nicht mehr anders, es müssen auch Soldat:innen zur Unterstützung in die Ukraine entsandt werden. Und natürlich sind die europäischen Nato-Staaten, besonders Deutschland, logistisch viel eher in der Lage, dabei voranzugehen als die USA, weil sie dichter dran sind. Ernsthaft jetzt? Soll das immer so weitergehen? Was steht dafür, was spricht dagegen? Dagegen spricht, dass das Ganze ein Deaster ohne Ende werden kann, um ein Vielfaches schlimmer als jedes andere Auslandseinsatz-Desaster nach dem Zweiten Weltkrieg, zum Beispiel das missratene Engagement in Afghanistan. Was spricht dafür? Dass man eine dann vollkommen zerstörte Ukraine wieder aufbauen darf und vielleicht doch nicht gewonnen hat und das Land neutral bleiben muss, um überhaupt selbstständig weiterexistieren zu können?

Ein weiterer geopolitischer Fail erster Ordnung. Vor allem für Europa. Die USA haben inzwischen so viel irreversiblen Profit aus der Situation gezogen, dass sie sich ein schlussendliches bad Ending leisten können. Es geht nicht um die Ukraine, es geht den USA um etwas Größéres. Vergessen wir das bitte nicht. 

Das Atomkriegsszenario machen wir dabei gar nicht auf, weil wir es nach wie vor für wenig wahrscheinlich halten. Allerdings haben wir uns auch diesbezüglich im oben verlinkten Artikel differenziert geäußert. Ja, was, wenn Putin die kleinen, schmutzigen Atomwaffen in der Ukraine einsetzen sollte, wiewohl er sich damit selbst ins Knie schießt, geopolitisch gesehen? Das sind alles Fragen, auf die man sehr vorsichtig antworten sollte. Eines ist sicher: Bei einer weiteren Eskalation wäre Deutschland mit das erste Land, das von Putin und seinen Propagandisten als direkte Kriegspartei identifiziert werden würde. Und damit könnte man auch kriegsmüde Russen gut motivieren, indem man die letzten Überlebenden des Kampfes gegen Hitlerdeutschland nicht nur am 8. Mai aufmarschieren lässt. Wollen wir das wirklich? Glauben die Kriegstreiber, ein solches Szenario ließe sich ohne Weiteres unter Kontrolle halten? Journalisten, die ihre Medien  mit aller Gewalt  in die erste Reihe der transatlantischen Medienriege schreiben wollen, muss man mit großer Vorsicht lesen. Vor allem dann, wenn sie das Richtige schreiben und es dann als Fehler darstellen, weil es von Scholz kommt.

Je mehr dieser Spin die Medien beherrscht, desto mehr werden wir uns ihm entgegenstellen. Wir haben eher die Befürchtung, dass Scholz doch umkippt, in diesem Kesseltreiben, das gegen ihn inszeniert wird. Früher oder später wird das wohl auch kommen, aber einige hätten es gerne so schnell wie möglich, um dann doch schreiben zu können: Erst auf größten öffentlichen Druck hin hat der Zauderer reagiert. Die Selbstbeweihräucherung riecht man schon und es ist kein angenehmer Geruch, der sich da verbreitet. Schon einmal haben Medien mitgehetzt, als es darum ging, die Deutschen kriegsbereit zu machen. Schon zweimal eigentlich. Beim zweiten Mal waren sie eher gleichgeschaltet, deswegen meinen wir vor allem die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, als sich nur eine publizistische Minderheit gegen den allgemeinen Spaß am Krieg wandte, der alle anderen schrecklichen Ereignisse erst ausgelöst hat, die das 20. Jahrhundert prägten. Die meisten heutigen Medien von heute gab es damals noch nicht, aber das, was sich heute als Leitmedium sieht, steht in dieser unguten Tradition.

Gleichwohl machen sie gerne mal den Krisenvergleich auf: Ist das, was wir heute sehen, so schlimm wie die Situation im Ersten Weltkrieg? Aber nein, nein, noch nicht. Da geht noch was und stellt euch mal nicht so an, Bürger:innen. Uns wird richtig übel, wenn Leute uns mitteilen wollen, wir toll es doch im Vergleich zu einer Situation noch ist, die damals von kriegslüsternen Medien und Politikern gemeinsam geschaffen oder befördert wurde. Das hat etwas Krankhaftes, um es offen zu schreiben. Einige sehnen sich nach dem nächsten Untergang. Wir sind keine Generalpazifisten, wir swind der Meinung, dass man sich sehr wohl selbst verteidigen darf, dass man auch Verteidigern helfen darf, aber was hier abgeht, das unterstützen wir nicht. Denken wir mal daran, dass die Amerikaner im Zweiten Weltkrieg erste dann ihre Industrie voll eingesetzt haben, als sie wirklich und offiziell im Krieg waren. Sie halfen vorher Großbritannien, aber mit einer gewissen Vorsicht. Ähnlich, wie es jetzt Deutschland und andere in der Ukraine tun. Wer das nun ausbauen will, der muss sagen, wir sind im Krieg. Und nichts anderes. Mit allen Konsequenzen, die das nach sich ziehen kann.

Wir möchten nicht, dass es so kommt. Zumindest nicht früher, als unumgänglich, um mit den Verbündeten Schritt zu halten. „Germans to the Front“, ganz vorneweg, das ist aus historischen Gründen und in der aktuellen Lage zu durchsichtig, zu hinterlistig. Ob die Journalist:innen das im Blick haben? Falls ja, täuschen sie uns mit ihren Zauderer-Scholz-Vorwürfen bewusst. Deshalb haben wir klar mit „ja“ gestimmt. Scholz führt. Denn das ist im Moment Tatsache: Der Kanzler  hält Deutschland aktiv aus dem Gröbsten heraus und dafür muss man ihm dankbar sein und ihn dabei unterstützen.

TH

 

 

 

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