Frontpage Briefing 119 (hier zu 118) | Geopolitik USA, China
Wir haben eine interessante Grafik entdeckt, die zeigt, wie unterschiedlich die Supermächte USA und China in verschiedenen Ländern wahrgenommen werden. Die deutschen Ergebnisse der Umfrage sind nicht besonders überraschend, regen aber wieder einmal zum Nachdenken an.
Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz Creative Commons — Namensnennung – Keine Bearbeitungen 4.0 International — CC BY-ND 4.0 erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.
Die USA gelten als letzte wirkliche Supermacht. Mit hunderten Militärstützpunkten weltweit ist das Land das einzige, dass fast überall militärisch eingreifen könnte – und es macht von diesen Fähigkeiten auch immer wieder Gebrauch. Diese Rolle als sogenannter „Weltpolizist“ wird von vielen kritisch gesehen. So glauben einer YouGov-Umfrage aus dem September 2022 zufolge 40 Prozent der in Deutschland befragten Menschen, dass die USA im Allgemeinen einen negativen Einfluss auf die Welt haben.
Ein relativ hoher Anteil, wie der Blick auf die Statista-Grafik zeigt. China hingegen wäre zwar gerne auf Augenhöhe mit dem großen Rivalen, ist wohl aber noch weit davon entfernt. Um beim Beispiel der Militärbasen zu bleiben: die Volksarmee unterhält derzeit nur einen einzigen Auslandsstützpunkt. Dennoch wird das von der kommunistischen Partei autoritär regierte Riesenreich in vielen Ländern deutlich negativer gesehen als die USA – das gilt für direkten Nachbarn wie Japan gena so wie für Deutschland. Es gibt aber auch Staaten in denen die USA das schlechtere Image haben – zum Beispiel die Türkei oder Indonesien.
Immerhin ist die Türkei NATO-Staat und auch sonst bietet das YouGov-Panel interessante Einblicke. Deutschland wird zum Beispiel nicht bei den Global Powers genannt. Sehr wohl aber Frankreich, Großbritannien, Südkorea, Japan und der Iran. Ein Grund mehr für die Bundesregierung, sich nicht renommiersüchtig in die erste Reihe zu stellen, wenn es um die Eskalation von Kriegen geht. Zwar hat Deutschland nach einer anderen Aufzählung das fünftteuerste Militär der Welt (in der Aufzählung fehlt Frankreich, das ein ähnlich hohes Budget fürs Militär aufwendet), aber seine militärische Macht und sein Einfluss sind begrenzt.
Schauen Sie sich gerne die Umfragedetails an, sie sind recht aufschlussreich.
Nur 43 Prozent der Deutschen rechnet indes den USA eine positive Rolle auf die Weltpolitik zu, oben haben wir bereits gelesen, dass 40 Prozent negativ tendieren. In Frankreich, das sich zu den USA militärisch und kulturell weitaus stärker abgrenzt, steht es 48 zu 36. Dabei dürfte weniger eine Rolle spielen, dass Frankreich im Zweiten Weltkrieg von den Amerikanern befreit wurde als die Tatsache, dass es keinen russland- und chinafreundlichen Osten des Landes gibt und man aufgrund der erwähnten größeren Unabhängigkeit einen Tick entspannter auf den Einfluss der anderen blickt. Auch die Rolle Chinas wird in Frankreich einen Tick positiver gesehen (13/72 positiv/negativ in Deutschland, 17/67 in Frankreich).
Wären wir befragt worden, hätten wir China betreffend eindeutig mit „negativ“ geantwortet. Wir warnen seit dem Start des ersten Wahlberliners im Jahr 2011 vor der zu schnell anwachsenden Wirtschaftsmacht Chinas, kritisieren die naive und antistrategische Politik der Bundesregierung und auch da gibt es in Relation zu Frankreich einen Unterschied: Dort hat die Bevölkerung vermutlich eher den Eindruck, dass die Regierung aufpasst, dass Chinas Einfluss begrenzt bleibt und kann sich daher etwas mehr zurücklehnen. Ob sich das im Abstimmungsverhalten niederschlägt und wie stark, lässt sich freilich anhand des YouGov-Panels nicht ermitteln. Es gibt auch Affinitäten und Aversionen, die sich nicht aus der Tagespolitik, vielleiht gar nicht politisch erklären lassen. Wir glauben zum Beispiel, dass Frankreich der chinesischen Kultur gegenüber positiv eingestellt ist, weil sie sie für das asiatische Pendant der eigenen hält, also glaubt, sie sei die am höchsten stehende des Kontinents.
Und wie mit den USA? Tut uns sehr leid für die Transatlantiker:innen: Auch bezüglich der Vereinigten Staaten hätten wir uns negativ geäußert. Vielleicht nicht mit „absolut negativ“, denn in diesen Zeiten ist es immer noch besser, mit einem alles andere als gutmütigen Imperium verbandelt zu sein als mit einem erratischen Staat wie Russland oder einer diktatorischen Soft Power wie China. Eines darf man bei aller Kritik an den USA nicht vergessen: Deutschland bzw. Westdeutschland war unter deren Schutzschirm immer ziemlich sicher, und das zu den angenehmen Bedingungen, dass es selbst keine Großmachtambitionen zeigen musste. Man kann gar nicht oft genug darauf hinweisen, dass die Geschichte anders verlaufen wäre, wenn sich die Vereinigten Staaten nicht während der Berlin-Blockade und während des Mauerbaus entschlossen gezeigt hätten, den Westteil der Stadt zu halten.
Ob die Parameter von damals heute noch gelten, ist freilich zu diskutieren. In der jüngeren Geschichte hat sich Deutschland von den USA in manches Abenteuer ziehen lassen, das nicht gut ausgegangen ist und sich gerade noch davor bewahrt, in den besonders scheußlichen Irakkrieg einzutreten. Jetzt, im Ukrainekrieg, sind wir wieder mittendrin statt nur dabei, das sollte wohl jedermann hierzulande klar sein. Und selbstverständlich haben die USA Druck auf Deutschland gemacht, mehr und mehr Waffen zu liefern und werden das weiterhin tun. Diplomatisch hat man die jüngste Erweiterung, die Lieferung von Kampfpanzern, einigermaßen geschickt lanciert, indem man Deutschland ein paar Stunden lang den Vortritt gelassen hat und vielleicht war es tatsächlich ein Verdienst von Olaf Scholz, dass die USA so umgehend nachgezogen haben. Aber es führt nichts daran vorbei, dass wir zu stark von Entscheidungen aus Washington abhängig sind.
Wirtschaftlich gibt es ohnehin kein Zurück mehr zum friedlich-ausbeuterischen Freihandel der Vergangenheit. Dazu sind vor allem die USA zu radikal protektionistisch geworden, da gab es auch keine Gegenbewegung, als Joe Biden Donald Trump abgelöst hat. Eher im Gegenteil, die Energiewende und die Inflation werden vorgeschoben, um ein America-First-Programm nie gekannten Ausmaßes auf den Weg zu bringen. Gegenwärtig floriert der deutsche US-Handel, aber seine Stärke geht einher mit der Exportschwäche im Handel vor allem mit China. Deutschland muss sich vor allem technologisch ertüchtigen und klüger als bisher diversifizieren; dabei wirklich kooperativ und nachhaltig mit anderen Ländern zusammenarbeiten. Nur so kann man dem negativen Einfluss der USA und Chinas und deren Rivalität einigermaßen gelassen begegnen.
TH 2023