Jenseits von Afrika (Out of Africa, USA 1985) #Filmfest 1046 #DGR

Filmfest 1046 Cinema – Die große Rezension

Ich hatte eine Farm in Afrika

Jenseits von Afrika (Originaltitel: Out of Africa) ist ein US-amerikanischer Spielfilm von Sydney Pollack aus dem Jahr 1985 mit Meryl StreepRobert Redford und Klaus Maria Brandauer in den Hauptrollen. Er basiert auf Episoden aus dem Leben der dänischen Schriftstellerin Karen Blixen, wie sie diese in ihrem autobiografischen Roman Afrika, dunkel lockende Welt (auch: Jenseits von Afrika; Originaltitel: Den afrikanske farm) von 1937, der Novelle Schatten wandern übers Gras (Originaltitel: Skygger paa Græsset) und in ihren Briefen aus Afrika. 1914–1931 (Originaltitel: Breve fra Afrika, veröffentlicht 1978) geschildert hat. Weitere Quellen für das Drehbuch von Kurt Luedtke waren die Biografien Tania Blixen. Ihr Leben und Werk (Originaltitel: Isak Dinesen. The Life of a Storyteller) von Judith Thurman und Silence will speak. A study of the life of Denys Finch Hatton and his relationship with Karen Blixen von Errol Trzebinski.[1]

Unsere Headline ist das Leitmotiv, mehrfach wiederholt, von „Out of Africa“, der nach den Erinnerungen der dänischen Baronesse Karen Blixen gedreht wurde. Er schildert, wie Blixen als junge Frau dem Bruder ihres Geliebten nach Kenia folgt, diesen dort heiratet und versucht, eine Kaffeeplantage aufzubauen. Dabei lernt sie den Großwildjäger und Safari-Veranstalter Denys Finchhatton kennen. Während sie sich mit ihrem Mann auseinanderlebt, entsteht eine Romanze mit Denys – doch viele Jahre nach ihrer Ankunft in Afrika und getrennt von ihre Mann, muss Karen die Farm verkaufen und kehrt nach Dänemark zurück, wo sie unter Pseudonym über ihre Zeit in Kenia schreibt.

Handlung (1)

Der Film Jenseits von Afrika erzählt die stark autobiographisch gefärbte Geschichte von Karen Blixen. Die schon ältere Karen Blixen erinnert sich an ihre Verlobung während einer Jagd in Dänemark und an die anschließend in Afrika verbrachten Jahre zwischen 1914 und 1931.

Im Jahr 1913 verlobt Karen sich mit ihrem Cousin Baron Bror von Blixen-Finecke, nachdem sie von dessen Bruder Hans zuvor abgewiesen wurde. Sie wandert für die Heirat nach Kenia aus, wo Bror bereits einige Monate zuvor angekommen war. Eigentlich wollte das Paar eine Molkerei aufziehen. Doch es kommt anders: Der blaublütige, aber arme Baron hat ihre Mittel verbraucht, um eine Kaffeeplantage anstelle der Molkerei zu erwerben. Zudem zeigt er wenig Neigung, in dieser Plantage zu arbeiten, sondern zieht es vor, auf die Großwildjagd zu gehen. Ihr Ehemann stellt sich als wenig geschäftstüchtig heraus, sodass Karen – ungewöhnlich für eine Frau ihrer Zeit – die Plantage leitet. Obwohl die Heirat einvernehmlich als Zweckehe arrangiert war (Karens Familie ist vermögend, während der Baron einen Adelstitel einbringt), beginnt Karen eine gewisse Zuneigung zu ihrem Mann zu fassen und ist betrübt, als sie von seinen Seitensprüngen erfährt.

Kurz nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, dessen Auswirkungen auch in Afrika zu spüren sind, zieht sich Karen eine Syphilis zu. Die damals sehr gefährliche Krankheit zwingt Karen, nach Dänemark zurückzukehren, um, da es noch kein Penicillin gab, eine Kur mit Arsphenamin zu machen. Offenbar wurde sie durch den untreuen Bror angesteckt, bei dem sich im Gegensatz zu ihr kaum Symptome zeigen.

Nach ihrer Genesung und Rückkehr nach Afrika trennt sie sich von ihrem Ehemann und beginnt eine intensive Beziehung mit Denys George Finch Hatton, einem britischen Abenteurer und Freigeist. Doch nach vielen misslungenen Versuchen, ihre Affäre in eine dauerhafte Beziehung zu wandeln, eventuell sogar in eine Ehe, muss Karen einsehen, dass Denys genauso wenig gezähmt werden kann wie die afrikanischen Wildtiere. Als Karen bei der Beerdigung nach seinem Flugzeugabsturz in den Ngong-Bergen eine Handvoll Erde ins Grab werfen will, zögert sie, wendet sich dann von den anderen Europäern ab, indem sie sich mit der Hand durchs Haar fährt, nach Sitte der Eingeborenen.

Im Film ist Karen gezwungen, nachdem eine katastrophale Feuersbrunst die gesamte Kaffeeernte zerstört hatte, nach Dänemark zurückzukehren, wo sie zur Schriftstellerin wird und über ihre Erlebnisse in Afrika schreibt.

Der Film beschreibt die Geschichte in sechs locker miteinander verbundenen Episoden, unterbrochen durch Blixens Erzählung. Die letzte Episode – über Denys’ Begräbnis – stammt aus ihrem Buch Out of Africa, während die anderen, ihren sehr lyrischen Schreibstil nachahmend, explizit für den Film geschrieben wurden. Der oft langsame Fortgang des Films ist eine Anlehnung an das Buch, „die Eingeborenen mögen die Schnelligkeit nicht, so wie wir den Lärm nicht mögen…“ (zitiert aus: Out of Africa, S. 252).

Rezension

Die 1980er Jahre sahen ein Revival der epischen Filme, viele davon waren Biografien. Schon „Ghandi“ hatte 1982 die Academy of Motion Pictures begeistert und acht Oscars abgeräumt – in seiner Tradition steht „Out of Africa“ mit sieben Trophäen ebenso wie in jener der Klassiker der 1960er wie „Lawrence of Arabia“ (1962) oder „Doctor Zhivago“ (1965), inszeniert von David Lean, der seinen Beitrag zum Comeback der exotischen Romanzen mit „Die Reise nach Indien“ leistete. Die späten 1960er und 1970er hingegen waren keine Zeit für romantisches Großkino und so sehnte man sich offensichtlich nach diesem Kino der Gefühle zurück, das sich auch in TV-Epen wie „Fackeln im Sturm“ spiegelte, die etwa zu jener Zeit entstanden. „The Colour Purple“ hingegen, Steven Spielbergs ebenfalls 1985 enstandenes Melodram der Schwarzen und sein erster „ernsthafter“ Film, wurde zwar für stolze elf Oscars nominiert, erhielt aber keinen einzigen. Wir haben „Out of Africa“ und „The Color Purple“ in Kinoaufführungen unter vergleichbaren Umständen gesehen und finden dieses Votum nicht ganz gerechtfertigt. Spielberg hatte das Problem, dass man ihm ein echtes Epos zu jener Zeit nicht zugestand und seine Art, Filme als Kindermärchen oder Schocker zu drehen („Der weiße Hai“ / „E.T.“) war der Academy suspekt – im Ganzen nicht zu Unrecht, doch auf den einzelnen Film „The Color Purple“ bezogen, fragwürdig. Spielberg wurde dann sozusagen rehabilitiert mit „Schindlers List“, der neun Jahre später entstand und auf seine Art auch ein Epos darstellt.

Sidney Pollack hingegen, der Regisseur von „Out of Africa“ wurde für kapabel gehalten, einen künstlerisch und schauspielerisch erstklassigen Großfilm zu drehen. Viel konnte nicht schiefgehen. Mit Meryl Streep, die gerade ihren ersten Oscar für „Sophie’s Choice“ erhalten hatte und zu den Topschauspielerinnen Hollywoods bis heute zählt und Robert Redford, mit dem Pollack bereits in „The Way We Were“ (1973) und „Jeremiah Johnson“ (1972, Rezension beim Wahlberliner) zusammengearbeitet hatte. Dieser allerdings hatte seinen einzigen Oscar nicht als Schauspieler, sondern als Regisseur von „Ordinary People“ (1980) gewonnen.

Zwischen den 50er Jahren und dem Kino von heute

Da „Out of Africa“ 1985 erschien, steht er etwas zufällig ziemlich genau in der Mitte zwischen der Zeit, in der epische Melodramen ihren Höhepunkt erreichten (z. B. „Giganten“ aus dem Jahr 1956) und dem Kino von heute. In der Tat hat der Film von beidem etwas. Seine Technik und seine Bilder sind sehr modern und faszinieren noch immer, die Sets und Kostüme sind mit der Sorgfalt gearbeitet, die wir heute von Großproduktionen erwarten dürfen. Die Dialoge hingegen haben oft diese statuarische und manchmal etwas lebensfremde Anmutung, die für das klassische Hollywoodkino prägend war und zu vielen Sprüchen geführt hat, die in die Filmgeschichte eingingen. Dem hat man hier nachgeeifert, zum Beispiel in folgender Szene. Ehemann Blixen, dem Denys nunmehr endgültig die Frau ausgespannt hat, sagt zu seinem Freund: „Du hättest fragen können“. Denys: „Ich habe gefragt. Sie hat ja gesagt.“ Das gefällt und ist doch ein Rückgriff auf jene Zeiten, in denen Menschen in Filmen immer Dinge gesagt haben, die weit über die Konzeption des betreffenden Moments hinausgingen, die aber romanhaft waren, eine hohe Literarizität aufwiesen. Im neuen Realismus der 1970er hat man das bewusst vermieden, von einzelnen Werken wie F. F. Coppolas „Der Pate“ abgesehen, der in seiner Zeit eine Ausnahmeerscheinung war und ein Angebot, das man als Filmfan nicht ablehnen konnte.

Langsamkeit erfordert Kunstfertigkeit

Anders aber als in „Der Pate“, in allen epischen Filmen der Vergangenheit und der Zeit nach „Out of Africa“ ist dieser Film von seiner unspektakulären, ja kontemplativen Note, die sehr wohl einen Tagebuchstil repräsentiert. Zwar ist der Film nach dem üblichen Muster aufgebaut, mit den Plotpoints der Ankunft in Afrika und diesem Herrenclub, dessen Betreten durch eine Frau die Regeln sprengt (was es aber in jedem anderen Herrenclub zu jeder anderen Zeit auch getan hätte) und dem begeisternden Flug über die Savanne hinweg mit den auseinanderstrebenden Flamingo-Schwärmen, man kann auch die beiden Löwen-Szenen als Wendepunkte definieren. In der ersten, gerade angekommen, steht Karen plötzlich ohne Gewehr und Pferd vor einer Löwin und hört hinter sich erstmalig die Stimme des Jägers Denys, der sie beruhigt und ihr rät, wie sie sich zu verhalten hat. Die Löwin, die schon gegessen hat, zieht vorbei. In der anderen Szene hingegen sind die Tiere viel wilder, zwei davon rennen auf Denys und Karen zu – und nur zwei präzise Schüsse können die beiden retten. Karen schießt und trifft und Denys ebenfalls. Vor Angst hat sie sich auf die Lippen gebissen und Denys wischt ihre Lippen mit einem Tuch. Diese Wiederaufnahme eines Motivs als Wendepunkt beschreibt die Wandlung von Karen in Afrika und die Vollendung der Romanze mit Denys, die in der ersten Szene begann.

Das ist alles schön erdacht und ausgeführt. Weiterhin zieht Karen in den Krieg bzw. bringt Waren an die Front, wo die Männer während des Ersten Weltkrieges in Stellung sind gegen die Deutschen im benachbarten damaligen Deutsch-Ostafrika, darunter auch ihr Mann. Bei ihm holt sie sich eine Syphilis und muss deshalb nach Dänemark zur Behandlung zurückkehren. Danach kann sie keine Kinder mehr bekommen. Außerdem sehen wir, wie sie um ihre Plantage kämpft, deren Werkstatt schließlich niederbrennt, als es gerade anfing gut zu laufen. Des Weiteren werden gesellschaftliche Relationen an uns vermittelt: Die Engländer in Kenia spielen eine gewisse Rolle, ebenso wie die Afrikaner, im Wesentlichen die auf Karens Farm, die übrigens keinen Namen hat, im Gegensatz zu den legendären Ranches der Filmgeschichte. Mit ihnen startet sie eine beinahe klischeehafte Alphabetisierungskampagne. Beides wird zusammengeführt, als Karen am Ende den  neuen Gouverneur auf Knien darum bittet, den afrikanischen Menschen, die sie nicht mehr beschützen kann, Land zukommen zu lassen.

Das alles klingt nach viel Handlung, wird aber auf eine seltsame Art distanziert dargebracht. Von der Welt Afrikas bis hin zur handlungstragenden Romanze liegt tatsächlich eine Art Schleier über allem, der die Fans von Epen heute teilweise nicht befriedigt, wie die recht moderate Bewertung in der IMDb (7,2/10) und die etwa hälftig gespaltene Kritikergemeinde auf „Rotten Tomatoes“ zeigen. Der Film polarisiert erstaunlicherweise, obwohl er an sich gar nichts Polarisierendes hat. Er ist nur einfach sehr elegisch. Sicher ist das so gewollt gewesen. Sydney Pollack hat sich gewiss Gedanken darüber gemacht, wie man klassisches Hollywoodkino in zeitgemäßer Form wiederaufleben lässt und war zu dem Schluss gekommen, dass man nicht mehr diese Volldampf-Melodramatik entwickeln konnte, die wesentlich ältere Filme heute noch atemberaubend wirken lassen.

Alles sollte etwas naturalistischer sein. Dass es dadurch moderat temperiert wirkt, gefällt gerade Romantikern nicht, und das ist verständlich: Eine Romanze ist nun einmal dann am besten, wenn große Gefühle in großen Gesten und Worten ausgedrückt werden, und das gilt heute genauso wie 1985 oder 1955. Das hat Pollack bei seinem Modernisierungsversuch eines traditionellen Genres vielleicht aus dem Blickwinkel seiner Zeit nicht ganz erkannt. Die schönen Bilder dominieren so ein wenig über menschliche Relationen, die man eher als romantische Sachlichkeit bezeichnen könnte denn als afrikanisches Liebesmärchen wie „Snows of Kilimanjaro“ (1952) nach einem Roman von Ernest Hemingway.

Wir wissen, der Film beruht auf einer biografischen Erzählung, sich eng an diese zu halten, war wohl wichtiger als eine Fiktionalisierung, die zur dramaturgischen Verdichtung hätten führen können. Die Erzählung von Blixen ist eben kein Buch von Hemingway, der seine grandiosen, weltumspannenden Abenteuer selbstverständlich von sich aus literarisiert und von der Wirklichkeit abstrahiert hat, auch wenn sie ebenfalls autobiografische Hintergründe hatten. Er hat nie über etwas geschrieben, das er nicht erlebt hatte und über Schauplätze, die er nicht besucht hatte.  „Out of Africa“ hätte wohl davon profitiert, wenn man das zugrundeliegende Buch von Karen Blixen hätte mehr verändert hätte, um es zu einem Film-Hemingway zu machen.

Balanceakt zwischen Eurozentrismus und PC

Einen anderen Aspekt hat man in „Out of Africa“ recht geschickt hinbekommen. Die Welt zu Beginn des 20. Jahrhunderts war bekanntermaßen noch von einem erheblichen Überlegenheitsdenken der Europäer gekennzeichnet, auch die Haltung von Karen Blixen gegenüber ihren Angestellten hat etwas von Patronat – das man 1985 nicht mehr Eins zu Eins in einem Film zeigen konnte. Man hat den Wandel in der Sicht auf andere Länder und Kontinente auf die Art eingebracht, dass einige der Afrikaner mit eigenständigen Charakteren ausgestattet wurden und die frei lebenden Massai eine gewisse Rolle spielen oder zumindest gezeigt werden. Das hat etwas Folkloristisches, und es ist Denys vorbehalten, Karens Idee, eine Schule zu bauen, mit den Worten zu kommentieren, dass er sich nicht wünschen würde, die Jungs und Mädchen würden kleine Engländer werden. Das ist Unsinn, Lesen lernen macht keine Nationalität, aber es entspricht dem einsetzenden Zeitalter der Political Correctness und so bewundern Kinder und Erwachsene zwar auf eine Art eine Kuckucksuhr, die auch in „Vom Winde verweht“ funktioniert hätte, aber manchmal wirken Figuren wie ihr Hausdiener Farah geradezu charismatisch und ein wenig geheimnisvoll. Sie strahlen eine Würde aus, die Karen zum Beispiel in vielen Situationen nicht hat, auch wenn sie in dienender Position stehen. Nur einmal kommt es zu einem Konflikt, als der junge afrikanische Koch Fisch anstatt Geflügel zubereitet.

Szenen wie diese, die keine dramaturgische Bedeutung haben, illustrieren gut den manchmal plaudernd wirkenden Erzählton des Films, dieses Schwelgen in Details, die für sich selbst stehen und sich in einer konzeptionellen Matrix wiederfinden. Symbole wie der sich leerende und wieder füllende Gewehrständer in Karens Haus hingegen oder die erwähnten beiden Löwen-Szenen gibt es allerdings auch, und das entspricht dem klassischen Umgang mit oder Einsatz von Allegorien im Hollywoodfilm – und nicht nur dort.

Das Dreieck

Im Grunde ist es ein Quadrat, das Karen umfasst, Bror, ihren Ehemann (Klaus Maria Brandauer), Denys und dessen Freund Berkeley (Michael Kitchen). Anfangs ist Karens Zuneigung nicht festgelgt, was die beiden Jäger angeht, doch dann kommt Berkeley mehr und mehr in die Rolle des Buddys und ist die einzige Figur, die während der Handlung stirbt (an Schwarzfieber). Das findet eher am Rande statt und so wenig zentral für die Exposition wie die angesprochenen Details. Brandauer spielt den Bror gut, allerdings kommt der deutschen Synchronisation zugute, dass er sich selbst mit seinem unverkennbar österreichischen Akzent als Däne spricht, was durchaus originell wirkt. Charisma kann man ihm nicht absprechen und es gibt Momente, da findet man ihn adäquater in Relation zu Karen als den bei aller Großwildjäger-Aura recht spröde wirkenden Denys. Es ist tatsächlich so, dass sich die Ausstrahlung von Denys mehr über Redfords Status als einem der sexiesten Männer der 1970er speist als aus einem exorbitant romantischen Auftritt. Vor allem sein Spiel ist es wohl auch, das den Tenor des Films als eher zurückgenommenes Liebesdrama festlegt. Dabei gibt es durchaus Szenen, die besonders sind. Neben der erwähnten Taschentuch-Einstellung zum Beispiel die Haarwäsche, nach der Meryl Streep verblüffend sinnlich wirkt.

Womit wir bei der Figur sind, die logischerweise den Film mehr prägt als alle anderen. Keine Frage, dass Meryl Streep eine sehr authentisch wirkende Karen Blixen darstellt – für den Oscar wurde sie immerhin nominiert (Streep ist mit 3 Oscars und 19 Nominierungen, 141 Auszeichnungen und 198 Nominerungen für Filmpreise insgesamt die am höchsten dekorierte Filmschauspielerin überhaupt, nur in einzelnen Kategorien von Katharine Hepburn übertroffen).

Streep ist alles Mögliche, aber kein romantischer Typ, wenn man sie so agieren lässt wie in „Out of Africa“, wo sie mehr von innen heraus spielt als expressiv zu sein. Für eine romantische Heldin wirkt sie kühl und verschlossen, auch wenn ihre Handlungen durchaus zeigen, dass sie ein besonderer Mensch mit besonderen Einfällen und einem inneren Antrieb ist, dessen Hintergründe wir uns zusammenreimen dürfen, denn sie spricht nicht darüber. Wir mögen interpretationsfähige Filme und Figuren, aber hier hätten wir uns mehr Szenen wie die Haarwäsche gewünscht, die mehr eine Streep zeigt, wie wir sie zum Beispiel aus „Die Brücken am Fluss“ kennen (Rezension beim Wahlberliner). So bleibt sie in Afrika immer ganz Nordeuropäerin, ist es, als ob ihr Kern von Afrika nicht wirklich erfasst und verändert wird – daran ändert auch die Fürbitte auf Knien vor dem Gouverneur nichts, die zu den charakterisierenden Handlungen gehört. Gut möglich, dass sie so etwas nicht gekonnt hätte, als sie 1913 nach Afrika kam, und es wäre sicher nicht gut gewesen, sie in dieser Szene ganz und gar theatralisch agieren zu lassen, aber da ist immer dieser Schleier, dieser Abstand zwischen der Figur und uns, der sich nur ein- oder zweimal kurz hebt und dann wieder für viele Spielminuten senkt.

Allerdings ist ein weiterer Faktor, der viel besprochen wurde, die Chemie zwischen Streep und Redford – wir haben es oben angedeutet, sie ist nicht so knisternd. Wir verlieren aber nicht die Vermutung aus dem Blick, dass Pollack eben keine Charaktere inszenieren wollte, die sich vollkommen ihren Leidenschaften hingeben. Deswegen ist der Film zu allem anderen für ein Werk  aus 1985 auch sehr diskret. Auch bezüglich sexueller Darstellungen ist er ein perfekter Wiedergänger der Filme aus den 1950ern, als Erotik und Begierde höchstens zart angedeutet wurde, menschliche Körper nie unbekleidet gezeigt wurden. Dass Karen einmal im Morgenrock und etwas derangiert vor ihrem Haus steht, hat uns beinahe verblüfft, derlei kam im weiteren Verlauf des Films auch nicht wieder vor. Eine Romanze darf ruhig sparsam mit expliziten Szenen umgehen, aber hier hätten wir uns beinahe einen Beweis gewünscht, dass Karen und Denys tatsächlich über platonische Zuneigung hinausgekommen sind und wie es sich anfühlt, die beiden intim zu sehen. Ob es stimmig wirkt. Dass wir uns das wünschen, im Gegensatz zu den älteren Melodramen, belegt, dass wir dieser Romanze nicht hundertprozentig vertrauen. Am Ende kehrt Karen ja auch wieder nach Europa zurück – allerdings, nachdem Denys mit dem Flugzeug abgestürzt ist.

Vielleicht ist es auch die Diskussion, bei der es um Egoismus, Freiheit, Selbstbestimmung geht, die sehr modern für die 1920er, irgendwo in Afrika, wirkt, die zu einem ungünstigen Zeitpunkt die Stimmung beeinträchtigt hat. In heutiger Zeit mag diese Thematik beziehungsrelevant sein und die Worte sind genau richtig dafür, doch damals, in Afrika? Da wirkt der Film plötzlich sehr jetztzeitig und auch das schreiben wir der Idee zu, dass Pollack das klassische Melodram auf seine Art dezent modernisieren wollte. Richtig überzeugend und motiviert wirkt diese Szene allerdings nicht.

Finale

„Out of Africa“ ist ein schöner, edler Film, optisch anspruchsvoll, bewusst konventionell und in langen, alles zu Ende erzählenden Einstellungen gedreht, die besonders zum Ende hin aber auch etwas überdehnt wirken. Das verstärkt die Epik, aber auch das Gefühl, dass dieses Werk ein wenig zu sehr mit dem Schwelgen in der eigenen Opulenz befasst ist. Epische Distanz wird schon zu Beginn geschaffen, mit dem berühmten Satz „Ich hatte eine Farm in Afrika“ und der zugehörigen Szene, in der Karen Blixen beginnt, ihre Erinnerungen aufzuschreiben.

Wenn man sehr jung ist oder eine Frau, kann man „Out of Africa“ viel abgewinnen – denn ein Frauenfilm ist er auf jeden Fall. Weibliche Nutzer der IMDb werten ihn um 0,6 Punkte höher als männliche, das ist ein relativ großer Abstand, der Erwähnung wert. Alles hat bekanntlich eine subjektive Note, und wir erkennen gerne an, dass Frauen den Charakter Karen Blixen mehr von innen erfühlen können, als es uns möglich ist. Andererseits – gegenüber den wirklich packenden Melodramen wirkt „Out of Africa“ natürlicher, das Erzählen orientiert sich durchaus mehr am Fluss des Lebens als Filme, die konsequent auf Höhepunte zugeschnitten sind.

Vielleicht überrascht es angesichts der gemischten Kritik, aber 8/10 sind für „Out of Africa“ auf jeden Fall drin. Ein paar Jahre zurück hätten wir vielleicht noch etwas mehr gegeben.

Anmerkung anlässlich der Veröffentlichung des Beitrags im Januar 2024. Es muss offenbar etwas wie einen Riss in der Rezeption dieses Werks geben. Der Film war seinerzeit sehr beliebt, gewann nicht weniger als sieben Oscars, war aber niemals in der Top-250-Liste der IMDb vertreten, der gegenwärtige Durchschnitt der Nutzerwertungen  liegt bei 7,1/10 und der Metascore der zeitgenössischen Kritik bei 69/100.  Die Frage ist auch, wie wir den Film heute bewerten würden, denn schon beim Verfassen des Entwurfs hatten wir wohl die Vermutung, dass Jugendlichkeit wohl eine entscheidend postitive Rolle spielt, wenn es um eine sehr zustimmende Haltung geht. Wir verbleiben bei der Bewertung des Jahres 2014.  

80/100

© 2024 Der Wahlberliner, Thomas Hocke

Regie Sydney Pollack
Drehbuch Kurt Luedtke
Produktion Sydney Pollack
Musik John Barry
Kamera David Watkin
Schnitt Pembroke J. Herring,
Sheldon Kahn,
Fredric Steinkamp,
William Steinkamp
Besetzung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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