The Untouchables – Die Unbestechlichen (The Untouchables, USA 1987) #Filmfest 1104 #Top250

Filmfest 1104 Cinema – Concept IMDb Top 250 of All time (181)

Vier gegen Chicago

The Untouchables – Die Unbestechlichen ist ein Kriminalfilm von Brian De Palma aus dem Jahr 1987. Sean Connery wurde für seine Rolle mit einem Oscar als bester Nebendarsteller ausgezeichnet.

Für die Amerikaner, die sich mit der Geschichte der Unterwelt in den großen Städten, insbesondere in Chicago, gut auskennen, ist das Verdichten von Fakten, wie es in diesem Film auf extreme Weise geschieht, sicher probater als für Europäer, die eben nicht so vertraut mit dem sind, was an der Schwelle zur Roosevelt-Ära geschah. Alte Gangsterfilme, die wirklich in jener Zeit gedreht wurden, geben ein durchaus realistisches Bild, aber im Lauf der Zeit hat sich das Geschehen doch immer mehr zu schön ins Bild gesetzten Heldenepen aufwerten lassen. Kann man das für „Die Unbestechlichen“ auch sagen? Es steht in der Rezension.

Handlung

1930, die USA stecken im Sumpf des organisierten Verbrechens, das durch die nunmehr zehn  Jahre andauernde Prohibition eine Blütezeit erlebt. Der berühmteste aller Mobster ist Al Capone, sein erster ernsthafter Gegenspieler der Finanzbeamte Eliot Ness, der sich ein kleines Team von integeren Mitstreitern zusammenstellt und gegen den Großgangster zu Felde zieht. Die ersten Erfolge bleiben nicht aus, doch der gefährliche Job kostet die Hälfte von Ness‘ Truppe das Leben. Al Capone wird schließlich nicht wegen seiner Vergehen gegen die Prohibitionsgesetze oder wegen der zahlreichen Morde, die er in Auftrag gegeben hat, verurteilt, sondern wegen Steuerhinterziehung, zu elf Jahren Haft.

Rezension

 Jeder vernünftige Rezipient eine solchen Films kann sich denken, dass es nicht möglich war, tatsächlich mit vier Mann Al Capones mächtige Mafia so nachhaltig  zu schaden, wie wir das in „Die Unbestechlichen“ sehen. Eliot Ness und sein Team der Aufrechten inmitten eines bestechlichen Polizeiapparates gab es wirklich, doch es umfasste stets eine zweistellige Zahl von Männern. Hätte Brian de Palmas Film mehr auf Realität gesetzt, dann wären die Wenigen nicht ganz so heroisch erschienen und man hätte sie vielleicht nicht ganz so prägnant darstellen können. So prägnant, dass Sean Connery für seine Rolle als alternder irischstämmiger Polizist Malone den Oscar gewann.

Man hätte auch zeigen müssen, dass Eliots Team Al Capone in Wirklichkeit gar nicht zur Strecke gebracht hat, denn die Aufarbeitung der Steuerhinterziehungen, die im Film von Eliots Mitarbeiter Oscar Wallace als probates Mittel gegen den Gangster ins Spiel gebracht wird, in Wirklichkeit von einer anderen Gruppe im Staatsdienst bearbeitet wurde, die nichts mit Eliot Ness zu tun hatte – immerhin lässt man aber eine andere Person als Ness selbst den Hebel finden, der schließlich zu Al Capones Verurteilung führt.

Mit „Der Pate“ (1972) begann die Zeit der großen Mob-Filme in den USA, der stilisierten und wundervoll dekorierten Märchen von Sex und Gewalt und der großen Dinger, die immer irgendwer drehte, mit den Höhepunkten „Es war einmal in Amerika“ (1983) und „Cotton Club“ (1984). Zum Kanon gehört auch „Scarface“ (1983). So episch angelegt wie diese Filme ist „Die Unbestechlichen“ nicht, sondern konzentriert sich auf einen relativ kurzen Zeitausschnitt, die entscheidenden Monate im Kampf gegen einen Mann, der sinnbildlich für die Auswüchse des Verbrechens zu jener Zeit stand. Sex gibt es auch nicht, verraten wir an dieser Stelle schon. Im Grunde ist der Film ein Polizeithriller, der auch als Gegenwartsfilm ähnlich hätte funktionieren können wie an der Schwelle  zu den 1930ern.

Konzentration gegen Wahrheitstreue. In bester oder schlechtester Hollywoodmanier generiert de Palmas Film ein Szenario, in dem wenige gegen viele stehen, wie immer, wenn es heldenhaft werden soll. Ness‘ Miniteam kann nicht einmal auf die Ressourcen des örtlichen Police Departments zugreifen, weil alle geschmiert sind, wie die erste missglückte Aktion gegen die illegale Einfuhr des kanadischen Whiskys zeigt. Einer der Kollegen hat Ness und seine Leute verpfiffen und Capone hat sich etwas Nettes ausgedacht. Er liefert chinesische Sonnenschirme und in dem Moment, als Ness eine Kiste aufschlagen lässt und einen solchen Schirm aufspannt, knipst ein eifriger Fotograf ein sensationelles Pressefoto, das in Kombination mit einem entsprechenden Artikel Ness der Lächerlichkeit preisgibt.

Kevin Kostner, der Eliot Ness spielt, war damals ein unverbrauchtes Gesicht, ein Schauspieler mit großen Perspektiven, und dies ist eine seiner ersten wichtigen Rollen. Er wirkt, gerade 32, also in dem Alter, in dem Ness wirklich war, als er Capone ans Leder wollte, erwachsen und konzentriert, ernsthaft und hinreichend fanatisch, um alles zu tun, auch über die gesetzlichen Limits hinaus, um einen Widersache zu bekämpfen, den er selbst sich ausgesucht hat. Im Gegensatz zu einem Zufallshelden kann ein Cop sich nicht dadurch auszeichnen, dass er über sich hinauswächst in einer Situation, die er nicht wollte. Ein Polizist ist ein Profi, und so verhält Ness sich, ebenso wie die drei sehr unterschiedlichen Männer seines Teams.

Den Streifenpolizisten Malone lernt er zufällig kennen, Agent Wallace bringt er mit, den vierten im Bunde fischt er aus der Polizeischule, einen jungen italienischstämmigen Polizisten, der nicht nur gut schießen kann, sondern auch angstfrei ist. Damit sind die vier Musketiere zusammen, von denen zwei im Verlauf der Kämpfe das Zeitliche segnen. Auf besonders brutale Weise geschieht das bei Malone, der einen geradezu elegischen Abgang bekommt und noch im Sterben viel für Ness und seine Absichten tut, indem er ihm wichtige Informationen liefert, wie man den Buchhalter von Capone gefangen nehmen und  gegen diesen aussagen lassen könnte.

Der Buchhalter wird dann in einer grandiosen Bahnhofsszene gestellt, die unter anderem eine geradezu exzessive Anspielung auf „Panzerkreuzer Potemkin“ (1925) enthält – die Kinderwagen-Treppenszene. Nur, dass dieses Mal ironischerweise der Kinderwagen vom jungen Polizisten Stone aufgehalten wird, der es aus liegender Position auch noch schafft, den Killer zu erschießen, der den Buchhalter als Geisel genommen hat, um mit ihm zu fliehen. Präzisionsschütze sein, hat unbestreitbare Vorteile im Polizeialltag, auch wenn das eigene Leben dadurch nicht unbedingt länger dauert, angesichts einer Übermacht, die kriegsähnliche Zustände simuliert.

Die Einordnung. Wenn man einen Bogen zu den großen Gangsterfilmen der Zeit schlagen will, kann man dies zum Beispiel über Robert de Niro tun. Er hat in „Der Pate II“ den jungen Don Vito Corleone verörpert, er hat in „Es war einmal in Amerika“ einen jüdischen Gangster namens Noodles gespielt und, sozusagen auf dem Höhepunkt der Gangsterkarriere angekommen, gibt er in „Die Unbestechlichen“ den Al Capone. Und er hatte die Hauptrolle im hoch gepriesenen „Goodfellas“ (1990). Unter all diesen Rollen ist die von Al Capone klar die schwächste. Nicht nur, weil sie die kleinste der angesprochenen ist, sondern, weil sie zu sehr im Klischee verharrt. Der Mann scheint eine Ansammlung von echt gangstermäßigen Sprüchen und gelegentlichen Ausbrüchen gewesen zu sein, ein Typ, der uns nicht erkennen lässt, wie er’s so an die Spitze schaffen konnte. Dazu wirkt sein Agieren nicht raffiniert und – ja, auch nicht skrupellos genug. Er ist eine Figur der italienischen Oper und passenderweise gibt es eine Opernszene, in welcher er zu Tränen gerührt ist. Nicht schlecht gemacht, weil er gleichzeitig eine gute Nachricht aus dem Kampfgebiet gegen Ness bekommt, weil man nicht weiß, wo die Rührung aufhört und die Freudentränen  zu kullern beginnen, was echt und was gespielt ist. Aber es wirkt eben auch gespielt.

Kostners Rolle ist hingegen sehr straight und fast zu nüchtern angelegt, den Beamten merkt man ihm immer wieder an, auch, wenn er darüber reflektiert, wie weit er gehen kann. Andy Garcia flirrt als junger Polizist, hat eine gewisse, schlaue Undurchsichtigkeit auf seiner Seite, aber kann den Film nicht tragen, dafür ist die Rolle des Polizisten Stone zu klein.

Also: Sean Connery. Da er zu unseren Lieblingsschauspielern zählt und wir sowieso finden, dass er zu lange als Bond abgestempelt und bei Preisverleihungen unter Wert gehandelt wurde, gönnen wir ihm den Oscar, den er für seinen Iren-Polizisten in „Die Unbestechlichen“ erhielt. Wenn er den Raum betritt, ist er die Persönlichkeit, auf die man sich einrichtet. Wenn er etwas sagt, dann hört man zu. Das ist Starqualität, und seine Rolle ist die einzige, die eine Wandlung beinhaltet (vom Cop, der seine Ruhe haben will, zum leidenschaftlichen Verfechter der guten Sache) und diese ist recht glaubwürdig. Weil man sich vorstellen kann, dass, wenn dieser irische Dickschädel sich erst einmal zum Mittun entschlossen hat, er nicht auf halbem Weg stehenbleibt. Er warnt Ness denn auch davor, worauf er sich einlässt, weil er die Erfahrung hat, die Ness im Sumpf von Chicago fehlt. Auf Malones Tun basiert mehr als auf allem anderen der Erfolg der Gruppe.

Es bleibt ein Aber. Wenn Connery den Oscar für seinen Polizisten Malone bekommt, was  hätte er dann für seine Rolle des William von Baskerville in „Der Name der Rose“ ein Jahr zuvor bekommen müssen? Richtig, den Hauptrollen-Oscar. Nur war „Der Name der Rose“ dummerweise kein amerikanischer Film, sondern eine deutsch-italienisch-französische Co-Produktion und somit höchstens für den Auslands-Oscar geeignet – jedoch erhielt der Film nicht einmal eine Nominierung.

Wir kennen gleich mehrere Filme mit Connery, in denen er uns genauso oder mehr beeindruckt hat als in „Die Unbestechlichen“ (z. B. in „Jagd auf Roter Oktober“ (1990), in „Sein Leben in meiner Gewalt“ (1972), auch in einigen seiner Bond-Filme inklusive des späten Ablegers „Sag niemals nie“ (1983). Deswegen sehen wir den Oscar im Polizeithriller von 1987 auch als die Kompensation für entgangene Ehren in vorherigen Produktionen an, die er wohl darstellte.

„Die Unbestechlichen“ ist kein echter Schauspielerfilm, sondern erklärt uns eine Zeit und was in ihr geschah, auf eine simplifizierte Weise, die allerdings eines erlaubt: Spannung. Man kann nicht sagen, dass „Die Unbestechlichen“ auch nur einen Moment langweilig ist. Einer der einfachen Tricks ist, sich vielen Standards der Filmgeschichte zu bedienen wie etwa des Dach-Duells zwischen Ness und dem Killer Frank Nitti, das gleich an zwei Hitchcock-Filme erinnert („Über den Dächern von Nizza“ (1955) und „Der unsichtbare Dritte“ (1959)) und an einige mehr. Auch die Figur des Nitti ist offensichtlich von der Realität weg entwickelt worden, denn es wurde nicht bewiesen, dass er wirklich jemanden umgebracht hatte. Er ist aber das Klischee für den typischen, oberfiesen und eiskalten Italo-Mörder, wie er im Auftrag der Mafia sein Unwesen treibt.

Was in dem Film stört ist auch die seltsame Reporter-Figur, die wie Kai aus der Kiste immer dann auftaucht, wenn sie nützlich ist und die es in Wirklichkeit sicher nicht gab. Ob dahinter wieder ein Zitat steckt? Uns fällt gerade keines ein, aber wenn es eines ist, dann hätte es gänzlich ironisiert werden müssen, denn zu den Effekten des Hollywoodkinos gehören genau solche im Grunde unsinnigen Figuren und die Situationen, in denen sie zum Einsatz kommen. Gerade die Presse wirkt so allgegenwärtig, dass sie mehr wäre als nur eine von vier Gewalten, wäre dem in der Realität so.

Finale

„Die Unbestechlichen“ wird sehr hoch eingeschätzt und ist für einen Film von 1987 auch überdurchschnittlich gut dokumentiert und umfangreich rezipiert (IMDb). Er gefällt Zuschauern außerhalb der USA sogar einen Tick besser als Amerikanern, er ist beinahe altersgruppen-neutral und kratzt an den Top 250 aller Zeiten der IMDb. Das hat uns doch etwas verblüfft, obwohl wir den Film keineswegs schlecht finden. Er fällt eben nur gegenüber den wirklich großen Filmen übers Gangstertum der 1920er und 1930er Jahre ein wenig ab. Nicht in der Spannung, aber die Eleganz der Inszenierung und den Erfindungsreichtum betreffend.

„Scarface“ (1983) entstand ebenso unter der Regie von Brian de Palma, wir haben den Film oben zum Kanon der großen Genrefilme gezählt – obwohl er sich in einer Hinsicht von den anderen unterscheidet: Er spielt in der Jetztzeit und ist ein Remake des Klassikers von 1932. Er zeigt aber, dass de Palma mehr Wucht in seine Bilder und Darsteller bringen kann, als er das in „Die Unbestechlichen“ getan hat.

Anmerkung anlässlich der Veröffentlichung im Jahr 2024: Der Film hat für einen bestimmten Zeitraum nicht nur an den Top 250 gekratzt, sondern war auch in ihnen enthalten, daher rechnet er zu unserem Konzept, möglichst viele Filme zu rezensieren, die einmal auf dieser Liste standen oder immer noch stehen. Die IMDb-Nutzer:innen geben aktuell 7,8/10, der Eingang in die Liste kann ab 8,1/10 stattfinden.

76/100

© 2024 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2014)

Kursiv und tabellarisch: Wikipedia

Regie Brian De Palma
Drehbuch David Mamet
Produktion Art Linson
Musik Ennio Morricone
Kamera Stephen H. Burum
Schnitt Jerry Greenberg, Bill Pankow
Besetzung

 

 

 

 

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