WB-Serie „Mieter, kämpft um diese Stadt!“
62.) Wir kommen nach Hause, schauen uns das Neueste vom #Mietenwahnsinn an – und stoßen sofort auf diese Meldung:
Der Bezirk Neukölln übt rechtskräftig ein weiteres Vorkaufsrecht in der Anzengruberstraße aus. Die Anzengruberstraße ist eine Querstraße zwischen der Sonnenallee im Norden und der Karl-Marx-Straße im Süden, von Ost nach West zwischen Stadtbad und Rathaus gelegen – also mitten im Herzen von Neukölln.
Kürzlich hat Baustadtrat Jochen Biedermann mitgeteilt, er achte auch auf die Häuser, die es nicht schaffen, sich zu Initiativen zusammenzuschließen. Zu einem Haus in der Anzengruberstraße ist uns bisher keine Initiative bekannt und wir haben auch keinen Pressebericht gefunden, in dem die Hausnummer genannt ist. Wer besser recherchiert hat, wir nehmen jeden Hinweis gerne an. Möglich also, dass der Stadtrat unter anderem dieses Haus im Sinn hatte.
Als wir am letzten Wochenende mit einiger Wut und Trauer über gleich drei verdrängungsbedrohte Häuser in Neukölln berichteten und eine Andeutung vom Baustadtrat Biedermann kam, dass in den kommenden Tagen noch etwas angesagt sei, dachten wir voller Entsetzen an einen weiteren Alarmfall, aber dieses Mal lief es umgekehrt.
Ohne Aufhebens können wir in unseren Kalender der Verdrängten und Geretteten ein weiteres gesichertes Haus eintragen. Die Nummer wäre schon cool, der Verwechslungsgefahr wegen, aber wir haben auch Verständnis für die vorliegende Dezenz und freuen uns, wenn ausnahmsweise ein Gebäude ohne einen Riesenauftrieb kommunalisiert werden kann.
Es sollte doch eigentlich immer so sein.
Es sollte der normale Weg sein, ohne dass Menschen erst monatelang einen nervenaufeibendenden Kampf führen müssen: Die Haie wollen zuschnappen und Bezirke und städtische Wohnbaugesellschaften entreißen die Beute den schon geöffneten Mäulern. Das bereitet den Haien Schmerzen, wenn die spitzen Zahnreihen so richtig aufeinanderknallen und der Magen leer bleibt. Vielleicht suchen sie sich irgendwann doch ein anderes Revier – was nicht bedeuten soll, dass wir irgendwem auf der Welt die Immobilienmafia an den Hals wünschen.
In diesem Sinn lesen wir die in der folgenden Pressemitteilung des Bezirks enthaltene Bemerkung gern, dass in Zukunft jeder Verkauf im Milieuschutzgebiet noch stärker geprüft wird als bisher. Haie, passt auf, Verkäufer, passt ebenfalls auf!
Offenbar konnte auch die im letzten Jahr noch unbefriedigende Personalsituation im Bauamt des Bezirks mittlerweile so verbessert werden, dass ausreichende Kapazitäten für diese Aufgabe zur Verfügung stehen.
Die Idee, dass man von städtischen Gesellschaften sein Geld schneller und sicherer bekommen könnte als von windigen Konsorten der privaten Immobilienwirtschaft, lesen wir hier auch zum ersten Mal als Argument für die Kommunalisierung, aber es ist doch sehr sinnig: Die Bezirke und die Städtischen bieten den Verkäufern Sicherheit und Schnelligkeit bei der Abwicklung, als Bonus ein gutes Gewissen und können dadurch vielleicht sogar ein bisschen günstiger erwerben, gegenüber dem, was die Privaten zu zahlen bereit wären.
Was bleibt uns an diesem Tag, wenn wir an Neukölln denken, außer einem Lächeln? Eine Menge! Zum Beispiel der Wunsch, dass es für die Elsenstraße 75, die Friedelstraße 7 und die Fuldastraße 7 auch zur Vorkaufsrechtsausübung durch den Bezirk kommt! Daher heute unsere Solidarität mit diesen drei Häusern!
TH
Hier die Pressemitteilung des Bezirks Neukölln von heute im Volltext:
Weiteres Vorkaufsrecht in Neukölln wird rechtskräftig
Pressemitteilung vom 28.02.2019
Ein Wohnhaus in der Anzengruberstraße wird von der städtischen Woh-nungsbaugesellschaft STADT UND LAND Wohnbauten-Gesellschaft mbH übernommen. Der Bezirk hatte hier bereits Ende Januar das Vorkaufsrecht ausgeübt. Da Käufer und Verkäufer keinen Widerspruch eingelegt haben, ist der Bescheid rechtskräftig.
In Milieuschutzgebieten haben Bezirke beim Verkauf von Häusern zwei Monate Zeit, das Vorkaufsrecht auszuüben, wenn ansonsten zu befürchten ist, dass die Ziele der sozialen Erhaltungsverordnung konterkariert werden. Dies gilt insbesondere für die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen.
Zuletzt war in Neukölln der Vorkauf des Häuserkomplexes Böhmische Straße / Thiemannstraße rechtskräftig geworden. In anderen Fällen laufen dagegen noch Widerspruchs- und teilweise Klageverfahren.
Dazu erklärt Jochen Biedermann, Stadtrat für Stadtentwicklung, Soziales und Bürgerdienste:
„Es ist gut für alle Beteiligten, dass dieser Vorkauf schnell rechtskräftig werden konnte. Damit bleibt den Bewohner*innen ebenso eine lange Hängepartie erspart wie auch den Verkäufern, die dadurch rasch zu ihrem Geld kommen. Das ist leider nicht immer der Fall. Ich appelliere daher an die Verkäufer, darauf zu achten, dass ihr Haus in gute Hände gelangt. Denn wir werden zukünftig noch verstärkter jeden Verkauf im Milieuschutzgebiet intensiv prüfen.“
Medienspiegel 278
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