Leitkommentar: Der Finanzsenator Dr. Matthias Kollatz – zentrale Figur im Berliner #Mietenwahnsinn / @SenFin @SenSWB #Verdrängung #wirbleibenalle #Gentrifizierung #Mietendeckel #DWenteignen #Enteignung #Vorkaufsrecht #Neubau #Marktpreis

2018-11-11 Mieter,kämpft um diese Stadt + zusammen gegen MietenwahnsinnWir möchten heute über den Mietenwahnsinn wieder mit einem etwas längeren Beitrag reflektieren, weil Freitagnachmittag ist und wir uns dafür etwas Zeit nehmen können.

Gestern hatten wir das turnusmäßige Treffen mit einer Person, die alle Berliner Senator_innen kennt, einige besser, einige weniger gut – weil sie mit ihnen als Verhandlungspartner zu arbeiten hat. Wir hatten ein besonderes Interesse an Finanzsenator Kollatz, weil er für die Mieter_innen in Berlin die wichtigste politische Person ist. Selbstverständlich sprachen wir auch über die anderen, aber am Ende kam nach Einschätzung unseres Gegenübers heraus, dass der Finanzsenator für uns Mieter_innen sogar bedeutender ist als der Regierende Bürgermeister und auch als Stadtbausenatorin Katrin Lompscher: Denn das Finanzressort entscheidet, was letztlich geht und was nicht.

Kollatz, so hieß es weiter, sei kein Menschenfänger, keine massenwirksame Person, aber seine Fachkompetenz und Analysefähigkeit unter den Senator_innen herausragend und er fände zunehmend Gefallen an der Macht, die ihm seine Stellung, verbunden mit seiner Qualifikation, verleiht. Er sei immer gut vorbereitet und könne richtig sauer werden, wenn ihn seine Mitarbeiter ausnahmsweise nicht perfekt briefen, sei sehr faktisch orientiert und auch zum Zuhören und zum Kompromiss – bis er sich eine Meinung gebildet habe. Danach  nicht mehr.

Wir betonen, dass es sich um die persönliche Einschätzung einer Person handelt, die den Senat aus der Sicht ihrer Interessenvertretung wahrnimmt und von der wir wissen, dass sie Kollatz‘ Vorgänger Nussbaum furchtbar fand, vor allem als Persönlichkeit, für sich also eine positive Entwicklung im Umgang mit der Berliner Politik verbuchen kann.

Wir möchten aber an dieser Stelle schon hinzufügen, dass seit dem Wechsel zu 2RG für die Stadtgesellschaft generell manches einfacher geworden ist. Man findet leichter Gehör und es wird beherzter an Problemen gearbeitet als zuvor, wo seltsame Figuren wie der CDU-Innensenator Frank Henkel das Bild der Regierung mitbestimmten. Bei der Gelegenheit: Auch Innensenator Geisel kam im gestrigen Gespräch recht gut weg, fast so gut wie Kollatz.

Gestern hieß es im Tagesspiegel, die Regierung zeige weiter Uneinigkeit beim Umgang mit dem #Mietenwahnsinn, auch die Rede von Finanzsenator Kollatz wurde dabei zitiert: Er ist kein Enteignungsfan, das wurde wieder deutlich.

Kollatz ist im Frankfurter und im europäischen Bankenwesen groß geworden und hat, bevor er nach Berlin kam, um das Finanzressort zu übernahmen, bei einer der großen Beratungsgesellschaften, Price Waterhouse Coopers (PWC) gearbeitet, mit einer solchen Biografie springt man nicht so leicht in Richtung Enteignung. Außerdem ist es SPD-Linie, dieses Vorhaben so gut wie möglich – eben nicht zu unterstützen. Das merkt man in der Tat und wir finden es fragwürdig, weil dadurch, dass der Mietendeckel gegen die Enteignung ausgespielt wird, seitens der Politik kein maximaler Druck entwickelt werden kann.

Ein sogenanntes Political Animal erkennt das auch sofort, aber leider sind weder der Regierende noch Kollatz solche Typen und natürlich ihrer Bundespartei verpflichtet, die in der Großen Koalition eine Linie fährt, die sehr weit weg von Sozialisierung ist und auf dem Finanzsektor der Weistung folgt, die von Wolfgang Schäuble stammt: Entschuldung und Zurückhaltung bei den Investitionen. Wir hatten in unserem Beitrag zum Moody’s-Angriff auf Berlin angemerkt, dass Senator Kollatz möglicheweise um ein solches Statement gebeten hat, um die lästigen Enteignungsbefürworter in die Schranken weisen zu können – in der Form, dass wir das nicht für ausgeschlossen halten, weil es zu seiner Haltung passen würde. Selbstverständlich wissen wir nicht, ob es eine solche Anfrage gab, jedenfalls kam der Rempler aus den USA dem Finanzsenator wohl nicht ganz ungelegen.

Bauen, Kaufen, Deckeln – das ist die Linie von Matthias Kollatz.

Der Neubau habe Priorität, heißt es in dem Interview, das der Tagesspiegel kürzlich mit ihm geführt hat und zu dem wir nun überleiten.

Die Opposition geht vor allem Stadtbausenatorin Lompscher an und reklamiert, der Neubau käme quasi zum Erliegen.

Mumpitz.

Ein paar Worte mehr?

Sicher hat man zu Beginn von 2RG die planungsrechtlichen Anforderungen etwas unterschätzt, das hat Lompscher auch zugegeben, aber es gibt viele unterschiedliche, nicht durch eine Stelle allein verursachte Gründe, warum nicht mehr als 15.000, 16.000 Wohnungen pro Jahr machbar sind. Einer davon, das stellt sich immer mehr heraus, sind Engpässe in der Bauwirtschaft. Es gibt einige ziemlich witzige Vorschläge, wie man wenigstens die ausgedünnten staatlichen Stellen, Bauämter etc. wieder flott machen könnte. Die Opposition in Berlin ist jedoch ein Desaster und kritisiert im Wohnungsbereich ebenso wahllos wie inkompetent in den politischen Raum hinein und vertritt selbst politische Programme der alles regelnden Liberalisierung, die sich längst als unfähig erwiesen haben, dem #Mietenwahnsinn zu begegnen. Aber wir bleiben beim Finanzsenator.

Witzig auch, dass die erste Einlassung nicht aus dem Interview genommen wurde – Kollatz ist keiner von uns, sondern bewohnt eine Eigentumswohnung.

Darauf werden wir uns auch weiterhin beziehen, wie wir das in diesem Beitrag bereits getan haben. Das ist, im Gegensatz zu einiger dümmlicher Kritik aus der parlamentarischen Opposition, auch ernst zu nehmen: Sicher kann der Senator jede Mietsteigerung mitgehen, aber es ist ein Unterschied, ob man solche nervenden Tatbestände in Form von Mieterhöhungsschreiben vor sich hat oder  von solchen Momenten für immer befreit ist.

Nach unserer Ansicht kann sich dem Effekt, in einer anderen Position zu sein als diejenigen, für die man das Beste herausholen soll, niemand ganz entziehen.

Deswegen sind echte Linke auch gegen Eigentum an größeren Werten wie etwa einer Millionenwohnung oder überhaupt einer Wohnung, auch wenn sie selbstgenutzt ist.

Weil Eigentum konservativ macht und selbstbezogen, weil es CDU-Wähler und FDP-Wähler generiert. Das hat man mit den Wohnungsbauprogrammen ab den 1950ern auch gut erkannt und damit der Union bis heute hohe Wähleranteile gesichert. Auch das WEG-Gesetz stammt ja nicht umsonst aus 1950, zuvor konnte man an einzelnen Wohnungen kein Eigentum begründen. Spätestens mit dieser gewiss senatorengerechten Eigentumswohnung ist Kollatz auch statusmäßig auf die Kapitalseite gewechselt.

„Sind es schlimme Kaufpreise, die Ihnen beim Kauf Ihrer Wohnung begegnet sind?“, fragt der Tagesspiegel dann.

Hätten wir das Interview geführt, hätten wir gefragt, wie groß und wie teuer seine Wohnung ist. Vielleicht war das auch so und man hat es im Wege der Autorisierung des Interviews geändert. Scherz – wir mögen den Tagesspiegel, aber er ist kein revolutionäres Blatt. Die Wohnungen sind teurer geworden, das weiß aber sowieso jeder.

Kollatz konnte trotzdem kaufen. Das gibt einen Hinweis.

Als der Tagesspiegel damit ansetzt, dass die Mieten, die 85 Prozent aller Stadtbewohner betreffen, sinken oder nicht mehr steigen sollen, grätscht Kollatz mitten in den Satz.

Weil die Kooperationsvereinbarung mit den „Big Six“, den städtischen Wohnungsgesellschaften vorsieht, dass die Mieten im Bestand um maximal 2 Prozent pro Jahr angehoben werden dürfen. Was er nicht erwähnt: Dass bei Neuvermietungen teilweise ganz andere Sprünge gemacht werden, bis zu 15 Prozent (WBM, 2018 gegenüber 2017).

Und er weist aufs Kostendeckungsprinzip hin, das wir ebenfalls befürworten. Wohnungen dürfen nicht zu Subventionsobjekten werden, das hat in der DDR zur Verwahrlosung des gesamten Prenzlauer Bergs geführt, um ein bekanntes Beispiel zu nennen.

Die Gentrifizierung war erst dadurch so massiv möglich, weil dieses Gebiet in den zur Wendezeit komplett fehlbewirtschaftet war. Und so könnte auch eine nicht kostendeckende Miete heute ein Bumerang sein. Wenn der öffentlichen Wohnungswirtschaft das Geld ausgeht und sie die nächste Verscherbelungsrunde einläuten – oder die Substanz verfallen lassen muss. Zu Mieten zwischen 5 und 6 Euro geht Kostendeckung aber. Auch das haben wir gestern Abend wieder besprochen. Die Genossenschaft, an der mein_e Gesprächspartner_in beteiligt ist, nimmt Mieten von knapp über 6 Euro netto kalt und am Jahresende gibt es kleine Rückzahlungen und die Genossenschaft wird immer reicher dabei. Die jetzigen Bestände sind eben längst abbezahlt. Und was wir aus Anschauung kennen: In einem traumhaften Zustand. Die Genossenschaft darf aber nicht bauen.

Sie darf nicht?

Sie würde gerne, bekommt aber keine kapablen Grundstücke. Die Einbindung der Genossenschaften ins soziale Bauen läuft offenbar schlecht, dabei ließe sich durch deren Bautätigkeit die öffentliche Hand doch entlasten und der Privatisierung wäre ein Riegel vorgeschoben. Wir unterstützen die Forderung der LINKEn, dass öffentlicher Grund nicht mehr an private Bauträger gehen darf grundsätzlich, zumal dann, wenn diese nicht bereit sind, mindestens 50 Prozent preisgebundene Wohnungen zu erstellen und wenn nicht endlich die Gesetzeslage so geändert wird, dass Preisbindung auf unbegrenzte Dauer möglich ist. Vom Verbot der Bodenprivatisierung müssen die Genossenschaften ausgenommen werden, die in den Händen von Privatpersonen sind,  aber deren Konstitution gleichzeitig den Vergesellschaftungsgedanken spiegelt.

Die städtischen Gesellschaften sollen 6.000 Wohnungen pro Jahr bauen.

Davon sind sie im Moment weit entfernt, im Jahr 2018 waren es mal gerade 3000. Die Seite der landeseigenen Wohnungsesellschaften weist „mehrere Zehntausend Neubauten“ bis 2021 aus, aber der Linke wurde geändert: Ursprünglich war von 54.000 Wohnungen die Rede, das hat man vorsichtshalber nicht so stehen lassen.

2017 haben die Städtischen etwa 3.000 Wohnungen neu gebaut. Der Gesamtbestand der städtischen Wohnungen soll bis 2026 auf 400.000 Wohnungen anwachsen, von gegenwärtig etwa 320.000. Das wäre allerdings wenig, wenn bis 2021 ursprünglich schon 54.000 städtische Wohnunge hätten neu gebaut sein sollen. Wir meinen, gleich, ob die 400.000 erreicht werden, was durch reinen Neubau selbst bei 6.000 pro Jahr schwer zu schaffen sein wird, ist das ist zu wenig, um den Markt entscheidend zu beeinflussen und Verdrängung zu stoppen, zumal die in die neuen Wohnungen Einziehenden nicht selten jene sein dürften, die aus ihren Kiezen weggentrifiziert wurden.

Deswegen ja auch die (Re-) Kommunalisierung – das zweite Standbein  „Kaufen“.

Wir haben gerade wieder an einem Beispiel erlebt, wie die Rekommunalisierung nicht immer funktioniert und zudem gibt es Vorgänge wie in der Karl-Marx-Allee, wo Rekommunalisierung eher einer komplizierten Schlachtanordnung gleicht als strategischer Immobilienpolitik. Deswegen erscheinen uns auch Kollatz‘ Ausführungen zum Milieuschutz etwas zu allgemein und die praktische Umsetzung  ist zu selektiv.

Aber Kollatz hatte doch erst den Regierenden Michael Müller öffentlich, mindestens per Presse, zurechtgewiesen, als der darüber nachte, 52.000 Ex-GSW-Wohnungen von der Deutsche Wohnen zurückzukaufen.

Zu Recht und damit wird auch ein Licht auf die Verhältnisse in der Regierung geworfen.

Bestände dieser Größenordnung zu Marktpreisen zu rekommunalisieren, ist mehr als schwierig und zweitens, das ist für uns in gewisser Weise sogar wichtiger, weil es dieses Angebot an die Deutsche Wohnen unseriös wirken lässt, werden die privaten Wohnungskonzerne nicht in der Größenordnung deinvestieren.

Bei den Vorkaufsrechten geht es aber nicht um solche Dimensionen, sondern mal um 15, mal um 50 oder 150 Wohnungen. Viel mehr wurde mit einem einzelnen Vorgang noch nicht per Vorkaufsrecht kommunalisiert. Es gibt größere Fälle außerhalb des Vorkaufsrechts wie das Kosmosviertel mit ca. 1.820 Wohnungen oder den „Pallast“ in Schöneberg mit ca. 500 Wohnungen.

„Laut einer Meldung der dpa erwarb das Land Berlin 2018 über kommunale Gesellschaften 3746 Wohnungen, davon 638 im Rahmen eines Vorkaufsrechts in so genannten Milieuschutzgebieten“, schreibt der Tagesspiegel ja auch.

Wir lesen und kommentieren hier abschnittsweise – aber das passt doch. Das Kosmosviertel in Alt-Glienicke wurde aber erst 2019 von Stadt und Land, einer der landeseigenen „Big Six“, gekauft. Immerhin wurden 2018 mehr Wohnungen kommunalisiert als landeseigene neu gebaut, insofern ist die Priorität des Neubaus zumindest nicht in den jüngsten erhältlichen Zahlen repräsentiert. Und natürlich recht das alles nicht, um den Mietenwahnsinn großflächig zu bekämpfen.

„Aus meiner Sicht ist es nicht sinnvoll, das gegeneinander zu stellen. Neubau hat Priorität und soll Priorität haben. Wir haben im vergangenen Jahr 3500 Wohnungen gefördert, wir wollen in diesem Jahr 4000 fördern, wir wollen im nächsten Jahr 4500 und im übernächsten Jahr 5000 Wohnungen fördern“, sagt Kollatz.

Wir interpretieren das so, dass damit die Förderung landeseigenen Neubaus, aber auch von (Re-) Kommunalisierungen zusammen gemeint ist. Wer jetzt, bezogen auf 2019, in einem Haus mit den Wohnungen 4001 bis 4030 lebt, hat Pech gehabt und darf von einem anonymen Investor geschluckt und aus der Stadt gedrängt werden. Das wird wohl vor allem zum Ende des Jahres hin schwierig mit den Vorkaufsrechtsausübungen. Das ist jetzt eine pointiert auf statisch getrimmte Wiedergabe, aber solche Planzahlen sind ebenfalls sehr statisch. Es muss ja auch davon abhängen, zu welchen Konditionen Ankäufe möglich sind und wie sich der Markt allgemein entwickelt.

Es wird nur so viel ausgegeben, wie der Finanzsenator zulässt – steht oben.

Der Haushalt wurde natürlich ausgehandelt und es gibt Nachtragshaushalte, aber wir befürchten, dass der Selektionismus bei den Vorkaufsrechten weitergehen wird. Es spielt für uns aber schon eine Rolle, ob Mieter_innen konkret von Verdrängung bedroht sind, ihnen muss geholfen werden. Wenn man damit fertig ist, kann man allgemeine, nicht durch akute Notsituationen bedingte Käufe anzielen.

Kollatz lässt aber durchblicken, dass ihm Abwendungsvereinbarungen lieber sind als kaufen im Milieuschutz.

Er sagt, er wäre nicht böse, wenn er im Milieuschutz nicht beim Kaufen helfen müsste, durch Landeszuschüsse. Das kann auch bedeuten, dass er hofft, die Kauftätigkeit von Privaten geht von allein zurück. Realistischer ist die andere Interpretation: Die Bezirke sind gehalten, sich vorrangig um Abwendungsvereinbarungen zu bemühen. Das sehen nicht alle Bezirks-Baustadträte ebenso und wir sehen es ebenfalls nicht so.

Es stimmt aber technisch. Die Anweisung des Senats zum Vorgehen im Fall von Käufen in Milieuschutzgebieten legt nah, dass man zunächst auf eine Abwendungsvereinbarung hinwirken soll. Es ist eine politische Frage, ob man sich daran hält. Aber es ist doch so: Wenn der Senat Zuschüsse verweigert, der „Investor“ merkt, dass kein städtische Wohnungsgesellschaft bereit ist, ihn notfalls ihrerseits zu verdrängen, dann hat er keinen Grund, eine für die Mieter_innen wirklich gute Abwendungsereinbarung zu unterzeichnen.

Immer bereit, das muss von daher das Signal des Senats an die Immobilienaufkäufer sein. Whatever it takes, der Spruch müsste Finanzsenator Kollatz geläufig sein.

Ist dieser Spruch anwendbar, wenn man nicht selbst Geld schöpfen kann? Aber weiter und nochmal zusammenfassend: In zehn Jahren sollen die städtischen Bestände um 100.000 Wohnungen wachsen, aber zu etwa zwei Dritteln durch Neubau. Das heißt, die Käufe sollen sogar unter das Niveau von 2018 zurückfallen.

Viel zu langsam, das alles. Das muss man leider so klar festhalten, jenseits aller Kapazitätsfragen. Die Stadt soll bis 2030 auf knapp 4 Millionen Einwohner gewachsen sein. Sicher, man kann darauf hoffen, dass der Markt sich dreht, der Zuzug stoppt, die Preise fallen – das würde aber auch bedeuten, dass man in eine Wirtschaftskrise gerutscht ist. Bleiben die Paramater ähnlich, wie sie jetzt sind, wird der Auftrieb anhalten – nicht immer weiter im bisherigen Tempo, aber die viel zu hohen Mieten sind ja schon passiert und bleiben erhalten. Außerdem ist es durchaus möglich, dass in ein paar Jahren die Mieten sogar stärker steigen als die Kaufpreise, im Moment ist es umgekehrt. Das Bestreben, die Rendite wieder zu erhöhen, wenn die Kaufpreise etwas weniger anziehen, dürfte stark ausgeprägt sein. Die Immobilienwirtschaft denkt strategischer als die meisten Politiker_innen.

Das Interview geht weiter ins Flächenmanagement und stößt in die Einzelfalltiefe vor, Buch, Haus der Statistik. Was ist dazu zu sagen?

Der Bund muss Grundstücke günstig an das Land Berlin abgeben. Es kann nicht sein, dass das Land mit Privaten um die Wette bieten müssen, bei der Bodenpreisexplosion, die wir in den letzten Jahren hatten und weiter haben werden, weil der Boden nun einmal knapper wird, wenn immer mehr zugebaut wird. Und, siehe oben, mit den eigenen Flächen muss sinnvoll verfahren werden. Auch Berlin darf nicht mehr nach Höchstgebot verkaufen, sondern nur noch konzeptorientiert – etwa an die „neuen Genossenschaften“ oder ähnliche kooperative Projekte oder man lässt eben gleich die eigenen Gesellschaften bauen. Nur dann kann man dem Bund seine Verfahrensweisen vorhalten.

Stimmt es, was der Tagesspiegel behauptet, dass das Land Berlin Grundstücke nur noch an die Städtischen vergibt?

Offensichtlich nicht, sonst müsste es DIE LINKE ja nicht fordern. Man darf das aber nicht mit dem Fall verwechseln, dass in Baugenehmigungen Sozialbedingungen enthalten sind. Solche können auch erstellt werden, wenn das Grundstück, auf dem gebaut wird, von privat kommt, etwa die Preisbindung und Belegungsquoten für bestimmte Anteile an den neu erstellen Wohnungen. Deswegen werden wir künftig auch vermehrt unser Augenmerkt darauf legen, wie es passieren kann, dass in Neubauvorhaben Wohnungen zu Mondpreisen vermietet werden.

Das ist der nicht preisgebundene Anteil, aus dem muss das Maximale herausgequetscht werden, um die Preisbindung bei 30 bis 50 Prozent der Wohnungen auszugleichen.

So könnte es laufen, in der Realität. Dann wohnen oben Menschen, die 30 Euro pro m² ausgeben können und daruner welche für 6,50. Ein sozialer Mix ist das sicherlich, aber auch ein guter?

Kollatz bestätigt, dass im Konzeptverfahren auch Private, auch Genossenschaften, zum Zuge kommen sollen.

Ja, siehe oben. Wir sind gespannt, wie sich das ausnehmen wird. Kooperative, selbstbestimmte Bauformen sind ein Teil vom Ganzen, auch wenn sie in der Regel nur von Menschen mit erheblichen Kapazitäten umgesetzt werden können, darüber wollen wir uns hier nichts vormachen. Doch diese gehören zur Stadtgesellschaft, die Kreativen und Innovativen, die den einen oder anderen Euro in so ein nachhaltiges Gemeinschaftsprojekt stecken können. Zum Konzept sollte dann auch gehören, dass Räume für Mitbewohner_innen zur Verfügung gestellt werden, die sozial / finanziell eine Stufe darunter stehen. Oder die klassischen Genossenschaften. Viele Genoss_innen können zu relativ günstigen Konditionen Anteile erwerben.

Aber das ist doch auch wieder nicht gerecht, wenn sich die Konzeptbetreiber ihre Mitbewohner aussuchen dürfen. Das wird doch vorwiegend nach Selbstähnlichkeit ablaufen, nicht nach sozialen Gesichtspunkten.

Das ist ein weites und fruchtbares Feld, welches wir ebenfalls hier nicht beackern können.  Ebenso wie die beiden genannten Fälle Dragoner-Areal und Berlinovo.

Aber interessant, das mal wieder keine Zahlen genannt werden, in letzterem Fall. Wenn es nach dem Senator gehen würde, würden vermutlich überhaupt keine Haushaltszahlen öffentlich gemacht. Da kommt doch wieder die kapitalistische Gutsherrenart durch – Transparenz ist nichts für die Öffentlichkeit, die kann eh nichts mit den Daten anfangen.  Aber die Herren der Finanzen, gleich bei Banken oder in öffentlichen Ämten, das sind genau diejenigen, denen wir am meisten auf die Finger schauen müssen. Das ist eine eminent wichtige Aufgabe für die Stadtgesellschaft. Dann selbstredend sind die Mittel endlich und wir brauchen mehr Möglichkeiten, uns eine fundierte Meinung zu bilden, wie sie am besten zu verwenden sind. Die Politik hat die Aufgabe, Interessen zu moderieren, nicht, die Prioritäten selbst festzusetzen, schon gar nicht im Sinn einer kleinen kapitalistischen Minderheit.

Abschließend müssen wir noch einmal erwähnen: Anders als der Finanzsenator sind wir der Meinung, die Enteignung muss unbedingt als eine von mehreren Möglichkeiten flächendeckender Beendigung des Mietenwahnsinns vorangetrieben werden. Gleichrangig mit allen anderen Möglichkeiten.  Denn sollte diese Möglichkeit umsetzbar sein, dann sollte sich gerade Senator Kollatz darüber freuen, dass er unterhalb der Marktwerte für die Stadt auf Einkaufstour gehen kann. Dagegen kann doch kein seriöser Finanzpolitiker etwas einzuwenden haben.

© 2019 Der Wahlberliner, Thomas Hocke

Kommentar 198, Analyse 25


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