Das Beitragslogo „Breaking News“ ist leider durch ein unerwartetes längeres Telefonat nun ziemlich steil, wir lassen es aber einfach mal.
Nachdem wir gestern über eine Veranstaltung mit der Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ in der Trettachzeile berichtet haben (Teil 2 folgt in den nächsten Tagen), erhalten wir unverhofft die Chance, die Gegenseite zu Worte kommen zu lassen.
Denn Michael Zahn, der „CEO“ der Deutsche Wohnen AG, hat der „Welt“ ein Interview gegeben, das heute online erschienen ist.
Wir müssen aber eine Texttafel von der Öffentlichkeitsarbeitsabteilung der Deutsche Wohnen SE voranstellen – weil die Aussage darauf, die sicher wieder für Zündstoff sorgen wird, im Interview gar nicht vorkommt.
Im Tweet wird aber auf dieses Interview verwiesen. Wir haben ihn nicht anklickbar, sondern als Screenshot eingestellt, weil es in diesem Fall sein könnte, dass die DW ihn wieder entfernt. Es ist kurios, dass Michael Zahn sich im Interview dezent und um Verständnis werbend gibt, aber das sonst so clevere Marketingpersonal der DW unnötigerweise Öl ins Feuer gießt.
Normalerweise ist es eher so, dass ruppige Manager Aussagen tätigen, die dann mühevoll von den Wording-Spezialisten entschärft werden müssen, der umgekehrte Fall kommt eher selten vor. Wir halten also fest: Die DW lässt uns wissen dass Schluss ist mit Wohnen in Berlin, für bestimmte Haushalte. Wer genau raus muss, darüber müssen wir natürlich auch noch sprechen.
Die Zahlen, die Zahn im Interview nennt, entsprechen in der Tat denen im Geschäftsbericht 2018. Aber sie verraten nicht alles. Ob sie richtig sind, würde außerdem die Prüfung aller Mietverträge der Deutsche Wohnen SE erfordern, daher müssen wir sie so hinnehmen.
Wenn sie also richtig sind, wäre die Deutsche Wohnen bei Mieterhöhungen im Bestand unterhalb der im gestrigen Beitrag erwähnten 2-Prozent-pro-Jahr-Erhöhungsmarke geblieben, die in Berlin derzeit für die städtischen Wohnungsgesellschaften gilt.
Allerdings gibt es einen Haken: Wir ersehen aus dem Interview nicht, was die Deutsche Wohnen speziell in Berlin gemacht hat.
Dass die übernommenen Bestände der GSW schon Renovierungsbedarf zum Zeitpunkt der Übernahme aufwiesen, lässt sich vorstellen, aber nicht erwähnt wird dabei, zu welchen Spottpreisen diese Häuser in den 2000ern privatisiert wurden. Der Preis, zu dem sie 2013 zur Deutsche Wohnen gelangt sind, spielt in dieser Betrachtung keine Rolle, weil er unter Privaten nach Marktwert ausgehandelt wurde.
Die Deutsche Wohnen war nicht verpflichtet, diese Bestände zu erwerben und wir meinen, sie hat es sicher gerne getan und dann weiterhin nicht entsprechend in die Instandhaltung investiert. Wir meinen damit nicht die Art von Modernisierung, die sich mietensteigernd nutzen lässt, sondern das, was notwendig ist, um Immobilien uneingeschränkt funktionsfähig zu erhalten.
Wir haben an einer Stelle geschrieben, dass Enteignung kein Ruhekissen für die Stadtgesellschaft ist, wenn vollzogen, sondern eine fordernde Maßnahme, die politische Opfer verlangen wird und die es erfordert, dass wir uns, wenn schon auf eine solche Weise in Richtung Gemeinwohl gearbeitet wird, auch mehr engagieren als bisher, nicht zuletzt im Sinn der nachbarschaftlichen Solidarität.
Unter den vorliegenden Umständen ist Enteignung eine wirtschaftspolitische Richtungsentscheidung, bei der die Stärkung der Bürger_innengesellschaft und Stärkung des Staates als Halter von Vermögen im Vordergrund stehen. Der Staat erhält dadurch wieder mehr Gestaltungsmöglichkeiten und kann mehr Partizipation zulassen – es geht also nicht darum, für lau zu wohnen oder fast, sondern um nachhaltiges, am Gemeinwohl orientiertes Wirtschaften und um Empowerment, darum, dass wir alle mehr bestimmen können, wie unsere Stadt sein soll.
Wir haben uns den Geschäftsbericht der Deutsche Wohnen für 2017 angeschaut (2018, dachten wir, gibt’s auch schon, aber da hatten wir die LEG im Kopf, über die wir kürzlich berichtet hatten).
Zunächst haben wir daraus folgend wieder einmal einen lieben Gruß an unseren Regierenden Bürgermeister, der gemäß „Welt“ zur Deutsche Wohnen gesagt haben soll: „(…) unser Unternehmen habe hier und da nicht ganz glücklich agiert“, so wird Zahn im Interview wiedergegeben. Wir können uns gut vorstellen, dass Michael Müller das genau in der Form geäußert hat.
Aber die Deutsche Wohnen hat im Jahr 2017 nur für 50 Millionen Euro Altbestände verkauft. Wenn also Michael Müller die Ex-GSW-Häuser von der Deutsche Wohnen SE zurückerwerben will, dann natürlich saniert und nach unserer Berechnung aktuell für ca. 10 Milliarden Euro zu haben, dann würde der Rückkaufprozess sich über 200 Jahre erstrecken.
Dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass die DW in Berlin vielleicht gar nicht verkauft hat, sondern nur anderswo, denn die DW steht auf Berlin, das geht verschiedentlich auch aus dem Geschäftsbericht hervor. In unserer Stadt kauft sie in der Tat eher zu, wo immer es geht, zum Beispiel hier und hier. Den Buchwert ihrer Immobilien in Berlin gibt die DW zum 31.12.2017 mit 14,2 Milliarden Euro an, das sind 2.100 Euro / m². Dies ist nach gegenwärtigen Marktdaten ein konservativer Ansatz, daher gehen wir auch davon aus, dass bei einem marktkonformen Verkauf an das Land Berlin mehr gezahlt werden müsste als der Buchwert, der sich 2018 ohnehin erhöht haben dürfte.
Für die in Rede stehende GSW weist die Deutsche Wohnen 2017 noch gesonderte Zahlen aus, abzüglich der Schulden einen Wert von nur 4 Milliarden Euro. Würde das Land Berlin aber die Schulden nicht übernehmen müssen, wären ca. 6,7 Milliarden Euro für diesen Bestand zu zahlen – oder die lastenden Schulden müssten im Lauf der Zeit abgetragen werden. Das erhärtet unsere Schätzung von ca. 10 Milliarden.
Natürlich hat uns jetzt interessiert, ob weitere in der Trettachzeile genannte Fakten so stimmen. Im Geschäftsbericht 2017 stehen die Mieten in Berlin auf durchschnittlich 6,46 Euro pro m² zu Buche, das dürften in der Tat im Jahr 2018 die von der „DWenteignen“ genannten 6,60 Euro geworden sein, vielleicht auch etwas mehr, Neuvermietungen einbezogen. Wie aber steht es mit dem „Mietsteigerungspotenzial“, das den Aktionären ja immer versprochen werden muss?
Zunächst fiel uns etwas anderes auf. Die Deutsche Wohnen operiert mit sehr hohen Verhältnissen zwischen Immobilienwert und JNKM (Jahresnettokaltmiete) als Renditekennziffer, die Vertragsmieten liegen bezüglich ihrer Faktoren über den Marktmieten. Die DW weist einen Gewinn von etwa 1,78 Milliarden Euro nach Steuern aus und ihre Aktien sind im Verlauf des Jahres 2017 um 22,8 Prozent gestiegen. Auch bei der DW übertrifft, wie wir das schon bei der LEG gesehen haben, der Gewinn bei Weitem das Ergebnis der Bewirtschaftung, weil hohe Wertsteigerungen des Bestandes in die Berechnungen eingeflossen sind.
Der vielfach besprochene Vermögensverwalter BlackRock hält 9,52 Prozent an der Deutsche Wohnen. Ganz wichtig in dem Zusammenhang: Zwei weitere Großinvestoren, die mit BlackRock bei strategischen Entscheidungen und Einflussnahmen gewiss kooperieren werden, halten weitere 17 Prozent an der Deutsche Wohnen.
Die Dividende beträgt 0,74 Euro pro Aktie, im Jahr 2018 sollen es 0,80 Euro sein (+8,11 Prozent). Jemand unter unseren Leser_innen, der 8 Prozent mehr aus ehrlicher Arbeit verdient hat, im Jahr 2018, und sich einen Vermögenszuwachs von 23 Prozent gutschreiben konnte, also zufällig Aktionär der DW ist?
Was aber ist mit der Behauptung, die DW würde ihren Aktionären ein Plus von 50 Prozent in fünf Jahren versprechen?
Wir haben es in der Form nicht gefunden, dass die Mieten um 50 Prozent angehoben werden sollen, aber etwas anderes dürfte sicher sein, wenn sich die bisherige Entwicklung fortschreibt: Dass der Wert der Aktien sich in diesem Zeitraum um 50 Prozent steigern lässt und so wird ein Schuh daraus. Dazu müssen nicht die Mieten in gleichem Maße steigen. Bei dieser Erkenntnis wollten wir es aber nicht belassen, sondern haben nach dem berüchtigten Wort „Potenzial“ gesucht und dabei zusammengefasst folgendes gefunden:
- Ausweitung der Investitionen (Kauf) und Neubau,
- Konzentration der Modernisierung auf Wachstumsmärkte, um Wertpotenziale zu heben,
- Entwicklung der Quadratmetermiete inklusive Umfang der Neuvermietung, Budgetierung = Planung, hieraus Entwicklung von Mietsteigerungspotenzialen bei kontrollierter Aufwandsentwicklung, die stetig die operativen Ergebnisse verbessern,
- in der „Bewirtschaftung“, tatsächlich in Anführungszeichen gesetzt, liegt der Fokus auf der Realisierung von Mietpotenzialen gemäß den Marktmieten,
- Objekte mit unterdurchschnittlichem Zustand und Ausstattungsstandard in besonders vielversprechenden Lagen werden als „Entwicklungsobjekte“ klassifiziert – in den nächsten Jahren umfangreiche Modernisierungmaßnahmen, um das Wertpotenzial zu heben,
- Ausrichtung auf Wachstumsmärkte, Senkung des Verschuldungsgrades und des Refinanzierungszinssatzes,
- Berlin wird bei den Städten mit dem meisten Wachstumspotenzial genannt.
Ganz wichtig ist diese Passage, die alles auf den Punkt bringt:
- „Die wesentliche Geschäftstätigkeit der Deutsche Wohnen besteht in der Bewirtschaftung von Wohnimmobilien im Rahmen eines aktiven Bestandsmanagements. Das Bestandsmanagement umfasst die Modernisierung und Instandhaltung des Immobilienportfolios der Deutsche Wohnen, das Management von Mietverträgen, die Betreuung („“) der Mieter und die Vermarktung von Wohnungen. Der Fokus in der Bewirtschaftung liegt dabei auf der Optimierung der Mieterlöse. Daher werden im Rahmen der baulichen Unterhaltung laufend mögliche Maßnahmen mit Steigerungspotential geprüft, Mieterwechsel für Wertsteigerungen genutzt sowie Versorgungsleistungen nach Maßgabe größtmöglicher Einsparungen eingekauft und an die Mieter weitervermittelt.“
Wir haben bei diesem Beitrag einen relativ langen Anlauf genommen, aber wir wollten nichts päjudizieren, sondern der Reihe nach vorgehen.
Doch allein der Begriff „Potenzial“ brachte alles zutage, was wichtig zur Beurteilung der Mentalität der Deutsche Wohnen SE ist. Selbstredend sind dort keine Steigerungsmöglichkeiten in exakten und sehr forschen Zahlen genannt, auf welche die Aktionäre dann pochen könnten bzw. deren Nichterreichung die Börse abstrafen könnte, aber der Tenor ist klar.
- Keine Gemeinwohlverpflichtung, sondern ständige Renditesteigerung,
- jede Modernisierungsmöglichkeit wird konsequent ausgenutzt, um die Mieten nach oben zu treiben,
- jeder Vertragswechsel wird genutzt, um die Miete maximal nach oben zu treiben,
- Vertragswechsel sollen forciert werden – was in einer Zeit, in der Menschen kaum noch freiwillig die Wohnung wechseln, nur möglich ist, wenn man sie verdrängt – durch ebenjene erwähnten Maßnahmen der Modernisierung beispielsweise.
Würde wir über „Potenzial“ hinaus nach weiteren Schlüsselbegriffen suchen, ließe sich gewiss noch manches mehr finden, aber wir meinen, die leicht verklauselte, für einen halbwegs geübten Leser aber ohne Weiteres erkennbare aggressive Bündelung von Maßnahmen, die zu Mieterhöhungen nutzbar gemacht werden könnten, belegt, warum die Deutsche Wohnen so im Fokus steht. Dabei geht es um ein Grundproblem, um die strategische Ausrichtung, nicht darum, ob man irgendwann an irgendeinem Ort mal bisschen unglücklich rübergekommen ist. Das, was wir sehen, ist gewollt.
Wir haben trotzdem noch ein wenig weitergeforscht und sind dabei auf folgende Kennzahl gestoßen:
- Das Like-for-Like-Wachstum im Großraum Berlin bei den Mieten belief sich 2017 auf satte 5,3 Prozent. Like for Like beschreibt das um Neuakquisen oder Bereichsverkäufe bereinigte Wachstum eines betrieblichen Bereiches und dient so zur Ermittlung des organischen Wachstums.
- Im Interview nennt der „CEO“ der Deutsche Wohnen diese brisante Zahl freilich nicht, die besagt, dass die DW aus ihrem Berliner Bestand unter Herausrechnung von Zukäufen und Abgängen im Jahr 2017 mehr als fünf Prozent an Mieterhöhungen herausgeholt hat. Die Erhöhung bei den Neuvermietungen dürfte deutlich darüber gelegen haben.
Die Suche nach dem Begriff „Mietspiegel“ hat uns zu dieser Zahl geführt. Was dort freilich nicht erwähnt ist: Dass die Deutsche Wohnen den Mietspiegel zusätzlich gezielt angreift, um die Mieten noch mehr steigern zu können. Dabei erlitt sie in Berlin vor einiger Zeit Schiffbruch, aber bekanntlich ist nichts für immer und das Kapital hat oft einen längeren Atem als die Politik.
Wir haben versucht, einen Beitrag, der sich vor allem mit Fakten befasst, sachlich zu halten aber das Fazit kann nicht ausbleiben: Dieser Wohnungskonzern ist hochgradig gefährlich für die Soziale Stadt Berlin, weil er kein anderes Ziel hat als die maximale Renditesteigerung.
Und dies ist genau das, was Michael Prütz von der Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ in der Trettachzeile geäußert hat: Man versucht, zu diesem Zweck die Mieter_innen so gut wie möglich auszuquetschen. Dass bestimmte oder auch viele Haushalte in Berlin keine bezahlbare Bleibe mehr finden werden, versteht sich unter dieser Prämisse von selbst. Das dürfen sie dann aber nicht persönlich nehmen, die Deutsche Wohnen tut ja nur ihre Pflicht im Sinne der Aktionäre.
© 2019 Der Wahlberliner, Thomas Hocke
SMH 315, Medienspiegel 304
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