
Wir haben vier Tage nach dem Vorfall „BBU setzt „Deutsche Wohnen & Co. enteignen mit Nazis in Verbindung“ eine erste angemessene Reaktion aus der Politik auf diese Strategie der Skandalisierung, wie eine mit uns befreundete Mieterinitaitive das Vorgehen des BBU bezeichnet hat.
Die Vorsitzende des Berliner Landesverbandes von DIE LINKE, Katina Schubert, hat in einem offenen Brief auf die Aussagen von Dr. Eberhart, dem BBU-Sprecher, reagiert.
Unter dem Post noch einige Sätze von uns.
Bezüglich der in ihr ausgedrückten Haltung ist diese Reaktion weitgehend kongruent mit dem, was wir im untenstehenden Ausgangsbeitrag geschrieben haben.
Es ist wichtig, dass die Politik sich diesem Freidrehen des BBU entgegenstellt. Aber das reicht uns jetzt nicht mehr aus, nachdem der BBU schon seit Monaten damit auffällt, dass er ausschließlich für die Privaten unter seinen Mitgliedern und z. B. gegen die Mitglieder von Genossenschaften lobbyiert.
Wir wissen, dass im BBU wegen der Verscherbelungspolitik des Berliner Senats in den 2000ern sowohl Unternehmen aus der privaten Wohnungswirtschaft wie die Deutsche Wohnen SE als auch landeseigene Wohnungsgesellschaften sowie Genossenschaften organisiert sind.
Es muss aber endlich aufhören, dass Unternehmen, die dem Gemeinwohl verpflichtet sind, mit dem Geld ihrer Mieter_innen oder Mitglieder den BBU ausstatten und damit seine rücksichtslosen, mieter_innenfeindlichen Einlassungen unterstützen.
Es ist ganz offensichtlich, dass der BBU es nicht hinbekommt, in seinen Stellungnahmen auf aktuelle Vorgänge am Wohnungsmarkt die weite Spreizung der Interessen seiner Mitglieder abzubilden. Der BBU entscheidet sich im Zweifel dafür, ausschließlich das Sprachrohr der profitgetriebenen Privaten zu sein und lässt dabei zudem jede Form von sachdienlicher Sprachwahl vermissen.
Wir stellen daher an die die drei in Berlin regierenden Parteien die Forderung, dass die landeseigenen Gesellschaften ihren eigenen Verband gründen und die Genossenschaften in diesen Verband ebenfalls eintreten dürfen und fügen diesen Tweet ein, der gestern am frühen Abend schon „BGemeinwohl“ kam, damit klargestellt ist, dass wir nicht die ersten sind, die in diese Richtung denken:
Die Gemeinwohlorientierung von Unternehmen muss sich künftig in der Politik der Verbände spiegeln, in denen sie organisiert sind. Hier haben wir auch eine Reaktion seitens des BBU-Sprechers gefunden:
Genau, es geht um Wortwahl und Stimmungen in dieser Diskussion.
Zum Beispiel um die Andeutung von Herrn Dr. Eberhart, die „DWenteignen“ würde, wie die Machthaber im Dritten Reich, eine Pogromstimmung erzeugen wollen, um die Bevölkerung erst auf Enteignungen und dann auf einen Genozid einzustimmen. Das ist absolut verantwortungslos und die hemmungslose Skandalisierung einer angesichts des Verhaltens der privaten Immobilienwirtschaft sehr berechtigten wirtschaftspolitischen Auseinandersetzung.
Auch dieser Antwort-Tweet vom BBU auf den Brief von Katina Schubert macht deutlich, dass man entweder nichts verstanden hat oder bewusst Öl ins Feuer gießt, um dann die schwerste aller in Deutschland erhältlichen Moralkeulen auspacken zu können und natürlich auch, um gewaltsame Gegenreaktionen wütender Menschen zu provozieren und dann umso besser das Anliegen der Mehrheit aller Berliner_innen diskreditieren zu können. Der Anfang ist bereits gemacht.
Wir werden uns zu dieser Methode am Wochenende im Zusammenhang mit einem Tagesspiegel-Beitrag ausführlicher äußern, der belegt, wie hier der Boden für eine Entsachlichung der Diskussion seitens einer Immobilienlobby bereitet werden soll, die sich in die ihr wahrlich nicht zukommende Opferrolle begeben will. Diese Absicht ist nicht nur peinlich, es wird auch nicht funktionieren.
Dafür muss die Politik und müssen alle den Mieter_innen wohlgesonnenen Mitglieder der Stadtgesellschaft sorgen, indem sie diese Manipulationen, mit denen nicht zuletzt die Opfer der Shoah verhöhnt werden, enttarnen und als solche benennen.
TH
Ausgangsbeitrag vom 25.03.2019:
Es ist ca. 23:45 Uhr. Wir sagten schon um 22 Uhr, heute nicht mehr. Und mussten dann doch noch auf die Deutsche Wohnen SE eingehen.
Und wir haben uns darauf gefreut, im Anschluss zu sehen, wie SPIEGEL TV auf RTL über unsere kämpfenden Freunde und viele andere Menschen zeigt, die endlich eine Stimme bekommen und eine Bühne, um über das zu berichten, was man mit ihnen machen will: Sie aus der Stadt verjagen mit einem Mietenwucher, der nichts anderes ist als der Versuch, gewachsene soziale Milieus in die Luft zu sprengen – sie mit einer einzigen Mieterhöhung um 200 Prozent auf immer zu zerstören.
Wir sahen aber zunächst ein Drama in drei Akten. 1.) wie mit umlagefähigen Modernisierungen 200 Prozent Mieterhöhung erzielt werden sollen, wie 2.) mit Verwertungskündigungen Häuser leergezogen werden sollen und 3.), falls andere Methoden nicht gehen, mit Beschädigung des eigenen Hauses mit anschließender energetischer Sanierung Menschen ihrer Existenz beraubt werden sollen.
Mehrere Fälle und Initiativen sind uns bekannt: Die Lehnbachstraße, die sich auf sehr kreative, künstlerische Weise wehrt, die DW enteignen, die uns mit jedem Bericht über sie mehr verständlich wird und mehr überzeugt, die Habersaathstraße, einer der unglaublichsten Fälle, die sich derzeit mitten im Berliner #Mietenwahnsinn zutragen. Über sie und ihre Mieter-Galler_innen haben wir sicher schon mehr als zwei Dutzend Beiträge verfasst.
Der eigentliche Knaller aber kam zum Schluss. Der hat uns vom Sofa gehauen, vielleicht, weil wir die zuvor gezeigten Tatbestände ja schon kannten (bis auf das Haus in der Emser Straße in Neukölln – wir meinen, da könnte doch mal ein Gutachter für die Mieter ran, wegen der Fassade. Unbedingt begutachten lassen! Und dann sollte Jochen Biedermann, der Baustadtrat, eingeschaltet werden. Wendet euch an ihn!)
Zum Knaller, mit dem wir nicht gerechnet haben. Mit dem kein Mensch rechnen konnte:
Ein Sprecher des Immobilienlobby-Verbandes BBU von Berlin-Brandenburg namens Dr. David Eberhart, also für den Lobbyverein vor der Kamera, welcher auch die Deutsche Wohnen SE vertritt, spaziert die Treppe runter und spricht in ebenjene Kamera: „Wir nehmen das sehr ernst, weil diese Stimmungen dann sehr schnell in politische Handlungen umschlagen können, wie man schon im Dritten Reich gesehen hat. Und wenn es jetzt darum geht, die Grundfesten des Grundgesetzes, die Eigentumsordnung, in Frage zu stellen, ist das schon ein sehr bedrohliches Zeichen.“
Wir haben uns sagen lassen, der Mann hat früher für Haus und Grund gearbeitet, eine von x weiteren Immobilienlobby-Organisationen, und deren Diktion ist nicht maximal demokratisch, wie wir bereits häufiger feststellen konnten. Aber das entschuldigt nichts. Gar nichts. Wieso auch?
Es entschuldigt nicht, dass jemand die von Vertreibung Bedrohten mit den Vertreibern und Mördern des Dritten Reichs auch nur ansatzweise in Verbindung bringt. Es entschuldigt nicht, es rechtfertigt, warum jetzt die lächerlichen DDR-Vergleiche nicht mehr ausreichen, sondern der Spieß komplett umgedreht wird:
Nicht diejenigen, die vertreiben, die andere bedrohen, sondern die Vertriebenen sind die Schuldigen. Nicht diejenigen, die Mieter_innen enteignen, indem sie ihnen jedes Jahr exorbitant höhere Mieten abpressen, sind die Täter, sondern diejenigen, die jedes Jahr ein Stück weit mehr enteignet werden, nämlich die Mieter_innen.
Was dahintersteckt, ist eine der perfidesten Aussagen, die wir bisher im Zusammenhang mit dem #Mietenwahnsinn vernommen haben: Wenn man will, kann man nämlich diese Aussage so entschlüsseln, dass die Mieter_innen und ihre kämpfenden Initiativen wie „DWenteignen“ angetreten sind, um Pogrome, um einen Holocaust, eine Shoah an armen, verzweifelten Immobilieneigentümern zu organisieren.
Denn wir erinnern uns: Im Dritten Reich wurde die Eigentumsordnung von den Nazis für bestimmte Bevölkerungsgruppen aufgehoben, um vor allem jüdischen Besitz enteignen zu können und die folgenden Schritte kennen wir alle. Entschädigungslos enteignen übrigens, auch dieser Unterschied wird natürlich vom BBU-Sprecher nicht einmal erwähnt.
Auch nur die leiseste Andeutung einer Möglichkeit in dieser Richtung seitens der Immobilienlobby gegenüber denen, die Notwehr versuchen auszuüben, um nichts weiter als ihre eigene Existenz zu retten, muss im Grunde rechtliche Konsequenzen haben.
Und was sagen eigentlich die landeseigenen Wohnungsgesellschaften und die Genossenschaften zu solchen unfassbaren Andeutungen? Spricht der Sprecher der BBU, in dem sie ja ebenfalls organisiert sind, für sie? Für diejenigen, die dem Gemeinwohl verpflichtet sind, das auch die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ als Ansatz für ihre Überlegungen nimmt? Fühlen sich wirklich alle BBU-Mitglieder mit solchen Einlassungen repräsentiert?
Schauen Sie sich den SPIEGEL-TV-Beitrag unter dem obigen Link noch einmal an.
Lassen Sie ihn dann auf sich wirken. Vergleichen Sie. Wen und was sehen Sie? Was fühlen Sie? Warten Sie eine Minute. Lesen Sie dann weiter.
So. Sind Sie klar über Ihre Emotionen? Spüren Sie, was wir gespürt haben? Haben Sie die die Mieter_innen, die um ihr Dasein in Berlin kämpfen und rüdesten Attacken der Immobilienwirtschaft ausgesetzt sind, deren tapfere, aber besonnene Art als faschistisch empfunden? Sind in kleinen Berliner Altbauwohnungen in Friedrichshain oder in Plattenbauten in Mitte Menschen, die rechtsstaatskonforme Plakate malen, unterwegs, um eine Diktatur, eine totalitäre Herrschaft des Schreckens zu errichten?
Haben Sie den gleichen Eindruck wie wir, von welchen Beteiligten am Mietenwahnsinn eher eine Gefahr für die Demokratie, die freiheitlich-demokratische Ordnung des Grundgesetzes, für den sozialen Ausgleich, für die Existenz sehr vieler Menschen ausgeht, auch für die Sozialbindung des Eigentums nach Art. 14 II GG, die natürlich im Statement des BBU-Sprechers ebenfalls keinerlei Berücksichtigung findet.
Und ist es wirklich der Herr mit der hellen Mütze von „DWenteignen“, der in diesem Beitrag noch glaubhaft versichert hat, er würde auch lieber vor dem Fernseher sitzen als noch einmal in den Kampf zu ziehen, der Deutschland erneut in einen Unrechtsstaat verwandeln will? Dem man möglicherweise zutrauen würde, dass er jedwede demokratische Ordnung leichten Herzens und mit großer Wucht schon morgen beiseite schieben würde, um die Interessen des Großkapitals durchzusetzen? Ist dies ein rechtsradikaler Umstürzler?
Wer hingegen zeigt keinerlei Mitleid, kein Herz für die Nöte der Mieter_innen, sondern eine wirklich beeindruckende Kaltschnäuzigkeit, indem er zu ihren Lasten den schärfsten Vergleich zieht, den man in Deutschland ziehen kann?
Vielleicht machen Sie andere Zuschreibungen als wir. Das ist Ihr Recht.
Eines ist allerdings Fakt. Die soziale Ordnung und damit die Demokratie wird nicht erst seit heute, aber durch den Mietenwahnsinn jetzt auf eine sehr gut sichtbare Weise und in hohem Tempo ebenso absichtlich beschädigt wie die Fassade des als Fall 3 gezeigten Hauses in Neukölln.
Die FDGO, die freiheitlich-demokratische Grundordnung, wird beschädigt dadurch, dass Mieter_innen entrechtet und enteignet werden und sich durch die Demokratie nicht mehr geschützt fühlen. Trotzdem würde kaum eine_r von ihnen sich dazu hinreißen lassen, die Hand zu erheben gegen seine Peiniger. Weil diese Miete zahlenden Menschen friedliche Mitbürger_innen und Demokrat_innen sind.
Sie sind Demokrat_innen ohne Machtansprüche oder Machtfantasien, die bisher einach ihr Leben lebten. Lediglich wohnt in ihnen noch der Sinn für Gerechtigkeit. Lange waren sie still und jetzt, da man sie aus der Stadt treiben möchte, wehren sie sich mit rechtlich zulässigen Mitteln.
Mietenwucher-Betrug, wie zum Beispiel die absichtliche Umgehung der Mietpreisbremse durch Vermieter, wird hingegen von unserem doch so schützenswerten Normensystem nicht einmal sanktioniert, wenn er auffliegt. Ist das gerecht? Ist das demokratisch? Ist das ein Ausdruck von Rechtsstaatlichkeit? Wird so Vertrauen in die Politik und das Recht geschaffen?
Und noch etwas juristische Nachhilfe für Anfänger-Immobilienlobbyisten: Die Eigentumsordnung gehört nicht zu den „Grundfesten“ des Grundgesetzes. Die „Ewigkeitsgarantie“ umfasst nur die Staatsprinzipien Rechtsstaatlichkeit, Sozialstaat, Demokratie, Föderalismus sowie den Artikel 1 (Menschenwürde). Ach ja – was ist eigentlich im Mietenwahnsinn mit der Menschenwürde der Mieter_innen?
Der Kampf beginnt erst. Alle ab 6. April für „Deutsche Wohnen enteignen“ unterschreiben!
Und unsere Solidarität mit allen, die im Film von SPIEGEL TV gezeigt wurden bis auf eine Person. Diejenige, die zuletzt zu Wort kam.
TH
Medienspiegel 309, SMH 318
Entdecke mehr von DER WAHLBERLINER
Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.

