Babylon Berlin – Die Serie, Folge 7 / Crimetime 300/7 // #Babylon #Berlin #BabylonBerlin #Crimetime #ARD #Sky

Crimetime 300/7 - Titelfoto und weitere Bilder: ARD Degeto / X-Filme / Beta Film / Sky Deutschland / Frédéric Batier

Kurzfassung

Der Güterzug aus Russland wird auf Anweisung von Regierungsrat Benda konfisziert, der Rath zugleich in einen schwerwiegenden Verdacht einweiht. Währenddessen findet Charlotte gefälschte Frachtpapiere für den eingeschmuggelten Waggon. Rath erzählt Generalmajor Seegers von den letzten Minuten mit seinem Bruder auf dem Schlachtfeld.(ARD-Text)

Hier geht’s zurück zu Folge 6 (Crimetime 200/6).

Vorwort zu Crimetime 300/7 bis 300/12

Wir haben uns nun entschlossen, die 16 Babylon-Folgen der Staffeln 1 und 2 in die Rezensionen 200/1 bis 200/6 und 300/7 bis 300/12 zu splitten. Die Folgen 13 bis 16 werden als 400/13 bis 400/16 erscheinen und wenn alles glatt geht, haben wir als Crimetime 500 ein Highlight in der Geschichte des neuen Wahlberliners zu vermelden.

Titelfoto: Kommissar Rath – im Dunkel der Nacht und die dunkle Seite?

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Dienstmädchen ist Lernsache – aber wird Greta Gelegenheit haben, den Job längerfristig auszuüben?

Folge 7 beginnt bei der Familie Benda. Greta, die jetzt dort angestellt ist, bügelt die Tageszeitung, damit der Hausherr sie faltenfrei lesen kann. Die Zeitung war nämlich draußen ein wenig nass geworden. Man merkt, dass sie gar keine Erfahrung als Dienstmädchen hat und da wird sie von der peniblen Hausfrau Benda, gespielt von Jeanette Hain, etwas getriezt.

Der Psychiater, den wir schon mehrfach gesehen haben, spricht jetzt über die sogenannten Flattermänner oder Kriegszitterer, welche er im Institut für suggestive Psychotherapie in den Jahren 1922 bis 1929 eingesammelt hat.

Was wir herausarbeiten konnten: Viele jener Soldaten, die traumatisiert waren, wurden damals offensichtlich als Simulanten eingestuft. Der uns bereits bekannte nunmehr Informant Krajewski wird als filmisches Beispiel für die Wirksamkeit der im Institut verwendeten Methode gezeigt.

Dabei geht es offenbar um den sogenannten Rorschach-Test, ein Verfahren in der Gruppe der sogenannten projektiven Tests:

Projektive Tests (auch Persönlichkeits-Entfaltungsverfahren oder Deutungstests) sind eine Gruppe psychologischer Untersuchungsmethoden, die meist anhand von auslegungsfähigem Bildmaterial (z. B. standardisierten Tintenklecksen beim Rorschachtest mit der Frage: „Was könnte das sein?“) Projektionen des Probanden abrufen, die dann Rückschlüsse über seine Persönlichkeit erlauben sollen. Dahinter steht der Gedanke, dass diese Projektionen von Einstellungen, Motiven und innersten Wünschen des Probanden beeinflusst sind, und daher eine diagnostische Aussage zulassen. Diese Form der Interpretation nennt man Deutung. (Wikipedia mit weiteren Informationen)

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Im Hörsaal am Institut für suggestive Psychologie. Genie oder Scharlatanerie? Verdrängung und Therapie.

Auch Hypnose kommt zur Anwendung, aber die Kollegen im Hörsaal sind nicht amüsiert und befinden, dies alles sei Schnickschnack. Die Ablehnung fällt teils heftig und emotional aus und wir dürfen darüber nachdenken, warum man damals nicht analytisch in die Tiefe gehen, sich nicht auseinandersetzen wollte und was dies für die kommenden Jahre für eine Bedeutung hatte. „Babylon Berlin“ ist ja voll mit Hinweisen darauf, aber auch dies ist ein Aspekt: Der vielfach unbewältigte Erste Weltkrieg als mentaler Ausnahmezustand, als Unruhezustand, der zur Entstehung des 3. Reiches beigetragen hat.

Wir erinnern uns auch: Der Professor beschreibt hier, was er ganz zu Anfang, in der Einleitung der Folge eins, auch  mit Kommissar Rath gemacht hat. Aber wann? Das verraten wir: Selbstverständlich ist dies nicht chronologisch sondern ein Vorgriff, der sich am Ende der zweiten Staffel erklären wird.

Die Vorlesung endet also in einem ziemlichen Aufruhr, Pseudowissenschaft!, wird gerufen.

Rath geht zu seinem Dealer, also dem Apotheker aus seiner Heimatstadt Köln, der sich in Berlin angesiedelt hat, aber als Wahlberliner distanziert bleibt und über die Stadt lästert, was wir uns zum Beispiel nie erlauben würden. Dass es die Ampullen für Rath nicht auf Rezept gibt, zeigt sich hier deutlich, denn Rath, der ja bei der Sitte arbeitet, tauscht freizügige Bildchen gegen die Droge, die ihn ruhig genug macht, um seinen Job ausüben zu können, denn ein Kriegszitterer, das ist er ja auch.

Nachdem Rath weg ist, kommt aber der ominöse Priester herein, den wir z. B. schon bei dem Herrn König in der Zelle gesehen haben und nun geht es um ein Barbitursäurederivat (Barbiturat):

„Barbitursäure ist selbst nicht sedativ-hypnotisch wirksam. Erst Derivate mit geeigneten Substituenten besitzen eine hypnotische Wirkung (siehe Barbiturate). Als erstes derartiges Barbiturat wurde 1903 Diethylbarbitursäure (Barbital) von Emil Fischer und Joseph von Mering beschrieben.“  (Wikipedia)

Derlei soll Rath künftig verabreicht bekommen und wir werden noch sehen, dass von der oral einzuführenden Flüssigsubstanz auf Spritzen umgestiegen wird.

In der nächsten Szene sehen wir, wie Charlotte Ritter sich einen Presseausweis fälscht, weil sie in der Roten Burg, dem Polizeipräsidium, nicht recht weiterkam. In ebenjener Brug schein Krajewski eingesperrt zu sein, wirkt alles andere als austherapiert, verrät aber noch nichts. Da haben Rath und Wolter noch etwas Arbeit vor sich oder müssen abwarten.

Nun kommt es zur ersten Untersuchung des russischen Güterzuges im Anhalter Güterbahnhof. Auch Charlotte hat sich ein gefunden, fragt ein bisschen herum und ist just zugange in dem Moment, als die Russen und die Leute von der Nüssen AG die Waggons checken. Schnitt in die Wohnung der Sorokina.

Ausnahmsweise sehen wir  hier nicht Kardakow, sondern Herrn Nüssen, der telefoniert wegen des  Zuges und meint, die Russen sollen sich nehmen, was sie da zu finden erhoffen, denn ihm geht es ja um – ja, haben wir das schon verraten? Egal, wir werden sowieso bald wissen, was in den Wagen hauptsächlich und illegal transportiert wird.

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Zentrale Szene dieser Folge: Regierungsrat Benda trifft am Bahnhof ein und will den Zug aus der Sowjetunion untersuchen.

Die Lage am Bahnhof spitzt sich zu, denn auch Regierungsrat Benda trifft mit vielen Polizisten vor Ort ein. Charlotte ist hochgradig interessiert am Geschehen. Sie berichtet Rath über eine Spur, die sie gefunden zu haben glaubt. Der Tod des Lokführers kommt zur Sprache. Raht instruiert nun Benda über die Kampfstoffe in den Wagen und den gesamten Waffenschmuggel aus der Sowjetunion und erzählt ihm von den irregulären Kampfverbänden der Schwarzen Reichswehr. Man will sich nun die Marionette Nüssen ein wenig ansehen, denn es ist evident, dass die Geheime Armee die Demokratie zerschlagen will. Unbewältiger  Weltkrieg, siehe oben.

Rath macht wieder einen kurzen Besuch bei Krajewski in der Zelle, aber es hat sich nichts geändert. Diser Mann kann so desolat sein, wie er will, die Angst vor dem Gesang, wie die Whistleblower ihn singen und dertödliche Folgen haben könnte, ist stärker und Rath zittert weiterhin hartnäckig vor sich hin. 

Es kommt dazu, dass Rath von Wolter für den Abend eingeladen wird, weil er ihm jemanden vorstellen will. Das muss Rath interessieren und er kommt in ein Dilemma, weil er sich um 6:30 im Aschinger mit Charlotte treffen wollte, um neueste Erkenntnisse zu besprechen. Das haben wir irgendwo oben, im Kesseltreiben bei den Kesselwagen, vergessen zu erwähnen, aber dadurch entsteht der Zwiespalt des für den Leser auch etwas überraschender. Zuhause angekommen, hält die Welt auch für Rath eine weitere Überraschung bereit. Die Witwe Behnke nämlich ist ausgehfertig und es stellt sich heraus, dass Wolter sie auch gerne dabeihaben möchte. Also muss Rath nun Charlotte sitzen lassen im Aschinger.

Die wird aber sogleich aus der Einsamkeit gerettet und sogar entschädigt, denn Assistent Stefan kommt zufällig vorbei und man beschließt, einen Abstecher ins schöne Köpenick zu machen, denn dort, Straße haben wir gerade vergessen, kennen wir aber aus der Realität, liegt eine gewisse Druckerei.

Da wir gerade szenengenau berichten wollen, müssen wir die beiden wieder verlassen und der Wechsel kann natürlich nur in die Wohnung von Kommissar Wolter erfolgen, denn dort treffen sich die Verschwörer und ein neuer Gewehrtyp mit dem Namen Ziel 3 wird vorgestellt. Vielleicht ist es der Prototyp des späteren, langjährigen Bundeswehr-Standardgeräts G 3. Das neue Modell hat sogar ein Infrarot-Nachtsichtgerät. Eine leichtgewichtige Applikation für eine Langwaffe, ein großer technologischer Schritt für die Art von Einsatzkräften, die man heute Sniper nennt.

Das reicht erstmal, wir wenden uns wieder Charlotte und Stefan zu, wie sie die Köpenicker Kellerdruckerei erreicht haben und einsteigen. Natürlich ist niemand mehr anzutreffen, wir wissen ja, dass diese Werkstatt der Trotzkisten vom NKWD, aus dem offenbar die sowjetische Botschaft hauptsächlich besteht, ausgehoben wurde, womit Kardakows beispiellos versierte Odysee begann. Aber man muss als Stefan und Charlotte auch mal ein Lucky Luke sein, denn da hängt noch irgendwo in den Walzen ein Papier – und es ist ein Vordruck für Frachtbriefe. Nice find! Leider geht aus den Aufzeichnungen nicht genau hervor, wie es jetzt zu einer ausgefüllten Version kommt, die zeigt, dass der bewusste Zug, um den sich in „Babylon Berlin“ ein ganzer Handlungsstrang dreht, nach Istanbul gehen sollte. Natürlich müssen die Finder glauben, dass das Giftgas dorthin gelangen sollte, denn von der anderen Fracht wissen Sie ja noch nichts. Schluss mit dieser Fehlinterpretation und zurück in Wolters trautes Heim.

Dort, im oberen Geschoss, wird Eisenbahn gespielt, im Grunde sind wir noch im Thema. Aber es geht um eine Schlacht des Ersten Weltkriegs, die nachgestellt wird. Es ist sicher ein Schlacht, in der die Deutschen entweder nicht schlecht aussehen oder die revanchistischen Herrschaften, die auch ihre Kinder schon in die Ertüchtigung für die nächste expansive Phase einbinden, überlegen, was man beim nächsten Mal besser machen könnte. Es ist aber Ersteres: Das deutsche Heer war im Felde unbesiegt, das wird noch einmal herausgearbeitet. Und wer hat uns verraten? Sozialdemokraten! Komisch, dass das von den Sozialdemokraten wirklich alle anderen sagen können. Das sollte uns auch von links betrachtet sehr zu denken geben. Deswegen nehmt bitte den Kühni nicht so ernst, dann seid ihr auch nicht enttäuscht, könnt euch nicht verraten fühlen.

Ja, es war eine Schlacht, die der offenbar in jenem erwähnten Felde schon umtriebige Generalmajor Seegers gewonnen hat, die hier im Maßstab H0 oder etwas größer noch einmal auflebt. Einer der Jungen singt: Ich hatt‘ einen Kameraden. Sehr rührend, wir hatten das in der Klinik schon einmal gehört und uns wär’s lieber gewesen, man hätte diesen spekulative wie auch traurigen Moment weggelassen, weil da auch das Satirische verfliegt und der Tragödie weicht, deren Spuren sich im kollektiven Bewusstsein erhalten haben. Auch Kommissar Rath kennt das Lied nur zu gut und singt mit.

Es kommt zur zu erwartenden Rückblende: Schlachtfeld, man sieht erstmals einen Trakehner-Hengst. Wie er neben einem Mann steht, der dort liegt. Rath hat den befohlenen Rückzug irgendwie verpasst. Aber wieso? Der Mann: Der Bruder! Hilft Gereon ihm denn nicht? Ist der Bruder tot?

Regierungsrat Benda und Polizeichef Zörgiebel besprechen, wie man gegen die Schwarze Reichswehr und den Nüssen vorgehen könnte. Ein Sozialdemokrat und ein Jude stellen sich also gegen diese Menschen, welche das System revidieren wollen, wobei sie wohl nicht an einen NS-Staat denken. Bis auf den Major, der in der NSDAP zu sein scheint. Aber wir wissen auch, dass Zörgiebel hat auf die Kommunisten schießen lassen. Im Gegensatz zu typisch deutscher Fernseh-Geschichtsklitterung: Babylon Berlin ist nicht frei von Fragwürdigkeiten und natürlich wird spielfilmhaft verdichtet, spekuliert, einiges ist schlicht falsch wiedergegeben: Aber man macht es sich nicht so einfach und viele Figuren haben eine Licht- und eine Schattenseite.

Da dies Treffen im Haus von Benda stattfindet, konnte Great ein wenig lauschen und ihr Chef schärft ihr ein, dass alles, was sie hier höre, der Geheimhaltung unterliege. Da haben wir schon ein Beispiel für mangelnden Realismus, denn niemals werden solche Gespräche einer Person zugänglich gemacht, deren  Zuverlässigkeit nicht genau überprüft ist. Bestenfalls kann man Benda zugutehalten, dass Greta ganz harmlos wirkt, noch neu in Berlin ist und er nichts von ihren Verbindungen zu evtl. Kommunisten weiß und ihr derlei auch nicht zutraut. Film ab!

Immer noch dauert die Revival-Party bei Wolter an und dieser stellt Rath dem Seegers vor, weil, sie sich herausstellt, jener den Bruder gekannt, welcher ein toller Hecht gewesen sein muss. Schmerz lass nach, Trauma weiche. Der falsche Sohn kehrte heim, der falsche Sohn! Zu spät, die Rückblende, die abermalige, ist unausweichlich. Warum, Gereon, hilfst du nicht dem Bruder, wo der doch so ein cooler Typ ist? Magst dich nicht mehr in seinem Glanz sonnen? Oder in seinem Schatten stehen?

Rath wird vom Kompaniechef nochmal zum Rückzug aufgefordert, rührt sich aber nicht, die anderen wissen nicht, da vorne, wo Artilleriefeuer dröhnt, liegt noch einer im Stacheldraht und lebt vielleicht. Nein, nicht vielleicht! Der Bruder ruft! Gereon! Dieser eilt hin. Ja, das tut er, schleppt ihn weg, schleppt ihn nach hinten, wo sie die Front nun neu aufbauen, sich vielleicht neu eingraben, die Kräfte sammeln, die müden Knochen versuchen aufzurichten. Doch die beiden schaffen es nicht. Sie werden von einrückenden Franzosen auseinandergerisssen, Gereon gerät in Gefangenschaft. Aus. Erst einmal. Aber auch Schluss mit Kampf, Angst, Zittern.

Benda sitzt beim feinsinnigen Klavierspiel, die Frau liest in der Zeitung, Nüssen wird aus einer Herrenrunde heraus festgenommen, auf Veranlassung von Benda natürlich, Greta lässt sich glücklich aufs saubere Bettchen in ihrem netten Dienstmädchenzimmerchen fallen. Das Klavier hört man immer noch, während der Apotheker die Ampullen mit Gift füllt, das der Scheinpriester ihm hinstellte, damit es Rath verabreicht werden kann, auch noch, während Krajewski in seiner Zelle Stimmen hört und Schatten an der Wand sieht, wie sie kriechen und drohen.

Dieses Unterlegen mehrerer Szenen zum Schluss hin durch eine Musik, das Klammern es Bedrohlichen und Abscheulichen durch eine wehmütige Weise, das kennen wir noch aus der Folge, wo unter anderem die Sorokina aus dem Fenster im vergitterten Zimmer im Bahnhäuschen guckt. Aber dann doch der Abspann mit „Zu Asche, zu Staub“. Dass das auch klar ist.

© 2019 Der Wahlberliner, Thomas Hocke 

Rolle Darsteller
Gereon Rath Volker Bruch
Charlotte Ritter Liv Lisa Fries
Wolter Peter Kurth
August Benda Matthias Brandt
Greta Leonie Benesch
S. Sorokina / Nikoros Severija Janusauskaite
Kardakow Ivan Shvedoff
Alfred Nyssen Lars Eidinger
Jänicke Anton von Lucke
Krajewski Henning Peker
Armenier Misel Maticevic
Elisabeth Behnke Fritzi Haberlandt
Katelbach Karl Markovics
General Major Seegers Ernst Stötzner
Dr. Schmidt „Anno“ Jens Harzer
Dr. Völcker Jördis Triebel
Gräf Christian Friedel
Zörgiebel Thomas Thieme
Trochin Denis Burgazliev
Musik: Johnny Klimek
Tom Tykwer
Kamera: Frank Griebe
Bernd Fischer
Philipp Haberlandt
Buch: Tom Tykwer
Hendrik Handloegten
Achim von Borries
Regie: Tom Tykwer
Achim von Borries
Hendrik Handloegten

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