Babylon Berlin – Die Serie, Folge 10 / Crimetime 300/10 // #Babylon #Berlin #BabylonBerlin #Crimetime #ARD #Sky

Crimetime 300/10 - Titelfoto und weitere Bilder: ARD Degeto / X-Filme / Beta Film / Sky Deutschland / Frédéric Batier

Kurzfassung

Im „Moka Efti“ findet ein geheimes Treffen zwischen Günther Wendt, dem Referenten des Reichspräsidenten, Zörgiebel, und Trochin statt. Charlotte hat die Gelegenheit, der Runde zu lauschen. Auch Jänicke kommt durch seine besondere Fähigkeit an brisante Informationen und macht sich dadurch keine Freunde. (ARD-Text)

Hier geht’s zurück zu Folge 9 (Crimetime 300/9).

Titelbild: Logo Babylon Berlin 2. Staffel – die Folgen 9 bis 16.

Mir ist so nach dir
Mir war schon gestern so nach dir
Und mir wird immer nach dir sein –
Am liebsten wäre ich allein
Mit dir!
Und wenn du drüber lachst
Und was du auch dagegen machst –
Mir ist heute so im Inner’n hier
Nach dir!

2019-07-28 Babylon Berlin Folge 10 008 Rath und Helga vereint
Mir ist so nach dir, mir war schon gestern so nach dir – hier handelt es sich aber um die Tanzszene in der Bar später in der Folge handelt – nach einem anderen Song, nicht um die in der Wohnung nach dem Lied, von der wir kein Bild gefunden haben.

Die Folge steigt ein mit einer der ausgelassensten Szenen von ganz Babylon Berlin – Gereon tanz mit Helga nach der Melodie von diesem Lied. Es wurde von Mascha Spoliansky erst kurz vor seinem Gang ins Exil für die Burleske „Alles Schwindel“ im Jahr 1931 komponiert, kann also, im Gegensatz zu „Mackie Messer“, das in Folge 9 erklang, eigentlich hier nicht zum Einsatz kommen.

Vielleicht war der Hintergedanke, dass in Babylon Berlin vieles Schwindel und Täuschung ist und vielleicht schwindelt sich auch der Kommissar etwas vor und ist in Wahrheit längst in Charlotte Ritter verliebt.

Wir haben eine zeitgenössische Aufnahme des Liedes mit Paul Godwin und seinem Orchester verlinkt, Max Raabe, vor dem kein einigermaßen bekannter Song der 1920er bis 1940er sicher ist, hat es natürlich gecovert.

So wunderbar schräg und von einer Travestiekünstlerin gesungen „Zu Asche, zu Staub“ auch ist und wie gut es zur Atmosphäre der Serie passen mag, einer der größten Mängel von „Babylon Berlin“ ist, dass nicht mehr zeitgenössische Musik gespielt wird. Ein bisschen schwierig mag das deshalb sein, weil viele berühmte Schlager erst während der 1930er entstanden und die entsprechende Musik der 1920er heute doch eher etwas für Spezialisten ist – und manchmal ganz schön übergriffige Texte hatte. Trotzdem hätte man zum Beispiel bei den Comedian Harmonists einige schöne Sachen finden können und diese sind durch das Biopic aus den 1990ern den meisten Menschen wieder ein Begriff.

Aber der Tanz in der Wohnung wird bald gestört, denn Moritz, Helgas Sohn, betritt das Set. Beim gemeinsamen Sitzen am Tisch erklärt sie ihm, sein Vater sei tot, dass er nie mehr zurückkehren wird. Moritz ist sauer und behauptet, sowohl seine Mutter als auch Gereon lügen. Entweder geht auch er davon aus, dass er gar nicht von Arno stammt, sondern von Gereon, oder er will nicht wahrhaben, dass Arno tot sein soll. Ersteres betreffend, könnte der Junge von den heimlichen Treffen seiner Mutter mit Gereon in Köln etwas mitbekommen haben, aber Letzteres beweist viel Intuition, wie wir noch sehen werden. 

Er sagt sogar, dass Gereon die beiden doch gar nicht bei sich haben will. Kindern macht man  nicht so schnell was vor, selbst wenn sie schon Jugendliche sind und ohne Vater aufwuchsen. 

Charlotte hat es derweil fast geschafft. Im Austausch für ihre Dienste übergibt Bruno Wolter ihr ein sauberes Führungszeugnis, mit dem sie bei der Weiblichen Kripo anfangen kann. Er wundert sich, dass sie trotzdem weiter die Mieze miauen lassen will – aber sie braucht doch wenigstens noch das Geld, um ihrer Mutter eine anständige Bestattung zukommen zu lassen. 

2019-07-28 Babylon Berlin Folge 10 005 Wendt, der Stratege der künftigen kalten Macht
Major Wendt, der eiskalte Stratege der kommenden Macht.

Aber Charlotte kann ziemlich alles außer die Klappe halten und ist auch ein Stockwerk höher tätig. Sie tauscht schnell mit einer anderen Kellnerin, um an eine Sitzgruppe ranzukommen, die zu einem modern klingenden, aber melancholischen Lied irgendwas ausbaldowert. Das sitzen der Chef der russischen Mission und der Polizechef Zörrgiebel zusammen und auch dieser Oberst Wendt, der Manager der neuen, stahlharten Zeit, ist dabei, für dessen Darstellung sich Benno Fürmann einen Schmiss zugelegt hat. Als Major Wendt droht er dem Berliner Polizeichef, gegenüber dem er im Moment überhaupt noch keine Position hat, mit Karriereende, wenn der sich nicht von den Revisionisten einspannen lässt.

Den Russen hat Charlotte ja am Bahnhof schon einmal gesehen und wo er ist, muss interessant sein. Sie hört zu, wie der Mann erklärt, es entstünden Spannungen zwischen der Sowjetunion und dem Deutschen Reich, weil dieser Zug im Anhalter Güterbahnhof festgehalten wird. Das kommt davon, wenn eine Ladung vergiftet ist und der Russe möchte, dass das Giftgas wieder aus Deutschland heraustransportiert wird, damit seine eigene Regierung nicht durch einen Aufdeckungsskandal kompromittiert wird – der vielleicht auch zur Folge hätte, dass mehr über die geheimen Reichswehrcamps in der SU bekannt würde. Man merkt wieder, der Versailler Vertrag, dem dieses Hochzüchten einer neuen Wehrmacht zuwiderläuft, wurde eben nicht zwischen Russland und Deutschland geschlossen. Selbst Reichspräsident Hindenburg scheint in die Sache eingeweiht zu sein und auch der Außenminister Gustav Stresemann, wie sich etwas später enthüllen wird. Im Grunde ist das logisch, denn eine solchermaßen großangelegte Sache hinter dem Rücken der politischen Führung?

Warum auch, wenn diese ohnehin, wenn auch in unterschiedlichem Maß, revisionistisch orientiert ist. Was Hindenburg angeht, werden wir aber noch feststellen, dass er offiziell keine Ahnung hat, wie sich das für einen honorigen Helden des Weltkriegs gehört. „Machen Sie das, geht klar – aber falls was rauskommt, Sie wissen, dieses Gespräch hat nie stattgefunden.“ So kennen wir es aus vielen Filmen uns sicher sind auch reale Vorgänge zu vermerken, die nach diesem Muster verlaufen, wenn die Politik im Spiel ist. Als der Journalismus noch investigativ war, kam es manchmal doch ans Tageslicht.

Aber dass diese Herren, die im Moka Efti miteinander plauschen, eine Bedienung einfach mithören lassen? Da sieht man wieder, wie sich das damalige Frauenbild negativ auf die Undurchlässigkeit konspirativer Zirkel ausgewirkt hat.  Der russische Gesandte peilt irgendetwas, er hat ja ein fotografisches Gedächtnis  und müsste Charlotte am Bahnhof demnach bemerkt haben. Aber er kommt doch nicht drauf, wo er das freche Mädchengesicht hinstecken soll. Also fragt er sie und sie antwortet, er habe ihr Gesicht vielleicht auf einem Foto gesehen. Nun ja, es gibt in Babylon Berlin plausiblere Momente. 

Im Polizeipräsidium. Rath sagt guten Morgen, ihm wird mit guten Tag geantwortet. Das mussten wir in Berlin ja auch erst lernen, dass der Morgen irgendwann im Unbestimmten endet und nicht um 12 Uhr mittags. Charlotte ist hingegen übermüdet, schläft am Schreibtisch, geht ins Restaurant, fällt vor Erschöpfung um, nachdem sie Rath von ihren Beobachtungen berichtet hat. Bezüglich des Zuges gibt es viele Unstimmigkeiten – Wendt will ihn nach Russland zurückschicken, Nyssen sein Geschäft nicht verlieren und ihn in Berlin behalten. Um Wendt zu überzeugen, erzählt er ihm von dem Goldwagen, mithin verrät auch er – das Geheimnis der Sorokina und von Kardakow. Dieser Nyssen trägt ja mal Schlaghosen. Die gab es 1929 sicher nicht. Ob es Lars Eidingers Idee war, den Typ, den er spielt, auch optisch so zu verschieben, mit dieser Frisur, den Hosen und dem Brandmal im Gesicht? In diesem Ensemble muss man sich schon was einfallen lassen, um herauszustechen.

Wir wechseln das Milieu und sind bei Charlotte zuhause, wo bereits die wenigen Habseligkeiten der verstorbenen Mutter gefleddert werden. Es kommt zu einer Schlägerei, die endet für Charlotte wieder mit einem Femi-Punkt, aber auch mit Nasenbluten. Hoffentlich bringen sie die arme Frau bald würdig unter die Erde, dann gibt es einen Grund weniger, sich mit dem heimischen Desaster von Charlotte zu befassen, auch wenn dieses sicher mit erklärt, warum sie so rücksichtslos nach oben will, sich dafür prostituiert und vertrauliche Informationen weitergibt. Das Milieu!

2019-07-28 Babylon Berlin Folge 10 006 Weint um die Toten des Blutmai
Die Toten des Blutmai werden zu Grabe getragen.

Nun sehen wir ihre Freundin Gerda, wie sie Kolonialwaren aus den gewesenen Kolonien oder auch nicht für ihren Chef August Benda einkauft und da kommt gerade ein Trauermarsch vorbei. Ganz vorne im Zug die rote Ärztin Dr. Völcker, die Anklage gegen den Staatsapparat führt.  

2019-07-28 Babylon Berlin Folge 10 007 Fritz folgt dem Trauerzeug
Weiter hinten im Zug geht Fritz, nachdenklich wirkt er. Aber was geht in seinem Kopf vor?

Auch Fritz ist dabei, weniger exponiert. Gegenüber Gerda stellt er die Behauptung auf, der Mann, für den sie gerade Geschlachtetes ersteht, habe das Massaker vom 1. Mai veranlasst. Ob sie das glaubt und ob es Konsequenzen haben wird?

Die Polizei war nicht untätig, man hat ermittelt, dass die Waffen, mit denen die Trotzkisten hingerichtet wurden, die man in  Folge 9 im Wald fand, in der russischen Botschaft registriert sind. Das ist nicht sehr überraschend, aber kann man jemanden festnehmen? Was ist mit dem diplomatischen Status? In diesem Umfeld kommt es zu einer recht ekeligen Szene, die an die Hinterhofschlachtung erinnert, deren Gereon Rath angesichtig wurde, als er bei einer Prostituierten nach dem ominösen Schmuddelfilm fahndete: Mitglieder der russischen Botschaft sind Freunde tödlicher Hundekämpfe und man sieht wieder einige unschöne Details. Eigentlich wird die folgende Razzia nur veranstaltet, damit man dieses blutige Werk ablichten konnte. Auf diese Weise bekommt Rath doch die beiden Russen in Gewahrsam, von denen wir wissen, dass sie die Drahtzieher sind. Da hilft ihnen jetzt ihr Sonderstatus erstmal nicht, er lässt sie wegen Verdacht der Begehung eines 15fachen Mordes festnehmen. Kardakow ist aber doch immer noch nicht gefunden, der wäre dann wohl Nr. 15.

Charlotte hat von ihrem oben erwähnten Milieu die kecke Nase voll, erscheint bei Stefan und fragt ihn, ob sie bei ihm pennen kann, fertig, wie sie ist. Sie bekommt sein Bett und er schläft auf dem Sofa und Stefans gehörlose Eltern mögen die junge Frau sofort. Wem ein Sinn fehlt, der sieht mit dem Herzen besser, auch wenn es der Gehörsinn ist, der nicht funktioniert. 48 Stunden war Charlotte unterwegs und hat so viel Input bekommen. Das zehrt selbst an einer so energetischen jungen Frau.

Gereon trifft hingegen auf den Armenier und der sagt ihm, der Kommissar solle sich bis morgen ein Radio besorgen und übergibt ihm einen kleinen, mit Maschine beschrifteten Zettel.

2019-07-28 Babylon Berlin Folge 10 002 Jänicke beim Lippen lesen
Eine spezielle Form der Auskundschaftung: Lest die Lippenbewegungen der Observierten, das fördert manche Erkenntnis zutage!

Wir bleiben bei der Polizei und bei der Informationsaufnahme und sehen den sympathischen Stefan, wie er beoachtet. Nyssen und die Gräfin sitzen zusammen und die Gräfin gibt Nyssen die Nummer des richtigen Waggons, denn sie kann nichts mehr tun und Nyssen, mit dem sie neben der Beziehung mit Kardakow eine Zweitliaison unterhält, verspricht ihr, das Gold an sie zu übergeben. Da ist Stefan anders drauf, der kann sich Zahlenfolgen merken, vor allem solche, die er durch Lippen lesen erfährt. Ist es überhaupt schlüssig, dass er Lippen lesen kann, obwohl es doch seine Eltern sind, die nicht hören können und nicht er selbst? Aufgrund guter Empathiewerte lernt man manche Dinge einfach mit. Diese Information ist so brisant, dass Stefan sofort versucht, Regierungsrat Benda zu erreichen, der ihn ja als eine Art Geheimwaffe für externe und interne Ermittlungen rekrutiert hat – aber jetzt, wo es drauf ankommt, ist der im Rahmen der Möglichkeiten ehrenhafte Demokrat nicht an den Apparat zu kriegen. Heute: Mobiltelefon und damit viel weniger Spannung. 

Erstmals kommt der smarte Mann in der Botschaft, der sicher den NKWD in Berlin vertritt, in Nöte. Wolter und Rath sind bei ihm und Rath droht ihm, dass er das Massaker an den Trotzkisten in die Öffentlichkeit bringt. Das wäre das Eingeständnis eines Big Fail für die russische Abwehr und dann würde derjenige, der nicht sorgsam genug bei der Leichentsorgung und Spurenverwischung war, abberufen nach Russland, was an sich bereits einen schauderhaften Rückschritt darstellt, gegenüber einem Posten in Berlin. Aber wir wissen ja, die stalinschen Säuberungen, erste Welle, haben gerade begonnen und da kommt es auf zwei Geheimdienstler, die Schande über das rote Imperium gebracht haben, nicht mehr an. Nicht die Begehung eines Verbrechens ist das Problem, sondern, erwischt zu werden. Okay, lasst uns einen Deal machen, schlägt Rath stattdessen vor. Er will die Namen derjenigen wissen, die bei der Reichswehr an der  Zerstörung der Demokratie arbeiten, die den Gaszug nach Deutschland organisiert haben. Im Gegenzug ist die Polizei bereit, die Toten tot sein zulassen, zumal diese ja doch eine innere, wenn auch exterritorial-innere Angelegenheit der Sowjetunion waren.

War eh klar, dass wir nicht erfahren, ob der Russe auf diesen Vorschlag eingeht.

2019-07-28 Babylon Berlin Folge 10 003 Wolter, der Undurchsichtige
Bruno Wolter, der Undurchsichtige mit dem Blick, der vieles bedeuten kann, aber eines ist er gewiss nicht: Der Blick eines harmlosen Zeitgenossen.

Dafür kommen wir zu einer anderen Szene, in der sich wieder zeigt, dass Bruno Wolter ein ungeheuer vielschichtiger Mann ist.

2019-07-28 Babylon Berlin Folge 10 004 Wolter und die Beerdigung von Charlottes Mutter - Gefälligkeit gegen Pietät
Wolter, der Mann, der sich kümmert, auch wenn er dabei im Regen steht: Charlottes Mutter findet doch noch ihre letzte Ruhe auf würdige Weise, denn Wolter ist auch ein Kümmerer.

Offenbar hat er arrangiert, dass die Leiche von Charlottes Mutter anständig abgeholt und beigesetzt wird. Wenn es in „Babylon Berlin“ eine Figur gibt, die mehr als gelungen ist, dann Wolter und wie sein Darsteller Peter Kurth ihn glaubwürdig erscheinen lässt. Charlotte Ritter und Gereon Rath mit ihrem Wechsel zwischen Hochbegabung und manchmal ziemlich banalen Fehlern wirken weniger konsistent, obwohl das alles denkbar ist. Wolter also ist ein Mann, der ein Verschwörer ist, aber auch fürsorglicher Mensch, ein Kumpel, einer mit viel Gefühl und immer bereit für eine Lüge oder Finte. Dass man eine solche Figur kauft, die keinerlei Kohärenz in ihrem Verhalten erkennen lässt und doch immer verständlich und authentisch wirkt, ist einem besonders gelungenen Teil des Drehbuchs wie auch der Interpretation zu verdanken ist. 

Verständlich ebenso, dass Charlotte nicht mehr zu ihren Leuten will, sondern sich von ebenjenem Wolter mit in die rote Burg nehmen lässt. Derweil ermittelt ein Polizist namens Böhm, der, im Gegensatz zu Wolter, durchgängig als Arsch gezeigt wird, um Wolter und Rath auf die Spur zu kommen. Wir erinnern uns: Der Priester, der im Beton endete! Wolter, da haben wir wieder diese Ambivalenz, gibt nichts preis, obwohl er doch ahnt, dass Rath ihm noch Schwierigkeiten machen könnte. Aber es kann ja auch so sein: Wie schon bei der Sache mit den Ampullen könnte es für Wolter ein Faustpfand sein, wenn wer weiß, dass Rath den Priester umgebracht hat. 

Helga sitzt in Raths Stamm-Eckbar und dieser selbst geht zur Witwe Behnke, gibt ihr Geld fürs Zimmer und den Schlüssel zurück – doch das ist ein Feigenblatt, dahinter kommt der österreichische Journalist zum Vorschein, den Rath um sein Radio bittet. Der Mann des Wortes beschwert sich bei Rath, die Witwe sei nicht mehr zu ertragen, seit er, der Kommissar, sein möbliertes Zimmer aufgegeben habe; nur wegen dieses Gspusis namens Helga. Der Investigativjournalist schreibt gerade an etwas über Zörrgiebel. Nämlich, wie es mit dem 1. Mai wirklich war und dass der angeschossene Polizist ein Fakte war. Rath gibt sich erstaunt, in Wirklichkeit weiß er nur allzu gut Bescheid und natürlich hat auch er seine Loyalitäten, sich den Rücken für die Arbeit freizuhalten: Er wir mit Wolter zusammen einen Bericht verfassen, der nicht der Wahrheit entspricht. Rath will sich noch von der Witwe Behnke verabschieden, aber die zieht es vor, ihm nicht zu öffnen.

Die Sache Blutmai verfolgt Rath beinahe so, wie er die Sache Zug aus Russland verfolgt. Die kommunistische Ärztin, die wir zuletzt im Trauerzug sahen, versucht, Rath zu einer Aussage zu bewegen, die, kollektiv betrachtet, ein Geständnis wäre. Sie weiß ja, dass er immerhin ein Mensch ist, welcher den Dingen auf den Grund geht, deshalb war er ja noch einmal in der Wohnung, in der die Schüsse fielen und eine Frau von der Straße aus erschossen wurde – um sich von den Spuren zu überzeugen. Frau Dr. Völcker wäre es genug, wenn Rath sagen würde, dass die Menschen in der Wohnung nicht bewaffnet waren. Damit aber nicht zu viele Posten offen bleiben, gibt es dieses Mal eine klare und harte Aussage: Er liefere keine Kollegen ans Messer, tut Rath kund. 

2019-07-28 Babylon Berlin Folge 10 008 Rath und Helga vereint

Danach kann er sich etwas entspannen, denn Helga wartet ja in der Bar auf ihn und sie tanzen noch einmal. Solche innigen Momente sind in „Babylon Berlin“ selten und schon deshalb haben wir das Foto, das wir eingangs ersatzweise verwendeten, der Szene noch einmal beigestellt, zu der es tatsächlich gehört. Wir erinnern uns, dass Rath in einer der ersten Folgen schon einmal allein in dieser Bar getanzt hat, unter dem Lächeln des jungen Mädchens hinter der Theke. Doch wieso ist das Bild von Gereon und Helga dieses Mal viel kleiner als weiter oben?

Wir sind wieder im anderen Teil der Realität, dem, der uns Normalmenschen meist verborgen bleibt, sofern eben nicht ein Journalist, der seinen Beruf als Berufung versteht, uns etwas enthüllt. Wollter lässt abladen. Lässt Kisten in seinen Keller verbringen. Er hat ja eine große Wohnung, zu der gehört auch ein großer Keller. Selbstverständlich wissen wir, was darinnen ist. Kürbisse. Foul, muss auch mal sein. Wir wollen nicht zu sehr vorgreifen. Aber dieser Wolter ist schon ein umtriebiger Typ – wie so viele in diesem Film, was dem Werk ein hinreichend rastloses Gepräge gibt, um die wilden 1920er anschaulich zu machen. Alle haben immer etwas oder auch etwas mehr am Laufen. Und nichts ist so, wie es scheint. Der Expressionismus, das Angstkino der 1920er, wird tatsächlich in einer Form lebendig, die sich eher auf die Stimmung in einer aufgeregten Zeit bezieht als auf den Stil des Films.

Bleiben wir also in der Chronologie. Stefan fährt mit der U-Bahn oder S-Bahn zur Polizeisiedlung, dort will er jedenfalls hin. Den Weg kürzt er durch den Gang über ein Fabrikgelände ab. Dort aber lauert man ihm auf und beginnt ihn zu jagen. Irgendwer muss mitbekommen haben, dass Stefan einen Geheimauftrag ausführt. Ist es Wolter, der dahinter kommt, dass an seiner Schublade auf dem Präsidium herumgefuhrwerkt wurde? Ja, das ist schon etwas länger her her. Außerdem hat er ihn beim Beobachten beobachtet  bzw. wurde von einem Jungen auf Stefan aufmerksam gemacht, der behauptet, dieser habe das Fernglas, das er verwendet, geklaut. Aus guten Gründen griff Wolter aber nicht ein. Nun wird Stefan von zwei Männern quer durch die Industrieanlage verfolgt. Er stellt die beiden, legt auf sie an, kann sie abschütteln.

2019-07-28 Babylon Berlin Folge 10 009 Jänicke investigativ - und trifft seinen Mörder
Fabrikbegegnung. Der junge Polizist Stefan trifft sein Schicksal.

Doch vor Ort scheint eine dritte Person anwesend zu sein. Wir erkennen sie nicht, aber sieht der Schemen, der im Bild ist, nicht doch nach Wolter aus? Stefan wird auf einer Stahltreppe erschossen. Erstmals stirbt eine Figur, um die wir als Zuschauer trauern können, weil wir einen Verlust empfinden. Der andere nimmt Stefans rotes Notizbuch an sich. Denn darum geht es. Um die Aufzeichnungen des eifrigen jungen Polizistin. Ein Porträt von Charlotte hat er da übrigens auch reingemalt. 

Dieses Mal läuft „Zu Asche, zu Staub“ zum Abspann ganz puristisch, a capella.

© 2019 Der Wahlberliner, Thomas Hocke 

Rolle Darsteller
Gereon Rath Volker Bruch
Charlotte Ritter Liv Lisa Fries
Wolter Peter Kurth
August Benda Matthias Brandt
Greta Leonie Benesch
S. Sorokina / Nikoros Severija Janusauskaite
Kardakow Ivan Shvedoff
Alfred Nyssen Lars Eidinger
Jänicke Anton von Lucke
Krajewski Henning Peker
Armenier Misel Maticevic
Elisabeth Behnke Fritzi Haberlandt
Katelbach Karl Markovics
General Major Seegers Ernst Stötzner
Dr. Schmidt „Anno“ Jens Harzer
Dr. Völcker Jördis Triebel
Gräf Christian Friedel
Zörgiebel Thomas Thieme
Trochin Denis Burgazliev
Musik: Johnny Klimek
  Tom Tykwer
Kamera: Frank Griebe
  Bernd Fischer
  Philipp Haberlandt
Buch: Tom Tykwer
  Hendrik Handloegten
  Achim von Borries
Regie: Tom Tykwer
  Achim von Borries
  Hendrik Handloegten

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