Update 5: Wird die CDU zur Mieter*innenpartei? Heute: Der Mietendeckel und der Aufschrei des Abgeordneten L. // @cducsubt @CDU @HeimatNeue @MietenwahnsinnB @BGemeinwohl @Mieter_Vonovia @DoebertSteffen u. v. m.

In den letzten Tagen haben wir uns etwas Reserve gelassen und dafür sogar auf die weitere Analyse von DIESEeG und deren Bearbeitung in der Presse verzichtet – weil wir ahnten, etwas Großes wird kommen und zusätzliche Ressourcen beanspruchen. Das Große ist jetzt da: Der Mietendeckel. Und wie auf ihn reagiert wird.

Es konnte nicht lange ausbleiben, dass aus der CDU Protest laut wird. Was uns wiederum zu der Frage führt, ob die CDU eine mieter*innenfreundliche Partei werden kann. Nach bisher 5 Artikeln dazu (hier und hier mit Ausgangsbeitrag und 3 Updates) war das nicht abzusehen. Also ein neuer Versuch – und zwar anhand des Berliner Mietendeckels, dessen Inhalt gerade diskutiert wird.

Hier zunächst die Eckpunkte des Mietendeckels in der tabellarischen Form, die der RBB gestern veröffentlicht hat:

Baujahr
 
AusstattungQuadratmeter-Miete in Euro
Bis 1918Sammelheizung und Bad6,03
 Sammelheizung oder Bad4,32
 Weder noch3,89
   
1919 – 1949Sammelheizung und Bad6,03
 Sammelheizung oder Bad4,27
 Weder noch3,42
   
1950 – 1955Sammelheizung und Bad5,88
 Sammelheizung oder Bad4,86
 Weder noch3,84
   
1956 – 1964Sammelheizung und Bad5,85
 Sammelheizung oder Bad5,02
 Weder noch4,19
   
1965 – 1972 5,74
1973 – 1983 (West) 7,51
1984 – 1990 (West) 7,24
1973 – 1990 (Ost) 5,64
1991 – 2013 7,97

Das ist natürlich ein Knaller. Hier mehr dazu. Aber der RBB teilte auch mit, dies sei ein Zwischenstand, nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Wieso er dann trotzdem dorthin gelangte, dafür gibt es nach unserer Ansicht mindestens zwei mögliche Gründe, einer davon, der von Absicht ausgeht, lässt wiederum unterschiedliche Deutungsvarianten über die damit verbundenen Absichten zu.

Auch die Presse schrieb zuvor von einem internen Papier. Nun hat aber flugs der CDU-Bundestagsabgeordnete und Mietrechtsexperte Dr. Jan-Marco Luczak mit einem Raubvogelbrief (Scherz, muss auch mal sein, bezieht sich auf den Look einer offziellen Abgeordneten-Pressemitteilung mit Bundesadler links oben) reagiert – vorsorglich, da die oben aufgeführte Version des Mietendeckels nicht die endgültige ist:

Dass ein solches Statement kommt, war in etwa so vorhersehbar wie die Tatsache, auf den gestrigen Sonntag der heutige Montag gefolgt ist.

Würde der Mietendeckel so kommen, wie er oben gelistet ist, ohne dass es einen Ausgleich für Vermieter gäbe, wären die Gerichte damit befasst. Das haben wir vernommen, das sehen wir auch so, denn selbstredend würden Vermieter klagen oder die CDU tut es vorauseilend, wie so häufig, wenn es um Kapitalinteressen geht. Wie die Richter entscheiden könnten, dazu lassen sich viele Argumente aller Art finden, aber einen Fingerzeig gibt wohl das gerade erst erfolgte Urteil des BVerfG zur Mietpreisbremse, das den Liberalkonservativen schon zu weit in Richtung Mieter*innen-Schutz geht. Gerade, wenn man den Mietendeckel in obiger Ausgestaltung sieht, muss man ihnen schreiben: Es wird eventuell viel schlimmer kommen, also lasst mal bitte die Mietpreisbremse in Ruhe, die immer noch keine gerechten, also strikt strafrechtlichen Sanktionen für vermieterseitigen Mietenbetrug vorsieht und immer noch weitere Lücken aufweist.

Was aber über die Einstellung der CDU den Mieter*innen gegenüber am meisten Aufschluss gibt, ist, dass eine Pressemitteilung mit Adler abgesetzt wurde, obwohl noch gar keine Beute in Sicht, sprich, noch niemand vom Stadtbausenat vor die Tür getreten und Amok gelaufen ist. Es steht so in der Mitteilung, aber es stimmt nicht. Stoppen heißt, jemanden bremsen, nicht in eine Diskussion eingreifen, die noch gar kein abschließendes Ergebnis erbracht hat, mit dem der Senat dann auf die armen Vermieter losgehen könnte. Es gibt noch nicht einmal einen Referentenentwurf und vermutlich ist das, was jetzt durchgesickert ist, falls es denn unabsichtlich an die Öffentichkeit gelangte, nur ein Positionspapier aus dem Kreis der an der Ausgestaltung des Mietendeckels Beteiligten. Schade eigentlich.

Aber natürlich packt die CDU, wie immer, wenn ihr nichts Besseres einfällt, den Sozialismus-Hammer aus. Dabei wird einfach mal übersehen, dass es eine Mietpreisbindung im nichtsozialistischen Westberlin gab, und zwar bis kurz vor der Wende, sie galt bi 1988. Natürlich war es eine CDU-Regierung, die sie abgeschafft hat, aber nicht sofort, sondern erst nach sechs Jahren, in denen sie den Regierenden Bürgermeister stellte. Die Abschaffung kam unter Eberhard Diepgen, dessen spätere erneute Regentschaft durch den Bankenskandal jäh endete – der selbstredend einen Immobilienbezug hatte.

Zweitens herrscht schon deswegen auch mit Mietendeckel kein Sozialismus, weil die Eigentumsverhältnisse sich nicht geändert haben und vielleicht in fünf Jahren wieder ungehemmt Preistreiberei betrieben werden darf. Im Sozialismus könnte man auch quersubventionieren, sofern genug Gesamteinnahmen da sind (in einem wirtschaftlich durabel gestalteten Sozialismus), das geht hier nicht, weil nicht Überschüsse aus anderen Gebieten von anderen Bestandteilen der Staatswirtschaft an die Wohnungswirtschaft weitergegeben werden können, um deren Verluste zu decken, falls denn solche entstehen.

Aber es würde beim Mietendeckel auf etwas Ähnliches hinauslaufen, nur eben ohne Sozialismus: Vermietern, die tatsächlich durch den Mietendeckel in wirtschaftliche Schieflage geraten, obwohl sie sich legal verhalten haben, müsste der Staat durch Steuererleichterungen oder andere Formen von Subventionen helfen.

Es gibt also zwei Konstellationen. Vermieter, die sich illegal verhalten haben und der Staat hat nicht eingegriffen. Vermieter, die sich legal verhalten und genau das ausgeschöpft haben, was eine falsche rechtliche Rahmensetzung zuließ. In beiden Fällen ist der Adressat für die Fehlentwicklung die Politik, vor allem auf Bundesebene, mithin die CDU. Wenn aber die Mietpreisbremse bisherige Handhaben, die rechtlich nicht zu beanstanden waren, stark beeinträchtigt und Gewinn in Verlust kehrt, dann kann es am Ende passieren, dass wir Mieter*innen uns den Mietendeckel selbst bezahlen, weil Steuergelder aus anderen Haushaltsposten abgezogen werden müssen, um Vermieter-Subventionen im Wohnungsbereich zu fördern (während vielleicht Wohngeld- und KDU-Zahlungen aus dem Haushalt sich etwas vermindern, aber sicher nicht so stark, die die Subventionen angehoben oder angeschoben werden). Diese Entwicklung muss beobachtet und kommentiert werden.

Damit auch dies vollkommen klar ist, versichern wir von mieter*innenfreundlicher Seite, dass es anders nicht gehen würde. Die Gerichte würden nicht zulassen, dass Menschen durch Wohnungseigentum pleite gehen, die auf Gesetze vertraut haben, welche ihnen eine bestimmte Ausrichtung der Bewirtschaftung bisher erlaubt, ja diese durch Steueranreize oder dadurch, dass Mieter*innen den Vermietern die Wertsteigerungen bezahlen mussten, sogar gefördert wurde und worauf die Vermieter sich langfristig ausgerichtet haben. Darauf legt die Pressemitteilung von Dr. Luczak auch Wert, aber mieter*innenfreundlich ist sie dadurch – nicht.

Es wird zum Beispiel nicht erklärt, so und so könnte es gehen, wir sind konstruktiv, wir denken mit, wir denken für die Mehrheit und helfen wirklich bei einem gerechten Ausgleich, sondern es wird einmal mehr ins anti-solidarische Horn geblasen. Es wird Unvergleichbares verglichen, sogar die Westberliner Vergangenheit unter CDU-Regentschaft wird einfach unter den Tisch fallen gelassen.

Auf diese Art gewinnen wir gemeinsam die Zukunft leider nicht, müssen wir den Herrschaften von „Berlin kann mehr“ und „Neue Wege für Berlin“ schreiben.

Falls man nicht nur Stimmungspolitik machen will, muss man eben auch mal vernünftige eigene Vorschläge entgegensetzen. Wir warten, was die CDU nun als Mietendeckel à la Ausgleich auf den Tisch legt. Dass die Mieter*innen geschützt werden müssen, das finden übrigens derzeit mindestens 58 Prozent der Berliner*innen. Alle, die 2RG wählen würden, wäre jetzt Wahl zum Abgeordnetenhaus.

Bisher hat die CDU nur nach Kräften versucht, Mieterschutz zu torpedieren (Mietpreisbremse so gestalten, dass sie möglichst wenig wirksam ist; z. B., geht nach mehreren Revisionen immer noch gut: Share Deals, um den Milieuschutz zu zerstören). Dieses Verhalten der CDU, das Mieter*innen in die Ecke getrieben hat, hat überhaupt erst eine dergestalt scharfe und die gesamte Stadt umfassende Maßnahme wie den Berliner Mietendeckel ins Spiel gebracht. So gesehen, erhalten nun die Vermieter*innen die Quittung dafür, dass ihre Vertreter aus FDP, CDU und Immobilien-Lobbyverbänden viele Jahre lang hemmungslos gegen die Mieter*innen agiert und Verdrängung geradezu zelebriert haben. In der Hoffnung natürlich, dass dann in Berlin nur noch ihr Wählerklientel zuhause sein wird. Das könnte sich bei anhaltender Tendenz zu Hypergentrifizierung aber als Milchmädchenrechnung herausstellen.

Maximaler Druck erzeugt maximalen Gegendruck. Zumindest in einer funktionierenden Demokratie. In der deutschen Demokratie gegenwärtiger Ausgestaltung gilt eher: Dass die unter Druck geratene Mehrheit überhaupt politische Fürsprecher gefunden hat, die es wagen, den Kampf mit dem Großkapital aufzunehmen, ist ein Wunder.

Welchen Wert Wunder haben und wie wichtig sie für Menschen sind, die noch an etwas glauben und nicht abschenken wollen, sollte die Partei, die das „C“ für „christlich“ ganz vorne im Namen führt (noch vor dem „D“ für „demokratisch“), doch am besten wissen. Deshalb sollte sie den Glauben an eine echte Demokratie für alle fördern, indem sie das Wunder vollenden hilft und sich konstruktiv und endlich mieter*innenfreundlich an der Gestaltung des Berliner Mietendeckels beteiligt.

TH


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