Update: Verhandlung Räumungsklage gegen das Neuköllner Syndikat // @syndikat44 @HeimatNeue @derjochen @BGemeinwohl u. v. a. #b2910 #Berlin #Syndikat #wirbleibenalle #Mietenwahnsinn #Verdrängung #Mietendeckel #Syndikatbleibt #PEARSGLOBAL #weicheBirne #Neukölln #Neukoelln #Schillerkiez #Kudamm

Das Update zu unserem vorgestrigen Soli-Aufruf für die Kiezkneipe Syndikat in Neukölln ist – das vorläufige Ergebnis der Verhandlung, die heute gegen Mittag im Landgericht am Tegeler Weg stattfand. Firman und Pears Global waren die Gegner im Räumungsprozess; wir fassen kurz zusammen, was u. a. hier im Tagesspiegel niedergeschrieben wurde und kommentieren kurz.

Das vorläufige Ergebnis ist, dass das Urteil erst am 26.11.2019 verkündet werden soll. Doch wie war der Tenor dessen, was sich vor Gericht zutrug? Uns war bekannt, dass das Kollektiv sich darauf stellen wollte, die reale Existenz der Firma anzuzweifeln, die hier den eigentlichen Eigentümern vorgelagert ist, für den Gewerbemietvertrag ist offensichtlich nicht Pears Global, sondern Firman Properties zuständig. Sicher kann luxemburgisches Recht nicht auf eine Räumungsklage in Deutschland angewendet werden, aber hier geht es um die Firma an sich, die an das Syndikat vermietet hat.

Wir sind davon ausgegangen, dass die Geschäftsführer von „Firman Properties“ mit Anwesenheitspflicht belegt wurden, davon scheint das Gericht aber keinen Gebrauch gemacht zu haben. Wenig tröstlich und kein Ausgleich, dass auch auf einigen der im Ausgangsbeitrag (hier und untenstehend) aufgestellten Sicherheitsanordnungen gegenüber Unterstützenden des Syndikats nicht bestanden wurde.

Dass Gewerbe nicht dem Milieuschutz unterfällt, ist ein leidiges Thema, auf das wir immer wieder hinweisen. Vor einiger Zeit ist es erstmals gelungen, Gewerbe doch zu schützen – und das in Neukölln. Allerdings ist dieser Schutz Teil einer Abwendungsvereinbarung, die ein Investor mit dem Bezirk geschlossen hat und die gleichzeitig bedeutet, dass ein Haus nicht durch die Ausübung des bezirklichen Vorkaufsrechts rekommunalisiert werden konnte. Eine grundsätzliche Integration von Gewerbeeinheiten in den Milieuschutz, der in Neukölln-Nord nun fächendeckend eingerichtet ist, wäre auch dem Syndikat zugute gekommen, steht jedoch weiterhin aus.

Interessant finden wir, dass einer Kiezkneipe vorgehalten wurde, sie habe nicht hinreichend versucht, woanders Räume zu finden. Woanders kann sinnvollerweise nur in fußläufiger Entfernung bedeuten, denn sonst ist der Zusammenhang zwischen Gastronomie, die sich im Kiez und mit seinem ansonsten geschützten Milieu zusammen entwickelt hat und diesem Kiez nicht mehr gegeben.

Der Schillerkiez aber ist mittlerweile so unter Gentrifizierungsdruck, dass es kaum noch möglich ist, zu Konditionen, die günstige Getränkepreise ermöglichen und damit den sozialen Aspekt stärken, Gewerberäume anzumieten. Ins „Outback“ zu ziehen, kann unter den geschilderten Umständen nicht die Alternative sein. Selbstverständlich gibt es Formen der Gastronomie, die weniger ortsgebunden sind und deren Gepräge sich nicht mit dem eines Kiezes verbindet, aber diese sind meist im hochpreisigen Bereich angesiedelt und als soziale Räume nicht relevant. Das Syndikat hingegen ist beispielsweise Mitinitiator und -organisator des Weisestraßenfestes, das noch eine alternative Prägung aufweist, die woanders schon weitgehend verloren gegangen ist (unser Bericht zum Weisestraßenfest 2019 hier).

Wenn es dazu kommen sollte, dass Gewerbe endlich Milieuschutz erhält und in der Folge, ob ein einzelnes Kiezgewerbe dem Milieuschutz unterfallen soll und dabei geprüft wird, wie stark die Verbindung zwischen Betreibern und „Location“ ist – das Syndikat könnte auch bei enger Auslegung der Kriterien bestehen.

Der Kernsatz war für uns, dass das Kollektiv des Syndikats weiterkämpfen und notwendigenfalls in die Revision gehen wird.

Dieses immer wieder warten müssen auszuhalten, kann man vielleicht nur, wenn man einfach weitermacht und sich nicht einschüchtern lässt. In diesem Sinne wünschen wir dem Syndikat bei der gerade stattfindenden abendlichen Informationsveranstaltung über die Ereignisse vor Gericht vollstes Haus und viel Zuspruch!

TH

Zuletzt hatten wir am 20.09.2019 über den epischen Kampf der Neuköllner Kiezkneipe Syndikat gegen deren Vermieter Pears Global berichtet (mit Anhang weiterer vorausgehender Artikel) – wir trafen das Kollektiv am Kudamm bei einer seiner monatlichen Protestaktionen. Morgen findet die Verhandlung des Räumungsprozesses statt und das Synidikat protestiert gegen die Bedingungen.

Zunächst hier die Ankündigung des Gerichtstermins:

FireShot Capture 097 - Syndikat bleibt! - Kiezkultur von Unten erhalten und verteidigen_ - syndikatbleibt.noblogs.org

Und hier die Pressemitteilung zu den Anordnungen des Gerichts: „Diese [sitzungspolizeilichen Anordnungen] beinhalten Auflagen, die nicht an ein Verfahren über ein Vertragsverhältnis, sondern an Terrorprozesse erinnern.“   

Pressemitteilung des Syndikat-Kollektivs zum Gerichtstermin im Räumungsprozess am 29.10.19

Am Dienstag, 29.10.19, um 12.00 Uhr, findet am Landgericht Berlin, Tegeler Weg 17-22, der Räumungsprozess gegen das Syndikat statt. Firman Properties s.a.r.l., der luxemburgische Briefkasten aus dem Firmengeflecht von Pears Global Real Estate, besteht auch weiterhin auf dem Ende der Kollektivkneipe Syndikat. Das Betreiber:innenkollektiv fordert nach wie vor einen neuen Mietvertrag, um nach über 34 Jahren auch weiterhin aktiver Teil des Schillerkiezes in Neukölln zu bleiben.

Zum Gerichtstermin hat das Landgericht Berlin sitzungspolizeiliche Anordnungen erlassen. Diese beinhalten Auflagen, die nicht an ein Verfahren über ein Vertragsverhältnis, sondern an Terrorprozesse erinnern. So sollen nicht nur alle BesucherInnen durchsucht werden, sondern auch alle Journalist:innen und Anwält:innen und alle Personalausweise kopiert werden. Die Entscheidung über den Ausschluss der Öffentlichkeit hat sich das Gericht für den Beginn der Verhandlung vorbehalten.

Dazu erklärt das Kollektiv: „Wir finden die geplanten Rahmenbedingungen für den Prozess skandalös. Die Anwesenheit von Polizist:innen im Saal, sowie die Durchsuchung von allen Teilnehmer:innen, sogar von Journalist:innen und unserer Anwälte, schafft ein Klima der Angst, dass das Recht auf eine Teilnahme der Öffentlichkeit am Prozess stark beeinträchtigt. Das die Gegenseite die Öffentlichkeit sogar vehement vom Prozess ausschließen möchte, passt ins Bild dieses vollkommen intransparenten Immobiliennetzwerks von Pears Global. Auch dagegen werden wir auf der Kundgebung vor dem Prozess protestieren.“

Fragen bezüglich des Prozesses können gerne unter der Mailadresse syndikat44@posteo.de gestellt werden. Vor Ort sind Mitglieder des Kollektivs ab 11.00 Uhr für Pressevertreter:innen ansprechbar. Es findet dann eine angemeldete Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude statt.

****Ende der Pressemitteilung****

Das Syndikat hat die Anordnungen des Gerichts hier einsehbar gemacht.

Kommentar

Das Syndikat in Neukölln zählt zu den bedrohten Projekten und Institutionen in Berlin, die am meisten zur Entstehung einer Protestkultur unter den Mieter*innen beigetragen haben und die Ermittlung ihrer Eigentümer und viele weitere Momente im Leben dieses widerständigen Kollektivs im Schillerkiez haben wir dokumentiert.  

Die Justiz ist besorgt um die Sicherheit – wegen Menschen, die friedlich eine kleine Kiezkneipe im Kampf gegen die Vernichtung ihrer Existenz unterstützen möchten. Die Anordnungen hingegen wirken in der Tat einschüchternd und bezüglich der Datenerfassung problematisch.   

Es muss dringend mehr über Rechtsgüterabwägung diskutiert werden und darüber, welche Formen von Immobilieneigentum die Auflagen des Art. 14 II des Grundgesetzes erfüllen und darüber, wie Eigentümer, die grundsätzlich diese Anforderungen erfüllen, im konkreten FAll ihre Mieter*innen zu behandeln haben. Wir sind sehr gespannt, ob morgen jemand vom Pears-Global-Management auftauchen wird, oder ob man sich hinter Vertretungspersonen verschanzen möchte. Das bisherige Kommunikationsverhalten des De-facto-Konzerns legt Letzteres nahe. Persönliches Erscheinen einer verantwortlichen Person auf der Eigentümerseite wurde unseres Wissens jedoch angeordnet. 

Wir wünschen dem Kollektiv für morgen alles Liebe und Gute und hoffen sehr, dass der Räumungsklage von Pears Global nicht stattgegeben wird. Es gibt gute Gründe dafür, dies nicht zu tun, die wir in früheren Berichten dargelegt haben. Vielleicht können wir schon morgen einen weiteren kurzen Artikel verfassen: Sieg für das Syndikat im Kampf gegen Verdrängung vor Gericht!

TH

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