Der Berliner Mietendeckel war bereits mehrfach Gegenstand der Wahlberliner-Mieterpost. Das zweite Update des FAQ-Beitrags wird nicht die letzte Ausgabe sein, die sich ihm widmet, weil wir weitere Meinungen kommentieren wollen und die weitere Entwicklung des Mietendeckels und seine Wirkung in der Praxis verfolgen werden.
Im Ausgangsbeitrag haben wir uns mit Fragen zum Mietendeckel befasst, von denen der Senat annimmt, dass sie häufig gestellt werden.
Das Update 2 beinhaltet den Hinweis auf ein Interview, das der Tagesspiegel mit dem Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Rainer Wild, geführt hat, den neuen Abschnitt III., Meinungen der Bevölkerung zum Mietendeckel, sowie einige Detail-Ergänzungen und -änderungen.
MP 12: Die AfD, die Morgenpost, derMietendeckel stellvertretend für viele ähnlich tendierende Meinungen des journalistisch-politischen konservativ-liberal-rechten Spektrums in Berlin.
MP 8-II mit Update: Der Berliner Mietendeckel steht!
MP 6: Alles zum Berliner Mietendeckel inklusive Timeline.
I. Bevor wir uns mit Details des Mietendeckels befasst, einige grundsätzliche Aussagen, die wir auf der Homepage von DIE LINKE Berlin sehen
Wir weisen darauf hin, dass es sich hier um die Positionen lediglich einer der drei Koalitionsparteien in Berlin handelt und nehmen kurz dazu Stellung.
1. Wenn der Mietendeckel kommt, entfällt dann die Vergesellschaftung?
Nein. Für DIE LINKE stehen Mietendeckel und Vergesellschaftung nicht gegeneinander, sondern ergänzen sich. Der Mietendeckel ist eine befristete Lösung zur schnellen Linderung des Mietenwahnsinns. Die von der Initiative „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ angestrebte Vergesellschaftung, die wir unterstützen, soll auf lange Sicht die Wohnungsbestände der großen profitorientierten Wohnungsunternehmen in Gemeinwirtschaft überführen und damit dauerhaft bezahlbare Wohnungen für die Berliner*innen sichern. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass das Volksbegehren, bei dem bereits im ersten Schritt 77.000 Menschen unterschrieben haben, schnell in die nächste Phase gehen kann.
Wir haben uns nach einigem Nachdenken und Recherchieren entschlossen, die Enteignung in der Form, wie sie von „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ gefordert wird, zu unterstützen. Mittlerweile bestätigt uns das Verhalten der Immobilienwirtschaft angesichts eines moderaten und temporären Schutzinstruments wie des Mietendeckels in der Ansicht, dass darüber hinausgehende, die Mieter*innen längerfristig schützende Maßnahmen unabdingbar sind.
2. Der Mietendeckel schafft keine bezahlbaren Wohnungen. Wie will DIE LINKE bezahlbare Mieten sichern?
(…) Die Aufgabe des Mietendeckels ist es (…), Menschen davor zu schützen, ihre Wohnung zu verlieren. Die Berlinerinnen und Berliner haben Angst, ihre Miete nicht mehr bezahlen zu können. Das muss sich ändern.
Für bezahlbare Mieten braucht es verschiedene politische Maßnahmen: Öffentliche Grundstücke dürfen nicht mehr verkauft werden. Wir brauchen jeden Quadratmeter, um bezahlbare Wohnungen zu bauen. Bezahlbarer Neubau ist notwendig. Dies können vor allem die Genossenschaften und die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften leisten. Luxus-Neubau brauchen wir nicht. Durch Ausweitung von Milieuschutzgebieten können die Bezirke ihr Vorkaufsrecht nutzen, wenn Gebäude verkauft werden. Damit werden Mieterinnen und Mieter vor Mieterhöhungen und Herausmodernisierung geschützt. Mit intelligenter Stadtergänzung können zum Beispiel auf Supermarktdächern auch in bestehenden Kiezen neue Wohnungen entstehen.
Die städtischen Wohnungsbauunternehmen trugen in den letzten Jahren in stark steigendem Ausmaß zum Neubau bei und könnten bei Fortschreibung dieser Entwicklung bald einen Anteil von 50 Prozent am Neubauvolumen erreichen. Es muss dann allerdings gesichert sein, dass die Erstvermietungsmieten, die sie in ihren neuen Gebäuden verlangen, nicht wesentlich oberhalb der Bestandsmieten liegen.
3. Wie verhalten sich Mietendeckel und Mietspiegel zueinander?
Schon im Juni wurde ein kleiner Film mit Stadtbausenatorin Lompscher erstellt, der klarmacht, dass der Mietendeckel den Mietspiegel 2019 ersetzen wird, solange der Mietendeckel gilt. Dadurch erklären sich Zu- und Abschläge für die Lagen, die im Gesetzentwurf für den Mietendeckel gesondert ausgewiesen sind, weil die Differenzierungen, die der Mietspiegel enthält, entfallen.
Grundlage des Mietendeckels ist nicht der Mietspiegel von 2019, sondern derjenige von 2013, auf seiner Basis wurden die Obergrenzen errechnet. Das erklärt unter anderem, warum immer noch die veralteten Trennungen nach Ausstattungsunterschieden, die heute kaum noch relevant sind – welche Wohnung hat kein Bad und kein Innen-WC? – das sollte man höchstens noch mit einem starken Sonder-Abschlag bewerten -, aber traditionell im MIetspiegel „durchgeschleppt“ werden, auch in einem Gesetz des Jahres 2020 eine Rolle spielen.
Vermutlich wird danach der Mietspiegel in einer fortgeschriebenen Version neu erscheinen und falls der Mietendeckel wirkt, wird er dafür sorgen, dass der Mietspiegel 2024 oder 2025, der die nächste Version sein wird, falls der Mietendeckel nicht eine Verlängerung erfährt, nur unwesentlich höher liegen wird als die zugrundeliegende Version aus dem Jahr 2013. Würde man hingegen an den Mietspiegel von 2019 anknüpfen, käme es verstärkt zu Erhöhungsmöglichkeiten.
Höher als 2013 wird der erste Nach-Mietendeckel-Mietspiegel aber sicher liegen, vor allem wegen des Teil-Inflationsausgleichs und wegen der Freigabe der Preise für Neubauten aus dem Jahr 2014 und jünger. Wer weitere Fragen zum Mietendeckel hier schon beantwortet haben möchte, wir haben das Video eingebettet:
II. Konkrete Fragen und Antworten zum Mietendeckel
Der Senat hat eine Reihe von Fragen und Antworten zum Mietendeckel erstellt, die wir hier abbilden. Das dient uns zur Informationssicherung auf Stand heute und – man kann alles auf einen Blick sehen, was sich auf der betreffenden Seite nur reihenweise anklicken lässt. Selbstverständlch werden wir stellenweise auch kommentieren, sonst wäre ja keine Eigenleistung dabei. Wer das Original sehen und überprüfen möchte, ob wir auch nichts entfernt oder beigefügt haben, bitte hier.
1. Gilt der Mietendeckel für alle Wohnungen?
Nein, es gibt Ausnahmen: Wohnungen des öffentlich geförderten Wohnungsbaus („Sozialwohnungen“), Trägerwohnungen, Wohnungen in Wohnheimen und Neubauten, die erstmals seit 1. Januar 2014 bezugsfertig waren.
Dazu zählen auch solche hübschen kleinen Perlen, denn diese Form von Totalsanierung, die es in dem Fall auch wirklich gibt und die nicht, wie bei gewissen einschlägig bekannten Vermietern nur vorgetäuscht ist, berechtigt ebenfalls weiterhin zu unbegrenzter Mietpreisfantasie. Also, liebe Vermieter, die Welt ist immer noch so ganz okay. Wer sich dafür interessiert, das Angebot ist hier zu finden.
Eine moderne Ausstattung liegt vor, wenn mindestens drei der folgenden Merkmale vorhanden sind:
- schwellenlos erreichbarer Aufzug,
- Einbauküche,
- hochwertige Sanitärausstattung,
- hochwertiger Bodenbelag in der überwiegenden Zahl der Wohnräume,
- Energieverbrauchskennwert von weniger als 120 kWh/(m² a)
Um ganz offen zu sein, diese Regelung erschließt sich uns nicht und würde diejenigen, die bisher eine sehr niedrige Miete genommen haben, ausnehmend blöd dastehen lassen. Nehmen wir an, jemand hat vorher 4,76 Euro / m² gezahlt, der Nachmieter muss also höchstens 5,02 Euro / m² zahlen, obwohl z. B. die Obergrenze für die betreffende Bauklasse bei 6,45 Euro / m² liegt? Wieso nicht 5,76 Euro und damit ebenfalls innerhalb der erlaubten Zone? Im Prinzip wird damit ein weiterer Unterdeckel eingezogen. Falls wir diesen Part nicht falsch verstanden haben: Darüber sollte man nochmal nachdenken. Denn gegen rabiate Erhöhungen für neue Mieter schützt ja schon die Klausel maximal + 1 Euro gegenüber Vormiete.
Erstmalige Bezugsfertigkeit der Wohnung und Ausstattung | Mietpreis pro Quadratmeter |
bis 1918 mit Sammelheizung und mit Bad | 6,45 Euro |
bis 1918 mit Sammelheizung oder mit Bad | 5,00 Euro |
bis 1918 ohne Sammelheizung und ohne Bad | 3,92 Euro |
1919 bis 1949 mit Sammelheizung und mit Bad | 6,27 Euro |
1919 bis 1949 mit Sammelheizung oder mit Bad | 5,22 Euro |
1919 bis 1949 ohne Sammelheizung und ohne Bad | 4,59 Euro |
1950 bis 1964 mit Sammelheizung und mit Bad | 6,08 Euro |
1950 bis 1964 mit Sammelheizung oder mit Bad | 5,62 Euro |
1965 bis 1972 mit Sammelheizung und mit Bad | 5,95 Euro |
1973 bis 1990 mit Sammelheizung und mit Bad | 6,04 Euro |
1991 bis 2002 mit Sammelheizung und mit Bad | 8,13 Euro |
2003 bis 2013 mit Sammelheizung und mit Bad | 9,80 Euro |
Für Wohnungen mit moderner Ausstattung erhöht sich der Wert um 1,00 Euro. Eine moderne Ausstattung liegt vor, wenn mindestens drei der folgenden Merkmale vorhanden sind:
- schwellenlos erreichbarer Aufzug,
- Einbauküche,
- hochwertige Sanitärausstattung,
- hochwertiger Bodenbelag in der überwiegenden Zahl der Wohnräume,
- Energieverbrauchskennwert von weniger als 120 kWh/(m² a)
Hier wird also noch einmal die Grundtabelle aufgelistet, die wir u. a. in der Mieterpost 6 erwähnt haben. An diesen Werten hat sich beim Gesetzentwurf nun nichts mehr geändert. Wichtig ist beim (je nach Höhe der Inflation gekappten) Geldentwertungsausgleich: Er darf nur angewendet werden, wenn die Miete danach die in der Tabelle angegebenen Werte nicht überschreitet.
Modernisierungsmaßnahmen:
- 1. zu der Vermieter*innen aufgrund eines Gesetzes verpflichtet sind,
- 2. zur Wärmedämmung der Gebäudehülle, der Kellerdecke, der obersten Geschossdecke oder des Daches,
- 3. zur Nutzung erneuerbarer Energien,
- 4. zur energetischen Fenstererneuerung,
- 5. zum Heizanlagenaustausch,
- 6. zum Aufzugsanbau oder
- 7. zum Abbau von Barrieren durch Schwellenbeseitigung, Türverbreiterung oder Badumbau
Erlaubt sind nach unserer Ansicht weiterhin alle Modernisierungen, inklusive derjenigen, die genehmigungspflichtig sind, wenn eine solche Genehmigung vorliegt – nur dürfen sie nicht mehr zum Anlass genommen werden, die Mieten saftig zu erhöhen, mithin: Die Kosten dürfen nicht mehr im bisherigen Maße auf die Mieter*innen umgelegt werden. Insofern stellt diese Regelung für die Dauer des Mietendeckels eine Einschränkung der Möglichkeiten nach § 559 BGB dar.
Es kommt auch darauf an, ob alles, was bisher zu viel genommen wurde, zurückgezahlt werden muss, sonst geht sich das in einem simplen Rechenexempel aus. Und auch heute leider wieder: Dass vermieterseitiger Betrug weiterhin kein Straftatbetand sein soll, finden wir aus rechtspolitischen Gründen falsch.
Richtig ist aber auch, dass nach der Empfehlung des Eigentümerverbands „Haus und Grund“ Vermieter*innen versuchen, vor dem Einfrieren der Miete diese noch zu erhöhen. Allerdings wird dies nach Auffassung des Senats bei einer rückwirkenden Anwendung des Mietendeckels nicht gelingen.
Haben Mieter*innen nach dem Zeitpunkt des Senatsbeschlusses zum Mietendeckel am 18.06.2019 der Mieterhöhung zugestimmt, ist nach Rechtsauffassung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen (trotzdem) die vor der Mieterhöhung geltende Miete Grundlage für das spätere Einfrieren der Miete.
Bei Neuvermietungen rät der Mieterverein, Verträge erst zu unterschreiben und dann zu prüfen, ob überhöhte Mieten vorliegen und dies dann zu rügen.
III. Der Mietendeckel im Spiegel der Bevölkerungsmeinung
Im oben verlinkten Interview mit Rainer Wild vom Berliner Mieterverein sind auch zwei Umfragen abgebildet. Die erste davon stellt folgende Frage: „Halten Sie die Einführung des „Mietendeckels” für ein geeignetes Mittel, um die Probleme auf dem Berliner Wohnungsmarkt zu lösen?“ Nur 42 Prozent der Teilnehmer an dieser Civey-Umfrage sagten „ja“ oder „eher ja“, über 49 Prozent hingegen antworteten mit „nein“ oder „eher nein“. Den beschlossenen Mietendeckel fanden in einer zweiten Umfrage dann fast 46 Prozent gut oder eher gut, über 37 Prozent hingegen schlecht oder eher schlecht.
Daraus schließt die Vermieterseite gerne, dass die Skepsis gegenüber den Vermietungsmarkt dämpfenden Maßnahmen ziemlich groß ist. Das geht aus den Umfragen aber aber nicht hervor. Viele sind mit Sicherheit über die Abschwächung des Mietendeckels gegenüber dem „Vor-Vorenwurf“, der am 25.08.2019 „geleakt“ wurde, enttäuscht, weitere, wie wir, sind der Ansicht, dass der Mietendeckel nur eine Atempause verschafft, aber nicht die Wohnungsprobleme in Berlin löst.
Wir hatten an den Umfragen nicht teilgenommen, aber wir hätten, obwohl wir uns immer wieder für eine fundamentale Besserstellung von Mieter*innen aussprechen bei der ersten Umfrage mit „eindeutig nein“ stimmen müssen, weil wir uns sicher sind, dass der Mietendeckel nur eine Zwischenlösung darstellt. Bei der zweiten Umfrage wär’s schwierig geworden. Wir hätten vielleicht sogar „unentschieden“ angegeben, wie es immerhin 17 Prozent der Teilnehmenden getan haben, die vermutlich noch abwarten wollen, wie die Praxis aussehen wird oder / und ob man nun dem härteren „Leak-Entwurf“ nachtrauern oder das Erreichte in den Vordergrund stellen soll. Die zu erwartenden praktischen Probleme der Umsetzung kommen im Interview mit Rainer Wild gut zum Ausdruck.
Besonders interessant fanden wir eine dritte Umfrage, die sich damit befasst, welcher Partei aus der Berliner Koalition man den Mietendeckel am meisten zurechnet. Der Berliner Mietendeckel wurde von der SPD „erfunden“ und unter der Leitung von Stadtbausenatorin Katrin Lompscher (DIE LINKE) erarbeitet.
Fast 57 Prozent der Befragungsteilnehmer*innen meinte, DIE LINKE habe am Mietendeckel den größten Anteil, nur 16 Prozent rechnen diesen der SPD, der Initiatorin, zu, 4 Prozent glauben gar, die Grünen seien federführend gewesen, 13,6 Prozent meinen, alle drei Parteien seien gleichermaßen verantwortlich – und ca 10 Prozent trauen sich kein Urteil zu. Daraus erklärt sich, dass DIE LINKE in neueren „Sonntagsfrage“-Umfragen zugelegt hat.
Wir hatten wiederum nicht teilgenommen, aber unsere Antwort war gar nicht möglich: Wir meinen, dass DIE LINKE und die SPD den Hauptanteil haben, die Grünen hingegen sich so verhalten haben, dass sie am wenigsten mit dem Erfolg oder dem Scheitern des Mietendeckels in Verbindung gebracht werden können. Im Grunde müsste man trotzdem sagen, alle drei gleichermaßen, denn er ist ein Kompromiss aus deren Ansichten und wäre eine der drei Parteien nicht einverstanden gewesen, gäbe es noch keinen Beschluss.
Schlussbemerkung