Filmfest 449 Cinema
Die Uhr ist abgelaufen ist ein US-amerikanischer Western von James Neilson aus dem Jahr 1957. Er entstand nach einem Roman von Norman A. Fox.
Ursprünglich solle Anthony Mann als Regisseur des Films tätig sein. Er hatte mit James Stewart zu dem Zeitpunkt bereits Western wie Meuterei am Schlangenfluß oder Der Mann aus Laramie gedreht, war jedoch vom Drehbuch nicht überzeugt, sodass James Neilson kurz nach Drehbeginn die Regie übernahm. Das geschah allerdings auch auf Betreiben Stewarts, der sich in den Kopf gesetzt hatte, von den bei Mann verkörperten ganz harten Typen etwas abzuweichen und endlich einmal seiner Vorliebe für das Akkordeonspielen frönen zu können. Mann lehnte diese musikalischen Einlagen ab. Es war das Ende der Kooperationen zwischen Stewart und Mann und James Neilsons erste Regiearbeit; später drehte er unter anderem zahlreiche Folgen der Serie Disneyland. Wie hat sich dieser Wechsel bei der Regie ausgewirkt? Immerhin war Stewart aufgrund seiner großen Erfahrung und seiner anerkannten Darstellungskunst durchaus in der Lage, sich mehr oder weniger selbst durch einen Western zu führen. Es steht alles in der -> Rezension.
Handlung
Grant McLaine wurde vor fünf Jahren von der Eisenbahngesellschaft entlassen, da er in Verdacht stand, an einem Überfall auf die Eisenbahn beteiligt gewesen zu sein. Er kommt seitdem mit seinem Akkordeonspiel mehr schlecht als recht über die Runden. Sein ehemaliger Chef jedoch lässt ihn nach all der Zeit rufen, da er vor einem Problem steht: Die Eisenbahnstrecke muss gebaut werden und die Arbeiter wollen ihren Lohn, der jedoch bereits zwei Mal von der Bande um Whitey Harbin und The Utica Kid gestohlen wurde. Da die Arbeiter drohen, die Baustelle zu verlassen, sollten sie nicht bezahlt werden, soll Grant McLaine beim dritten Transport der Löhne hin zur Bahnstrecke persönlich auf das Geld aufpassen. Wenn das Geld sicher ankommt, würde das zudem bedeuten, dass er damals zu Unrecht des Raubes angeklagt wurde und wieder für die Gesellschaft arbeiten dürfte.
Obwohl er den Auftrag übernimmt, da er seinen alten Arbeitsplatz wiederhaben will, befindet sich McLaine dennoch in einer Zwickmühle: The Utica Kid, der schon lange auf Whitey Harbins Posten als Chef der Bande scharf ist, ist niemand anderes als McLaines kleiner Bruder. Als die Bande den Zug mit den Lohngeldern überfällt, versteckt McLaine die Löhne im Proviant des Waisenjungen Joey Adams, dem er zuvor das Leben gerettet hatte. Als die Bande das Geld nicht finden kann, nehmen sie Verna, die Frau von Grants Ex-Chef, als Geisel und verlangen eine Zahlung des Geldes innerhalb der nächsten 24 Stunden.
McLaine folgt der Bande zu einer Geisterstadt, wo er seine Verwandtschaft zu The Utica Kid preisgibt und um Aufnahme in die Bande bittet. The Utica Kid ist misstrauisch, da er seinen Bruder als rechtschaffenen Mann kennt, und Whitey Harbin nimmt McLaine nun gerade wegen The Utica Kids Abneigung auf. McLaine berichtet The Utica Kid, wo er das Geld versteckt hat. Der plant nun, heimlich mit Joey und dem Geld zu verschwinden. Der Informant der Bande, ein Arbeiter der Eisenbahn, erscheint, um sich seinen Anteil am vermeintlichen Gewinn abzuholen. Er erkennt in McLaine den Bewacher der Gelder und es kommt zu einer Schießerei. Dabei werden McLaine, Verna und The Utica Kids Freundin Charlotte Drew in die Enge getrieben. Joey stellt sich auf McLaines Seite und auch The Utica Kid eilt geläutert zu seinem Bruder. Gemeinsam töten sie die Mitglieder der Bande Whitey Harbins. Whitey gelingt es, auf McLaine zu schießen, doch wirft sich The Utica Kid vor seinen Bruder und rettet ihn, während er dabei getötet wird. Aus Rache erschießt McLaine Whitey. Gemeinsam mit Charlotte Drew geht McLaine anschließend fort.
Rezension
Anthony Mann begründete seinen Ausstieg aus dem Projekt in einem Interview im Jahr 1967:
„Die Geschichte war so unzusammenhängend, daß die Zuschauer nichts verstanden hätten. Aber Jimmy war von dem Film eingenommen. Denn er sollte Akkordeon spielen und einige Stunts machen, die Schauspieler lieben. Das Drehbuch war ihm ganz egal, und da stieg ich aus der Produktion aus. Der Film wurde ein Flop, und Jimmy hat mir das immer angekreidet.“
– Anthony Mann, 1967[1]
Der Film wurde in Durango, Colorado, als erster Film in Technicolor-Technirama gedreht. James Stewart erhielt nach dem 1936 erschienenen Zum Tanzen geboren zum ersten Mal wieder die Möglichkeit, in einem Film zu singen. Er interpretiert in Die Uhr ist abgelaufen die Titel „Follow the River“ und „You Can’t Get Far Without a Railroad“, die aus der Feder Ned Washingtons stammten. Dabei begleitete er sich auf seinem Lieblingsinstrument, dem Akkordeon, wobei sein Spiel später von einem professionellen Musiker nachträglich synchronisiert wurde.[2] Die Uhr ist abgelaufen kam am 24. Juli 1957 in die US-amerikanischen Kinos. In der BRD lief der Western am 20. Dezember 1957 an.
Alle diese Informationen haben wir vorangestellt, weil wir sie für sehr interessant halten. Wir kennen alle Stewart-Mann-Filme und können daher ein wenig sortieren.
So extrem hart waren die Typen, die Stewart bei Mann gespielt hat, auch nicht. Er stellte immer einen gebrochenen Charakter dar oder einen ambivalenten, meist einen Mann, der aus Enttäuschung zum Einzelgänger wurde und am Ende, genau wie in „Die Uhr ist abgelaufen“, eine Frau findet, die ihn versteht oder wegen der er sich selbst (re-) sozialisiert. Die Aufnahmen sind traumhaft schön, vor allem die echten Fahrtaufnahmen auf dem Zug und die Musik ist von Dimitri Tiomkin, der viele der großen Western der 1950er vertont hat und manches andere wie „Giganten“. Sein Musikstil passte perfekt in diese Zeit, in der alles dramatischer, psychologischer und auch pompöser wurde. Wir kannten „Follow the River“ schon vor dem Anschauen des Films und das macht immer einen Unterschied, dieses Wiedererkennen, außerdem ist das Thema geradezu sanft, im Vergleich mit einigen anderen Tiomkin-Scores – insofern doch auf die Figur abgestimmt, die Jimmy Stewart hier spielt bzw. auf seinen Kern. Es ist auch nicht prinzipiell falsch, in einem Western einen Musikanten unterzubringen, wie sich bald in „Rio Bravo“ herausstellen herausstellen sollte. Es ist nur fraglich, ob dies die Hauptfigur sein darf. Andererseits – schon Kirk Douglas hatte es zwei Jahre zuvor in „Man Without A Star“ mit einem Banjo vorgemacht, dass man eine sehr knackige Charakterdarstellung mit solchen Vorträgen verbinden kann.
Recht geben müssen wir Anthony Manns Darstellung, was das Drehbuch angeht. Kein Vergleich zu den besten seiner Filme, die eine sehr zwingende Dramaturgie haben und durch ihre logischen, nachvollziehbaren Abläufe auffallen. Von der seltsamen Art des Geldtransports bis hin zu den Wendungen vor dem Showdown gab es kein Handlungselement, bei dem wir nicht dachten, da hätte es für die Handelnden bessere Möglichkeiten gegeben. Nur ein Beispiel: Wenn man schon einen ganzen Wagen voller bewaffneter Männer bereitstellt, um die Lohngelder zu transportieren, darf man das Geld selbst doch nicht an einem anderen Ort aufbewahren, der nur von einem einzelnen Mann geschützt ist, der aber wiederum den Banditen gut bekannt ist. Und der Schuhkarton! Den hätten wir dem Jungen wohl zuallerst abgenommen bzw. ihn untersucht, wenn das Geld im Zug nicht zu finden war. Usw.
Geradezu witzig sind die Konflikte innerhalb der Räuberbande und wir finden die Darstellung von Erzgauner Dan Duryea, der sich in den Filmen der Schwarzen Serie der 1940er für solche Rollen profiliert hatte, gar nicht so schrecklich. Seine Figur ist eben mehr kurios als so bedrohlich, wie der Chef einer ziemlich großen Räuberbande wirken sollte – aber warum nicht. Man ahnt ohnehin dass ein Superstar wie James Stewart am Ende einigermaßen aus der Sache rauskommen wird. Die Chancen sind zwar eigentlich Null, in dem Moment, als er die Lampe in der Bretterbudenkneipe auslöscht, aber das ist bei ganz vielen anderen Western ebenso, die als sehr gut gelten – und es klappt doch. Die Moral des Films ist einwandfrei, deswegen findet das damals sehr an moralischen Bewertungskriterien orientierte Lexikon des internationalen Films „Night Passage“ auch gut.
Sicher wäre er mit einem besseren Drehbuch noch spannender geworden, denn die Glaubwürdigkeit von Abläufen stärkt ungemein das Gefühl, sich in einer realen Bedrohungssituation zu befinden, aber wir sehen eben auch James Stewart sehr gerne und auch ein Film, den er nicht unter der Regie von Anthony Mann gemacht hat, hat für uns seinen Reiz. Er hat seine übliche Synchronstimme und das gedehnte und sehr akzentuierte Sprechen, das ihn einmalig macht, wird dabei sehr gut ins Deutsche vermittelt.
Finale
Es gibt schon einen Abstand zu Stewarts besten Western, mehr noch zu Klassikern wie „Ist das Leben nicht schön“, aber der Film ist unterhaltsam. Kennzeichen der Stewat-Mann-Produktionen ist, dass man nie der Versuchung erlag, gemäß der allgemeinen Tendenz der 1950er alles immer ausladender zu machen, die Filme haben meist nur um 90 Minuten Länge. Das gilt auch für „Night Passage“, aber in diesem Fall hätte etwas mehr nicht geschadet, um Plotholes zu schließen und einige zusätzliche, die Stimmigkeit der Abläufe erhöhende Handlungselemente zu entwerfen. Dafür darf Stewart einen Abhang hinunterkugeln, bestimmt hat er für Szene, in welcher er vom Bahndamm gestoßen wird, kein Double gebraucht. Es ist ja das Merkmal von Superstars, dass sie auch einen Film, der ein ziemlicher Flop hätte werden können, noch mit ihrem Spiel veredeln. „Night Passage“ wurde wohl trotzdem an der Kasse ein Flop, was James Stewart auf der Höhe seines Ruhms sicher nicht so häufig passierte. Er spielte im Folgejahr in dem Klassiker „Vertigo“ von Alfred Hitchcock – der im zeitgenössischen Kontext auch ein wenig skeptisch beurteilt wurde, aber heute als herausragend gilt.
72/100
© 2021 (Entwurf 2019) Der Wahlberliner, Thomas Hocke
(1) und kursiv: Wikipedia
Regie | James Neilson |
Drehbuch | Borden Chase |
Produktion | Aaron Rosenberg für Universal Studios |
Musik | Dimitri Tiomkin |
Kamera | William H. Daniels |
Schnitt | Sherman Todd |
Besetzung | |
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