Filmfest 589 Dokumentation
Viele große Stars erfahren auf Arte eine 50- bis 55-minütige Würdigung, die jedoch allenfalls ein Herantasten sein kann, ein erster Vorhang, der sich öffnet, ein Mensch wird sichtbar, doch hinter ihm erkennt man weitere Vorhänge. Ava Gardner war einer der ersten Hollywoodstars, die mich faszinierten. Das lag daran, dass sie in wichtigen MGM-Filmen der frühen 1950er auftrat, und die prägten meinen frühen Zugang zum Medium, weil die ARD damals ein großes Kontingent der einst größten Produktionsfirma in Hollywood gekauft hatte.
Also sah ich „Schnee am Kilimandscharo“, in dem sie die schönste der darin vorkommenden Frauen um Gregory Peck darstellt, „Mogambo“ und „Showboat“. Viel später erst den Film, der sie in den USA bekannt macht, „Rächer der Unterwelt“, einen der essentiellen Films noirs, in denen sie, wie es sich für einen Film noir gehört, die Femme fatale verkörperte. Sie kommt nicht in allen Filmen des Genres vor und manchmal ist sie bösartiger als Kitty Collins, die Rollenfigur von Ava Gardner. Den Namen „Deadly Kitty Collins“ kann ich immer abrufen, aber Ava Gardner hat im realen Leben nie Männer ins Unglück gestürzt, nicht einmal spielerisch, sondern war eher selbst unglücklich. Vielleicht nicht immer mit Frank Sinatra, aber sonst? So stellt es jedenfalls die Dokumentation dar: Ava Gardner als Mensch in einem unerfüllten, getriebenen Leben. Der Originaltitel wurde auf Deutsch recht sinnvoll verändert, weil die hiesige Sprachverwendung die direkte Übersetzung nicht mehr zulässt, u. a. der kulturellen Aneignung wegen. Also wird sie in Spanien verortet, das merkt man schon am Titel und in der Tat: Sie spielte in ihrer letzten ganz großen Rolle 1954 „Die barfüßige Gräfin“, eine spanische Tänzerin und Sängerin, die nach Hollywood geht, dort berühmt wird und alles endet tragisch. Am Grab wird Humphrey Bogart um sie trauern und wenn er das tut, hat das eine größere Bedeutung als bei irgendeinem anderen Star.
Die Probleme des relativ kurzen Formats zeigen sich immer wieder. Auf Spanien wird recht ausführlich eingegangen, mit der Anfangsfrage: Wie kann ein Mensch, der so frei sein will, sich in der übelsten Diktatur der Nachkriegszeit in Europa niederlassen? Ich glaube, man kann ein Land auch lieben, wenn es unfrei ist, vor allem, wenn man selbst außergewöhnliche Freiheiten genießt, die für „Normalbürger:innen“ dort undenkbar sind. Wenn man ein hochgradig privilegiertes Leben in der Oberschicht der Diktatur führt. Doch ist dies das Glück? Offensichtlich nicht oder nicht ganz, denn Gardners Einsamkeit und ihre massiven Alkoholprobleme werden im Film nicht nur nicht verschwiegen, sondern herausgestellt, während der Artikel in der deutschen Wikipedia über sie kein Wort darüber enthält. Der diesbezüglich geradezu prophetische Film dazu, „Showboat“, wird in der Dokumentation hingegen verschwiegen, obwohl sie dort als gestrandete, an einer unglücklichen Liebe gescheiterte halb-afroamerikanische Sängerin so gezeigt wird, wie sie wenig später wirklich war. Als Opfer einer Sucht. Natürlich immer noch auf ihre Weise schön, das verstand sich bei MGM von selbst.
Ein Vaterkomplex wird angedeutet, das unbehaust sein nach dessen frühem Tod und wie man dieses Mädchen, das offenbar eine Art Tomboy war, für Hollywood auf weiblich und verführerisch konfektioniert hat. So wie damals alle Stars, aber kein anderes Studio hat so perfekt ein künstliches Image für seine Stars aufgebaut wie MGM, das Menschen geradezu gemacht hat. Davon wusste ich nichts, als ich die prächtigen Farbfilme erstmals anschaute, die von dort kamen, wusste nichts von den Schicksalen von Judy Garland oder eben Ava Gardner. Auch männliche Stars litten unter dem System und in den 1950ern kam der Durchbruch, der es erschütterte, denn einige Superstars konnten es sich leisten, ihre Filme selbst zu produzieren. In den Status kam Ava Gardner nie, sie war keine Unternehmerin in eigener Sache und hatte kein politisches Mindset, das ihr die Themen für anspruchsvolleres Kino hätte zuspielen können, wie es im Verlauf der 1950er häufiger zu sehen war als zuvor.
Noch einmal hatte sie 1957 eine wichtige Rolle in Ernest Hemingways „The Sun also Rises“, darin sieht sie immer noch verführerisch aus, spielte dann in einem der ersten Endzeitdramen, „On the Beach“ und später keine tragenden Rollen mehr, wenn man Ensemble-Filmen wie „Earthquake“ absieht, der 1974 entstand und in dem sie es noch einmal bis zur Rolle als Frau von Hauptdarsteller Charlton Heston brachte. Die Dokumentation hat etwas Melancholisches und stellt Gardner nicht immer im besten Licht dar, die Abwesenheit eines tieferen Sinns in ihrem Leben ist hingegen stets zu spüren. Aber sie war für ein paar Jahre einer der größten Stars der Traumfabrik und zählt zu jenen Frauen, denen zugeschrieben wird, zu den schönsten ihrer Zeit gehört zu haben. Sie stand dabei vor allem in Konkurrenz mit Hedy Lamarr, die fürs selbe Studio arbeitete und mit Gene Tierney. Alles dunkelhaarige Frauen, die berühmt wurden, bevor die Blondinenwelle Hollywood überrollte oder Hollywood die Blondinenwelle inszenierte, wie man es nimmt, eine mit Gardner zeitgenössische Blondine war bereits Lana Turner, ebenfalls bei MGM unter Vertrag.
Inhalt (1)
1953. Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere wagte Ava Gardner das Unfassbare: Sie kehrte Hollywood den Rücken und ging nach Spanien – damals noch die von Franco mit eiserner Hand geführte Diktatur. Warum zog sich eine der begehrtesten Filmdiven fünfzehn Jahre lang von der Außenwelt zurück? Die Dokumentation erinnert an die spanischen Jahre der Femme Fatale Gardner.
Regie : Sergio G. Mondelo
Land : Frankreich
Jahr : 2016
Herkunft : ARTE F