Barbarella (FR / IT 1968) #Filmfest 666

Filmfest 666 Cinema

Barbarella ist ein Science-Fiction-Film des französischen Regisseurs Roger Vadim aus dem Jahr 1968, der durch seine Ausstattung und die von dem Designer Paco Rabanne inspirierten Kostüme wegweisend für die Pop-Art-Ära in der Filmbranche wurde. Er wurde parallel in englischer und französischer Sprache gedreht und war speziell in Großbritannien sehr erfolgreich, wo er die zweithöchsten Einnahmen des Filmjahrs 1968 erzielte. Vorlage waren die gleichnamigen Comics des französischen Zeichners Jean-Claude Forest, die ab 1962 in dem französischen V-Magazine und später auch in Buchform erschienen.

Der Film von Regisseur Roger Vadim, der schon Brigitte Bardot berühmt gemacht hatte, zeigt Jane Fonda als Weltraum-Barbie, aber es ist es mehr ein SF oder mehr ein früher Sexfilm?

Ein richtiger Sexfilm ist er natürlich nicht, dafür sind die Szenen doch zu harmlos – allerdings mit der Einschränkung, dass die ursprüngliche europäische Version des Films weitaus mehr Nacktszenen beinhaltet haben muss als die „internationale“, also fürs amerikanische Publikum zurechtgeschnittene Fassung, die ich auf ARTE gesehen habe. Unter diesen Voraussetzungen erfolgt also die –> Rezension.

Handlung (1)

Im Jahr 40.000 erhält die Astronautin Barbarella vom Erdpräsidenten den Auftrag, den vermissten Wissenschaftler Durand-Durand zu finden und ihn an der Entwicklung einer Waffe zu hindern, die den jahrhundertelangen galaktischen Frieden bedrohen könnte. Streng genommen ist ihr Beruf nicht Astronautin, sondern Astronavigatrice und der Gruß vom Erdpräsidenten an sie und retour ist: „Sieg der Liebe“ (Englisch: Love). Auf dem Weg zu dem Planeten, auf dem Durand-Durands Raumschiff abgestürzt ist, geraten Barbarella und ihr Raumschiff ebenfalls in einen „elektrischen Strudel“ in der Atmosphäre des Planeten. Barbarella und ihr Raumschiff stürzen ab.

Nach der Bruchlandung wird sie von kindartigen Wesen gefesselt und von deren Puppen angegriffen, die sie mit ihren messerscharfen Zähnen um ein Haar verspeisen. Gerettet wird sie in letzter Sekunde von einem stark behaarten Unbekannten, der ihr die Vorzüge des körperlichen Sexes offenbart – sie kannte bisher nur den durch sogenannte „Verzückungsübertragungspillen“ simulierten Geschlechtsverkehr. Der Mann und seine Crew, bestehend aus zwei Robotern, bringen Barbarella mit einem Fahrzeug zu ihrem beschädigten Raumschiff zurück. Dort angekommen beginnt der Unbekannte mit den Reparaturen. Als das Raumschiff endlich wieder flugtüchtig ist, fliegt Barbarella davon; ein Teil wurde wohl nicht richtig geflickt und so stürzt Barbarella erneut ab.

Auf der Suche nach Hilfe trifft sie auf den blinden Pygar, nach eigenem Bekunden letzter der Ornithanthropen, der sie zu einem Labyrinth bringt, wohin „Der große Tyrann“, der Herrscher des Planeten, all jene verbannt, die seinem Regime gegenüber nicht absolut loyal sind. Zudem werden in Sogo, der Hauptstadt des Planeten, nur sehr bösartige Wesen toleriert. Pygar, der in der Stadt gequält wurde, traut sich nicht mehr zu fliegen. Barbarella verliebt sich in ihn und nach langem Sex ist Pygar wieder flugbereit. Ein Bekannter von Pygar, ein etwas schusseliger Professor, hilft Barbarella, ihr Raumschiff zu reparieren, während sie und Pygar zu der Stadt des „großen Tyrannen“ fliegen. Auf dem Weg dorthin treffen sie allerdings auf Raumschiffe, die das Feuer auf Barbarella und ihren Freund eröffnen. Doch mit Barbarellas Laserwaffen können alle zerstört werden.

Als sie in der Stadt ankommen, entdeckt Barbarella den „großen Tyrannen“, bei dem es sich um eine brünette Frau handelt. Sie möchte Barbarella zum lesbischen Sex animieren. Als Barbarella sich weigert, lässt „Der große Tyrann“ sie und Pygar einsperren. Barbarella gelingt jedoch mit Hilfe der Rebellen die Flucht. Sie findet heraus, dass Durand-Durand mit der sogenannten „Lustorgel“ eine Waffe erschaffen hat, die ein Opfer durch ein Übermaß an sexueller Lust tötet. Auch Barbarella wird der Wirkung des Geräts ausgesetzt, sie überlebt jedoch, wobei das Gerät zerstört wird.

Nachdem Barbarella mit der Schwarzen Königin in der „Kammer der Träume“ eingeschlossen wurde, lässt sich Durand-Durand zum neuen Souverän krönen. Die Aufständischen nutzen diese Gelegenheit und können die Roboter und Raumschiffe des „großen Tyrannen“ vernichten.

Um sich zu schützen, setzt Durand-Durand seine mächtigste Waffe ein – eine riesige „Positronen“-Strahlenkanone, mit deren Hilfe er die Rebellen in die vierte Dimension versetzt. Die Schwarze Königin setzt daraufhin den Mathmos frei, eine Art Anti-Gaia, der die Stadt und mit ihr Durand-Durand und seine Strahlenkanone zerstört. Pygar, „Der große Tyrann“ und Barbarella sind am Ende die einzigen Überlebenden, sie fliegen zu Barbarellas Raumschiff zurück, das dank dem Professor nun wieder funktioniert. 

Rezension

In der Karriere von Jane Fondas stellt „Barbarella“ eine Ausnahme dar. Sie war 1968 nicht mehr bloß als Henry Fondas Tochter bekannt, wie die Wikipedia behauptet, sondern hatte schon drei Jahre vorher mit „Cat Ballou“ einen großen Western-Erfolg, in dem sich übrigens andeutet, dass sie das Zeug hat, sich von der Heiligen zur Hure zu wandeln. Sicher ist der Film offensiv in sexueller Hinsicht, gerade wieder im Kontext heutiger alltagskultureller Tendenzen. Das war er auch für die Mainstream-Verhältnisse von 1968, aber er kam auch genau zu dem Zeitpunkt, als die sexuelle Befreiung auf dem Höhepunkt angelangt war, reflektiert sie ebenso wie die Hippie-Kultur, die ohne diese Befreiung nicht denkbar gewesen wäre, und es ist kein Zufall, dass nur ein Jahr später Jane Fondas Bruder Peter in „Easy Rider“ auftrat. Die liberale Haltung der Fonda-Familie ist bekannt und das Mitwirken in signifikanten Filmen in dieser Ära des Wandels und der Geburt von New Hollywood resultiert auch aus dieser Haltung.

Aber ist der Film denn gut oder schlecht? Die IMD-Nutzer geben ihm lediglich 5,9/10, das liegt nah am Trash.

Wenn man den Trashfaktor als Grundlage dafür nimmt, einem Film besonders wenige Punkte zu geben, dann müsste die Wertung noch einmal wesentlich niedriger ausfallen. Aber dann müsste man auch die frühen Filme der Monty Pythons und ähnliche sehr originelle Werke so abwerten, und denen steht „Barbarella“ erheblich näher als man auf den ersten Blick vermuten möchte. Der Film ist so absurd, dass man ihn nicht skalieren kann, weil er kaum kategorisierbar ist. Entweder man mag so etwas, oder man findet es gruselig. Wenn man einen gesunden Humor hat, der ein bisschen in Richtung „britisch“ tendiert, darf man ihn aber kultig finden. Nicht umsonst war der Film gerade in Großbritannien erfolgreich. Sicher nervt er manchmal, weil einige Ideen doch zu sehr ausgespielt werden, und die Farbgebung schwankt zwischen psychedelisch, Light in Pink und Gefahr der Augenentzündung, Letzteres unter anderem bei der Innenraumgestaltung von Barbarellas Raumschiff. Aber der Film ist auch sehr innovativ, nicht nur wegen des Strips in der Schwerelosigkeit, und ein Trendsetter.

Absurde Komödien, wie sie in den 1970ern vermehrt aufkamen, Werke von Woody Allen, Mel Brooks, den erwähnten Monty Pythons und ähnlichen Kalibern haben alle etwas von Barbarella, wohingegen mir kaum ein Film einfällt, der vorher schon optisch so gestaltet und so konsequent auf farbenprächtig gaga gemacht worden wäre. Mit den frühen Slapstick-Komödien, die auch ihre absurden Elemente hatten, ist er nicht zu vergleichen, nicht einmal mit den geschätzten Marx Brothers, obwohl auch deren Werke für ihre Zeit nicht selten etwas anzüglich wirkten.

Der Unterschied liegt in der Hemmungslosigkeit, mit der „Barbarlla“ sich über mehrere Konventionen gleichermaßen hinwegsetzt, das tun selbst avantgardistische Filme meist nur in einer Richtung, formal-inhaltlich, philosophisch-ideologisch usw. Aber das Kino ist durch ihn nicht barbarellisiert worden und das wäre auch keine gute Entwicklung geewesen.

Aber Barbarella ist nun kein avantgardistischer Film?

„Avantgarde“ impliziert prinzipiell, dass man seiner Zeit voraus ist und irgendwann die anderen nachziehen, und in der Tat sind spätere Filme, besonders, wenn sie nach Comics gedreht wurden, ein wenig in diese Richtung gegangen. Aber die schlechte heutige Bewertung der Nutzer, die ich oben erwähnt hatte, reflektiert auch, dass dieses Werk eben nicht als stilbildend angesehen wird und dass mit ihm keine ikonische Nachfolgerin von Brigitte Bardot installiert wurde. Jane Fonda ist in der Folge kein Sexsymbol geworden, sondern hat sozusagen normales Kino gemacht und gehört mit zwei Hauptrollen-Oscars zu den höchstdekorierten Hollywood-Schauspielerinnen. Allerdings ist sie für viele der vielen Konservativen in den USA auch eine Reizfigur, weil sie politisch immer klar Stellung bezogen hat, und das kostet nach meiner Ansicht alle Filme, in denen sie mitgewirkt hat, einige Promille bei der Nutzerbewertung. Die echten Kinobuffs, die sich u. a. In der IMDb treffen, zu der ich auch eine Nutzerzugang habe, sind schon etwas liberaler und gebildeter als der Durchschnitt, aber an Jane Fonda erhitzten sich einst die Gemüter wohl mehr, als wir das in Deutschland wahrgenommen haben, und das spiegelt sich in einer vergleichsweise hohen General-Ablehnungsquote ihrer Person und damit auch ihrer Filme.

Wenn wir bei der IMDb-Nutzerwertung bleiben, die gegenwärtig auf etwa 25.000 Stimmen basiert, stellte man überdies fest, ein Frauenfilm ist „Barbaralla“ nicht. Frauen voten im Schnitt sogar etwas schlechter als Männer. Er wird offensichtlich nicht als Dokument der sexuellen Befreiung aufgefasst, sondern eher als Beitrag zur seit den 1970ern beklagten Vermarktung der Frau als sexuelles Objekt. Ich glaube, für beides kann er nicht so richtig herhalten, dafür ist er zu schräg und selbstironisch.

Fakten zu Film

  • Dildanos Passwort, „Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch“, ist der Name eines echten Dorfes in Wales und der längste Name eines Ortes in Großbritannien.

  • Als ich hörte, dass der verschwundene Wissenschaftler Durand-Durand heißt (was auf den französischen Ursprung von „Barbarella“, die Comicserie von Jean-Claude Forest hindeutet), dachte ich sofort an die Band Duran Duran. Sie ist wirklich nach dem Film benannt.

  • Die Comicfigur von Jean-Claude Forest wiederum basierte auf Brigitte Bardot, der Frau von Regisseur Roger Vadim vor seiner Verbindung mit Jane Fonda.

  • Dass „Barbarella“ Bestandteil der Popkultur ist und schon daher eine bessere als die oben erwähnte Bewertung verdient hat, zeigt sich auch in seiner vielfältigen Zitierung, meist in anderen Filmen, sogar ein Musical „Barbarella“ gibt es seit 2004, das in Wien uraufgeführt wurde.

  • Die vorgebliche Schwerelosigkeit während der Eingangsszene wurde erreicht, in dem man Jane Fond auf ein großes Stück Plexiglas legte und von oben filmte, dabei immer einen Teil ihres Raumschiff-Settings im Bild behielt.

Finale

Sicher ist „Barbarella“ kein Film, den man sich immer wieder anschauen kann, um einen emotionalen, moralischen oder künstlerischen Mehrwert zu extrahieren, aber er gehört zum Summer of Love und zu dieser heute so fern wirkenden Zeit, in welcher die Erde ein freier Platz war, der heute zum Sehnsuchtsort geworden ist, obwohl wir wissen, dass es gerade den Vietnamkrieg gab und dass die Hippies eine kleine Minderheit waren. „Barbarella“ hat sich in der Meinung heutiger Filmbewerter auch nicht zum Kult entwickelt, aber mein Urteil ist deutlich besser als die erwähnten 5,9/10, allein aus Gründen der Originalität, die der Film reichlich versprüht.

74/100

Anmerkung anlässlich der Veröffentlichung: In unseren Entwürfen war der Film mit dem Produktionsland USA ausgezeichnet. Obwohl Frankreich und Italien als Filmländer noch gar nicht an der Reihe sind, veröffentlichen wir den Text jetzt trotzdem. Die Filmfest-Nummer ist einfach zu passend. Wir hätten ihn auch um 6 Uhr 66 veröffentlicht, wenn das möglich gewesen wäre. Niemand hätte uns jedoch diese frühe Tageszeit abgekauft.

© 2021 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2016)

Regie Roger Vadim
Drehbuch Roger Vadim
Terry Southern
Vittorio Bonicelli
Produktion Dino De Laurentiis
Musik Bob Crewe
Charles Fox
Kamera Claude Renoir
Schnitt Victoria Mercanton
Besetzung

 

 

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