Alibi für Amelie – Tatort 516 #Crimetime 1092 #Tatort #Saarbrücken #Palü #Deininger #SR #Alibi #Amelie

Crimetime 1092 – Titelfoto SR

Gute und böse Gasflammen

Alibi für Amelie ist der Titel der insgesamt 14. Tatort-Folge mit Kriminalhauptkommissar Max Palu (Jochen Senf). Die 516. Tatort-Folge wurde am 24. November 2002 im Ersten erstmals ausgestrahlt. Es geht um den Tod zweier High-Tech-Forscher und den Unfalltod eines Palu bekannten Künstlers.

Die Menschen in diesem Tatort sind so böse, dass wir paralysiert genug waren, um am Ende zu glauben, dass Palüs Flamme ihm das Kochrezept klaut, um den Wettbewerb zu gewinnen, ähnlich, wie sich die Wissenschaftler gegenseitig ihre Erfindungen abjagen. Aber wenigstens eine funktionierende Beziehung gibt’s dann doch, in einem Krimi, in dem alles sich gegenseitig hintergehen und betrügen. Wir kennen eine ähnliche Konstruktion von einem Berlin-Tatort, und der spielt auch im Milieu der Hochtechnologie. Wo Wissenschaft im wirtschaftsnahen Bereich, da Gier und harte Konkurrenz, die möglicherweise tödlich ist.

Handlung (1)

Palu bereitet sich fieberhaft auf einen Kochwettbewerb vor. Derweil kommt es vor einer High-Tech-Firma zu einem Streit, als der für einen vielversprechenden neuen Werkstoff hauptverantwortliche Leiter der Entwicklungsabteilung, Dr. Fabian Kurz, seinem Chef Prof. Dichgans eröffnet, dass er morgen die Firma verlassen werde, um seine Karriere in den USA fortzusetzen. Ein weiterer begabter Mitarbeiter, Retzlaff, beobachtet dies und wird wenig später von Kurz angerufen, dass er ihn nicht in die USA mitnehmen werde, weil er dort ein neues Team aufbauen wolle. Am nächsten Morgen wird Kurz aus nächster Nähe beim Joggen von einem ihm bekannten Mann erschossen. Palu und Deininger nehmen die Ermittlungen auf. Frau Kurz nimmt die Nachricht gelassen auf. In der Firma von Dichgans findet unterdessen eine Präsentation des neuen Stoffes statt, allerdings misslingt die Vorführung. Palu taucht dort auf und informiert die Anwesenden von Kurz‘ Ermordung. Dichgans verschweigt Palu, dass Kurz gehen wollte und den Streit. Palu spricht mit Retzlaff, der sich allerdings distanziert und arrogant gibt. Palu wird auch Zeuge, wie Retzlaff seinen Mitarbeiter Christian Keitel abkanzelt. In diesem erkennt Palu den Sohn eines seiner besten Freunde und befragt ihn.

Palu erfährt währenddessen, dass auf Korsika der mit ihm befreundete Maler und Bildhauer Cornelius Faber tödlich verunglückt sei, auf dessen Vernissage er am nächsten Tag gehen wollte. Als Palu und Deininger nochmals Frau Kurz aufsuchen, taucht eine junge Frau namens Kathrin Lehmann bei ihr auf, die sich als Geliebte von ihm vorstellt. Frau Kurz beschimpft Frau Lehmann, worauf diese weinend das Haus verlässt. Palu und Deininger gegenüber äußert sie den Verdacht, dass Frau Kurz ihren Mann umgebracht hätte. Palu und Deininger suchen das Kosmetikstudio auf, bei dem Amelie Kurz Kundin ist und überprüfen ihren angeblichen Termin zur Tatzeit dort. Die dort arbeitende Frau Guntrum, eine gute Freundin von Frau Kurz, hat den Termin gefälscht, um ein Alibi für Amelie Kurz zu konstruieren, die Polizisten durchschauen das. Daraufhin gibt Frau Guntrum an, dass Amelie Kurz eine Affäre hätte und sie diese Affäre deckt. Palu sucht Eliane Faber, die Frau des tödlich verunglückten Cornelius Faber auf, mit der er ebenfalls befreundet ist. Er bringt ihr den Tod ihres Mannes schonend bei. Sie ist bestürzt, will aber die Vernissage mit seinen Werken trotzdem durchführen. Sie verrät Palu, dass sie finanziell in Schwierigkeiten und deshalb darauf angewiesen sei, mindestens zehn seiner Werke zu verkaufen. Christian Keitel sucht Retzlaff auf und fragt ihn, ob er in seinem Team arbeiten könnte. Retzlaff weist sein Ansinnen brüsk zurück. (…)

Rezension

Ein Wissenschaftler wird beim Joggen ermordet, also versucht Max Palü etwas schneller zu sein und fährt Fahrrad, wobei der Lenker etwas wackelt, stößt dabei auf Konkurrenzneid, Gier, Untreue und Eifersucht und während die Ermittlungen durch Befragung und quasi ohne Kriminaltechnik vorangehen, kommt es zu weiteren dramatischen Ereignissen..

Die Menschen in diesem Tatort sind so böse, dass wir paralysiert genug waren, um am Ende zu glauben, dass Palüs Flamme ihm das Kochrezept klaut, um den Wettbewerb zu gewinnen, ähnlich, wie sich die Wissenschaftler gegenseitig ihre Erfindungen abjagen. Aber wenigstens eine funktionierende Beziehung gibt’s dann doch, in einem Krimi, in dem alles sich gegenseitig hintergehen und betrügen. Wir kennen eine ähnliche Konstruktion von einem Berlin-Tatort, und der spielt auch im Milieu der Hochtechnologie. Wo Wissenschaft im wirtschaftsnahen Bereich, da Gier und harte Konkurrenz, die möglicherweise tödlich ist.

Es gab tatsächlich im Saarland den Versuch, ein kleines Silicon Valley aufzubauen, dazu gehörten neben verschiedenen EU-geförderten Gründerzentren auch das Deutsche Institut für Künstliche Intelligenz an der Universität des Saarlandes, das hier als (zumindest äußere) Kulisse für die Firma herhält, die hitzeresistente Werkstoffe entwickelt. Wie weit nach vielen Krisen noch Hochtechnologie am Standort Saar gemacht wird, wissen wir nicht, bis zu uns dringt wenig davon durch.

Dafür wissen wir sicher, dass das Drehbuch von Felix Huby stammt, der die Figur Ernst Bienzle erfunden hat und auch die meisten von dessen Tatorten schrieb. Das bedeutet, wir haben es mit einem Whodunit zu tun, der nach allen Regeln der Kunst konstruiert ist. Ja, so stellen wir’s uns vor. Nicht wie bei einem genialen Wissenschaftler, der ruft: „Heureka!“, sondern wie bei jemandem, der unzählige Handlungselemente aus vielen Jahren gesammelt hat und sie immer wieder neu kombiniert, wobei eine gewisse Steigerung darin besteht, die Zahl der Elemente immer wieder mal zu erhöhen. Wir sind zwar ganz gut mitgekommen, fanden den Fall aber trotzdem überladen. Dadurch waren die Möglichkeiten eingeschränkt, die Figuren lebendig werden zu lassen – Ausnahme natürlich Max Palü, der jetzt mit Erdgas kocht. Für uns in Berlin ist das ein alter Hut, obwohl es hier Stadtgas ist. 

Der Titel ist nett gedichtet und hat auch einen nachvollziehbaren Bezug zum Inhalt und der Name von Frau Kurz ist wohl dem im Jahr zuvor in die Kinos gekommenen Film „Die fabelhafte Welt der Amelie“ zu verdanken. Er passt nicht so richtig zu dieser blonden Person, das könnte aber auch Ironie gewesen sein. Aber es ist ein französischer Film und es passt im Saarland allemal, dass man sich auf einen solchen bezieht.

Palü, das waren diese ferne Tatortzeit, in der man noch die schönen Seiten des Saarlandes auf den Bildschirm brachte und in der das Essen eine wichtige Rolle spielt. Also, Leute, die keinen Bezug zur haute cuisine haben, gibt es überall, aber im Südwesten, nicht nur im Saarland, ist schon mehr savoir vivre angesagt als in Preußisch-Berlin. Obwohl Berlin angeblich überwiegend von Zugezogenen bewohnt wird, darunter viele aus dem Südwesten, findet eine Infiltration statt. Weißwein statt Weiße.

Der Name des Sternekochs, der am Schluss auftritt, sagte uns nichts, aber wir haben Vincent Klink mittlerweile gegoogelt. Es gibt im kleinen Saarland tatsächlich zwei Dreisterne-Restaurants, in Berlin weiterhin keines. Insofern ist Palü zwar eine ausgeprägte, aber nicht untypische Figur. Und wohl der einzige Tatort-Ermittler, der sich nicht hauptsächlich an der Würstchenbude ernährt. Insofern war sein Abgang 2007 ein Kulturverlust.

Liegt auch gutes Essen schwer im Magen, wenn es mitten in einem so gedrängten Plot wie dem von „Amelie“ runtergewürgt werden muss? Selbst dann ist gutes Essen immer noch besser als schlechtes.

Optimal wär’s aber gewesen, wenn Felix Huby weniger hätte beweisen wollen, dass er aus konventionellen Elementen immer noch mehr rausholen kann, sondern mehr Wert auf die Augestaltung der Figuren gelegt hätte.

So bleibt die für saarländische Verhältnisse hochkarätige Besetzung leicht unterfordert, selbst dann wenn sie, wie Rufus Beck, einen exzentrischen Wissenschaftler spielen darf. Die Figuren häufiger Tatortgäste wie Arndt Klawitter wirken ein wenig dünn gepinselt, dafür wird Udo Schenks Charakter dieses Mal nicht als der Böse, wohl aber als unfähig inzeniert.

Eindeutig zu viel fanden wir die Sache mit dem Künstler, der auf Korsika verunglückt und dann lebendig wieder auftaucht, um den Wissenschaftler Kurz mal eben kurz beim Laufen an der Saar entlang zu ermorden. Man sollte sich merken, immer wenn Leute im Ausland einfach so verschwinden, auch wenn es zunächst überhaupt keine Relevanz für die Geschichte zu haben scheint oder gerade dann – dann kehren sie zurück und tun schreckliche Dinge.

Im Grunde ist die Figurenanlage klasse – wie in dem Institut hin- und herintrigiert wird, das hätte man eben noch etwas ausführlicher darstellen können, die Idee dahinter haben wir aber verstanden: Wo Forschung Geld bedeutet, da gibt es keine Freundschaften. Frauen hingegen können Freundschaft, können auch lesbische Liebe und sogar Frau Braun kann Intrige. Das hat uns fast vom Hocker gehauen, wie sie Deininger instruieren wollte, hintenrum Palü anzuschwärzen, wegen lässiger Dienstauffassung.

Hätte Deininger sich von der Guten mal so richtig ausbilden lassen, dann wäre ihm später die Sache mit Kappl nicht passiert, der ihm vor die Nase gesetzt wurde. Aber wer Deininger in diesem Film von 2002 sieht und wie er ein wenig hilflos chargiert, der kann ihn sich beim besten Willen auch nicht als Leitenden Ermittler vorstellen.

Jochen Senf als Palü hingegen wirkt souverän. Druckvoll, knorrig, lediglich, wenn er Seit an Seit mit einem Verdächtigen auf dem Fahrrad und viel zu langsam hinter einem Kamerawagen herfahren muss, kommt er etwas ins Trudeln. Befragungen von Drahtesel zu Drahtesel wirken linkisch, das hat man hoffentlich anhand dieser Szene erkannt.

Finale

Die fiesen Figuren machen diesen Tatort unterhaltsam, die Handlung hat uns weniger überzeugt. Das Ambiente stimmt aber in diesem nunmehr 12 Jahre alten Saarland-Tatort noch, wohingegen die heutigen Filme den Eindruck erwecken, wir befinden uns in der DDR kurz nach der Wende, verlassene und abrissreife Bauten überall.

Gibt es eine Botschaft? Natürlich: Menschen werden zu Schweinen, wenn Geld lockt, und wer wollte ernsthaft bestreiten, dass da etwas Wahres dran ist. Die Botschaft ist nicht neu oder originell, aber sie ist wahr, und das macht es immer wieder interessant, einen Krimi anzuschauen, der sie transportiert.

Wir fanden „Alibi für Amelie“ unterhaltsam und die Figuren trotz ihrer zu knappen Spielzeit interessant, Jochen Senf hat das Maximale aus seiner Palü-Figur herausgeholt und bewiesen, dass man auch als physisch weniger hervorstechender Polizist Aussagen von Verdächtigen bekommen kann und außerdem der einzige ist, der eine echt nette Frau abbekommt.

7/10

© 2022 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2014)

(1), kursiv, tabellarisch: Wikipedia

Regie Hans-Christoph Blumenberg
Drehbuch Felix Huby
Produktion Martin Buchhorn,
Joachim Schöneberger
Musik Frank Nimsgern
Kamera Achim Hasse
Schnitt Florentine Bruck
Erstausstrahlung 24. November 2002 auf Das Erste
Besetzung

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