Filmfest 741 Cinema
Es brennt auf dem Gang
Barton Fink ist ein US-amerikanischer Thriller aus dem Jahr 1991. Er spielt im Jahr 1941 und spielt John Turturro in der Titelrolle als junger New Yorker Dramatiker, der angeheuert wird, um Drehbücher für ein Filmstudio in Hollywood zu schreiben, und John Goodman als Charlie Meadows, den Versicherungsvertreter, der nebenan im heruntergekommenen Hotel Earle wohnt.
„Barton Fink“ war der erste Film der Coen-Brüder, den wir gesehen haben. Inzwischen haben wir über „No Country for Old Men“, „The Big Lebowski“ und den famosen „Fargo“ geschrieben (die Rezensionen sind noch nicht veröffentlicht, wohl aber die von „Miller’s Crossing„, die nach der vorliegenden entstand). Trotzdem hatten wir vor dem Anschauen von „Barton Fink“ im Kopf, der Film sei von David Lynch. Manches in ihm erinnert auch an den Mystiker unter den Hollywood-Forschern. Vor allem natürlich der Bezug auf die Filmstadt selbst, das nicht gelöste Geheimnis des Kartons, den kräftige Charlie Meadows dem schmächtigen Barton Fink übergibt und der möglicherweise den abgeschnittenen Kopf eines Mordopfers enthält. Außerdem gibt es einige Schwarzblenden, die wie Lynch-Zitate wirken und natürlich die exorbitante Bildermacht und die dezidierte Atmosphäre, die daraus entsteht – ein Szenario von großer Hitze, die sich am Ende zu einem flammenden Inferno steigert. Mehr darüber finden Sie in der –> Rezension.
Handlung
Ein junger Bühnenautor feiert seinen ersten Erfolg in New York – und schon ruft Hollywood ihn. Doch in einem alptraumhaften Hotel überfällt ihn eine Schreibblockade, noch bevor er seinen Produzenten und seinen Zimmernachbarn kennenlernt. Die Begegnungen mit dem Chef und dem Mitbewohner ändern daran nichts, aber mit dem kräftigen Nachbarn gibt es einen zunehmenden Austausch. Unser Autor lernt einen einst gefeierten, aber ausgebrannten Kollegen kennen und verliebt sich in dessen Sekretärin und Geliebte. Diese hilft dem Newbie beim Schreiben und die beiden verbringen eine Nacht miteinander. Doch am Morgen liegt die Frau in einer Blutlache und der Autor hat keine Ahnung, was geschehen ist. Die Polizei kommt und gibt an, der Zimmernachbar sei ein gesuchter Serienmörder. Offenbar stimmt das, denn als dieser von einer kleinen Reise zurückkehrt, erschießt er die beiden Polizisten, die den Fall bearbeiten, kaltblütig, während das Hotel bereits in Flammen steht. Die Idee, der Mann sei ein Mörder, löst beim Drehbuchautor erst die Blockade und er fertigt ein komplettes Skript in einer Nacht. Sein Produzent hält es allerdings für Mist, will den Autor aber nicht aus seinem Vertrag entlassen. Am Ende sitzt der Autor am Meer und trifft dort eine junge Frau, die aufs Meer hinausblickt – so wie eine Frau es auf einem kleinen Bild tut, das in dem Hotelzimmer hing, in dem er untergebracht war.
Rezension
Allerdings ist auch der satirische Ansatz spürbar, der die Coen-Filme generell auszeichnet und den man am besten an den Figuren der Filmstadt festmachen kann. Der macht- und filmbesessene Produzent, der an David O. Selznick erinnert, den wohl extravagantesten unter den vielen Studiobossen von Tinseltown, dessen leidender Adlatus, der ausführende Produzent als nervöser Typ zwischen Baum und Borke und der Schriftsteller, den Hollywood ausgesaugt hat. Charlie Meadows, der Zimmernachbar, ist ohnehin ein Sonderfall. Selbst unser Bühnenautor ist keine einfache Person, sondern ein jüdischer Ostküsten-Intellektueller, in dessen Suche nach dem Plot und seinem Auftreten auf einer Party auch eine Arroganz sichtbar wird, die auf anderer Ebene liegt als die Arroganz der Macht, die der Studioboss ausstrahlt.
Nur die Frauen sind positiv dargestellt. Es sind deren zwei. Die hilfreiche Audrey, die kurz darauf ermordet wird und die Strandschönheit, die zunächst eine Projektion darstellt, keine Inspiration – ist sie am Ende real?
Der Film ist im Grunde für, sagen wir, Halb-Insider gemacht. Wer die Geschichte Hollywoods und der großen Studios überhaupt nicht kennt, hat wenig von den vielen Anspielungen, die der Film enthält. Sie sind eben nicht kryptisch, wie bei David Lynch zuweilen, was die Filmstadt selbst angeht, sie werden aber in einen Kontext gestellt, der bewusst Fragen offenlässt. Das Drehbuch ist außergewöhnlich, wird aber reichhaltig erst für jemanden, der den Mythos Hollywood zumindest kennt und weiß, wie die Traumfabrik gestrickt war, als das Studiosystem alles beherrschte: Vor allem Schauspieler, Regisseure und Autoren. Fink wird hier mehr oder weniger als jemand dargestellt, der seine Seele an der Eingangstür zu den „Capitol“-Studios abgegeben hat, deren Führungsstil eine Mischung aus den schlimmsten Hollywood-Tyrannen ihrer Zeit darstellt. Die konservative Autokratie eines Louis Mayer kommt darin ebenso zum Ausdruck wie die pompöse Besessenheit von David O. Selznick. Auch rüde und eher einfach gestrickte Bosse wie die Warner Brothers, aber auch die Columbia-Chefs, die besonders übel mit ihrem Personal umsprangen, klingen an. Die beiden Chefs des Unternehmens hießen „Cohn“ und waren jüdischen Glaubens, wie fast alle Hollywood-Unternehmer. Natürlich war den Coen-Brüdern das bewusst. Die Idee, einen Bühnen-Newcomer für ein B-Movie ein Drehbuch schreiben lassen zu wollen, ist durchaus nicht abwegig für die seltsame Haltung zwischen Bewunderung und Ausbeutungsabsicht, welche die aus sozial benachteiligten Schichten stammenden Hollywood-Mogule ihren intellektuellen Angestellten angedeihen ließen. Allerdings waren die Cohns deutschjüdisch, während der Produzent Lipnick aus Osteuropa zu kommen scheint – was wiederum auf den aus Weißrussland stammenden Louis B. Mayer, den Chef des seinerzeit führenden Studios MGM, hindeutet. Der Name, der Hang zur Grandezza und die Erscheinung wiederum sind am ehesten David O. Selznick zuzuordnen.
Allein das Verhältnis von Barton Fink zu seinem Studio hätte ausgereicht, um einen prallen Film zu organisieren. Aber „Barton Fink“ ist kein Film übers Filme machen, wie sie u. a. in den 1950ern herauskamen, als Hollywood in die Krise kam und begann, über sich selbst nachzudenken. „Barton Fink“ wirkt sehr außensichtig, wie auch Fink in großer Distanz verbleibt. Nicht umsonst mietet er sich in einem riesigen Hotel ein, das wie ein Relikt aus einer unbekannten Glanzzeit wirkt, aber doch wie eine Absteige wirkt, mit engen und billig eingerichteten Zimmern und Tapeten, die sich bei Hitze von den Wänden lösen.
Diese Hitze, die man nie bemerkt, wenn Fink außerhalb des Hotels ist, hat einen stark subjektiven un surrealen Charakter und wird offensichtlich erzeugt von Finks Zimmernachbar Charlie, der sozusagen ein ultraheißer Stoff ist. Und zwar nicht als einfacher Mann, wie ihn sich Fink zu Beginn als Inspirationsquelle zurechtlegen will. Dieses Verhältnis wäre selbst dann spannend, wenn Charlie sich nicht als Mörder herausstellen würde. Denn er ist der einfache Mann, der Versicherungsvertreter, über den Fink schreiben soll und will. Aber kann Fink einfache Menschen wirklich aufnehmen oder ist da immer diese Barriere, die Intellektuelle selbst dann nicht niederreißen können, wenn sie sich einfachen Menschen annähern wollen – sie aber letztlich als Objekte behandeln. Wir meinen, die Coens haben da sehr genau hingeschaut, deswegen wirkt Fink auch so irritierend. Was das New Yorker Publikum und die New Yorker Kritiker so begeistert hat, ist es wirklich echt oder lebt dieses, einfache Menschen betreffend, in einer ganz ähnlichen Vorstellungswelt wie der Autor und empfindet es deshalb als authentisch? Wenn man will, kann man eine Kritik an den Gesellschaftsdramen von Schriftstellern wie Tennessee Williams herauslesen, die sich zuweilen mit einfachen Menschen befassten, wie in „Endstation Sehnsucht“, aber trotzdem Werke schufen, die zu Filmen mit einem eher künstlerischen Ansatz führten. Was einfache Menschen in Bühnenstücken verhandeln, ist eben auch Theater, und nicht das Leben selbst. So in etwa geht Fink an die Sache heran und deswegen ist er vielleicht von den ganz gegensätzlichen Anforderungen, die Hollywood an ihn stellt, überfordert. Er spürt, dass dies nicht seine Welt ist. Er kann nicht einfach einfach, und als er in einer Aufwallung nach der Kenntnis über die wahre Identität seines Zimmernachbarn nach der Schreibblockade in einen Schreibrausch verfällt, produziert er etwas, das vermutlich weit über die Ansprüche und Möglichkeiten von Capitol Pictures hinausgeht.
Die Art, wie Fink schreibt, ist sehr authentisch für Schriftsteller, die sich zu viel Gedanken über einfache Dinge machen, denn er ist ein sehr feinnerviger Typ. Das merkt man schon daran, dass er jedes Geräusch in der Umgebung sehr stark reflektiert, weshalb ihm das Skript letztlich auch nur mit Watte in den Ohren gelingt. Nur das ein- und letztmalige sich Abkapseln macht kreative Arbeit erst möglich. Das ist nicht die Lohnsklaven-Mentalität, mit der man in Hollywood vorankommen kann – eher kann es vorkommen, dass man vom Mutwillen eines Studiochefs vernichtet wird, dessen Enttäuschung über etwas, das nicht genau seiner Idee vom Filmen entspricht, ebenso maßlos ist wie zuvor die Anbiederung mit Füße küssen etc.
Die Idee, dass ein New Yorker Bühnenautor einen „Ringerfilm mit Wallace Beery“ machen soll, ist schon schrullig, weil dieser Üb-Film das Talent eines Schriftstellers kaum ausnutzen kann. Doch Boss Lipnick will es, dass Fink sich mit diesem Stoff erst einmal in die Hollywood-Arbeitsweise einfühlt und ihn nicht gleich mit einem Riesenprojekt betrauen, das ihn möglicherweise verbrennt. Vielleicht ist das nach seiner Ansicht sogar gut gemeint – bewirkt aber genau das, nämlich dass Projekt und Autor nicht harmonieren. Hollywood ist sehr schnelllebig und will immer alles sofort, vor allem Talente, denn die Konkurrenz ist groß. Kein Mensch konnte nach einem einzigen Bühnenstück z. B. wissen, ob Fink als Drehbuchautor funktionieren würde, ja, ob er je wieder etwas Beachtliches hervorbringen würde, aber bevor ein anderes Studio kommen konnte, griff Lipnick zu. Dieses Phagenhafte erinnert übrigens wieder an MGM, das anderen Studios gerne die besten Talente wegschnappte bzw. sie zum „Überlaufen“ animierte, dann aber oft nichts mit ihnen anzufangen wusste (vor allem, seit Produktionsleiter Irving Thalberg, dem der Produzent Geisler ein wenig nachempfunden scheint, 1937 früh verstarb). Hollywood war eine Maschine, die einerseits funktionierte wie kaum eine echte Produktionsmaschine, andererseits einen hohen Verschleißt hatte und unzählige Karrieren verhinderte, zerstörte und menschliche Wracks zurückließ, die Selbstmordrate unter Filmschaffenden war ebenfalls erheblich.
Wir haben ein wenig recherchiert und fanden die Idee mit den Catcher-Filmen witzig, weil sie bewusst haarscharf an der Realität vorbeizielte. Wir kannten bisher nur Boxer-Filme, und darum geht es ja auch. Wallace Beery hatte 1932, in einem sehr hohen Alter für eine solche Figur von 47 Jahren, einen großen Erfolg mit einem Boxerfilm namens „Der Champ“ und war durchaus ein beliebter Schauspieler, der aber zwischenzeitlich auch in B-Filmen arbeiten musste, als seine Popularität eine Baisse erlebte. Dass ein einmaliger Erfolg in Hollywood schnell zum Seriendenken führt, klingt in „Barton Fink“ ebenfalls an. Angespielt wir aber wohl auch auf die heutige Methode, zu einem Thema Fortsetzungen und Fortsetzungen zu drehen, bis eine Figur und ein Thema komplett ausgeschlachtet sind, wobei jeder folgende Film garantiert schlechte ist als der vorherige, oftmals aber erfolgreich genug, um wieder Gewinn einzufahren. Die Coen-Brüder haben bisher nie ein Sequel zu einem ihrer Erfolge gedreht, obwohl das bei Filmen wie „Fargo“ mit seiner herrlichen Hauptfigur der Polizistin Marge nahegelegen und garantiert Geld eingebracht hätte.
Wenn wir zurückkehren zu Charlie, dann finden wir hinter der Fassade des gemütlichen, jovialen und kumpelhaft-verständnisvollen Typs einen Abgrund. Die Idee von Fink, durch ihn den einfachen Mann zu sich sprechen zu lassen, wird persifliert, weil Fink wohl nicht darauf käme, dass sich hinter dem gemütlichen Gesicht ein Serienmörder verbirgt und das wiederum eine Story für einen absoluten Reißer sein kann, weitaus dramatischer und realitätsnäher als die „Ringer-Filme“. Sowohl Hollywood als auch der Autor, der Hollywood nicht kann, gehen durch ihre Denkweisen des eher abstrakten Herangehens an den einfachen Mann bzw. der Genre-Standardisierung mit Plots, die immer sehr ähnlich strukturiert sind, an solchen Stoffen vorbei. Sicher gilt das nicht durchgängig und schon gar nicht mehr für die frühen 1990er, als der Film entstand, aber für die Massenproduktionen, die in der Traumfabrik entstanden.
Finale
„Barton Fink“ hat gewiss etwas Parabelhaftes, funktioniert aber auch als Bilder-Alptraum zwischen Realität und Wahnsinn – so ist er von einigen Kritikern auch interpretiert worden: Dass alles, was in etwa ab dem Mord an Audrey geschieht, der Fantasie von Barton Fink entspringt, die sich in der klaustrophobischen Umgebung und unter dem gegebenen Erfolgsdruck gegen ihn wendet und die Welt in Flammen setzt. Dann wäre das, was wir sehen, ab einem bestimmten Punkt Teil seines aberwitzigen Drehbuchs, das verständlicherweise von einem Regisseure jener frühen 1940er Jahre abgelehnt wird – vorausgesetzt, dass die Szene der Niederlage nicht auch der Fantasie von Fink entspringt.
In der englischsprachigen Wikipedia ist der Film sehr detailliert beschrieben und wir könnten uns vorstellen, aufgrund der vielfältigen Deutungen und Aspekte den Film noch einmal anzuschauen,
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© 2022 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2015)
Kursiv und tabellarisch: Wikipedia
Regie | Joel Coen Ethan Coen |
Drehbuch | Joel Coen Ethan Coen |
Produktion | Ethan Coen |
Musik | Carter Burwell |
Kamera | Roger Deakins |
Schnitt | Joel Coen, Ethan Coen (als „Roderick Jaynes“) |
Besetzung | |
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