Flash – Tatort 1205 #Crimetime Vorschau #München #Batic #Leitmayr #BR #Flash

Crimetime Vorschau – Titelfoto © BR, Hendrik Heiden

Als die beiden Ikonen unter den Tatortpolizisten namens Ivo Batic und Franz Leitmayr ihren Dienst antraten, war gerade der Nachwendeboom im Gange. 31 Jahre ist das her. Sie haben uns begleitet durch die folgende erste gesamtdeutsche Krise, durch die wüsten Schröder-Jahre, durch die gesamte Amtszeit Angela Merkels mit der Banken- und Schuldenkrise, der Coronakrise. Nun wurde wieder eine Zeitenwende ausgerufen, es ist Krieg in Europa. Die beiden sind immer noch da und wir sehen sie in ihrem 89. Fall. Damit sind sie Rekordhalter unter allen Tatort-Teams. Man könnte meinen, für ewig.

Aber die Kölner Ballauf und Schenk sind ihnen relativ dicht auf den Fersen, obwohl sechs Jahre später gestartet (derzeit 82 Fälle). Die höhere Sendefrequenz beim WDR-Klassiker macht den Unterschied, außerdem kann man diskutieren, ob man Ballauf nicht wegen seiner früheren Zeit als Jungkommissar unter dem Leitenden Ermittler Flemming in Düsseldorf ein paar Filme mehr zurechnet. Und den Rekord bei der Dienstzeit hält immer noch Lena Odenthal, die schon 1989 startete. Die jüngeren Filme der Münchener zeigen zumindest gemäß Fundus-Rangliste, dass sie es immer noch können, aber nicht immer. Die Bewertungen für die Filme ab ca. Tatort 1100 sind breit gestreut, von herausragenden 8,26/10 für „Unklare Lage“ bis zu ziemlich schlechten 5,31/10 für „Dreams“. Worum geht es nun in „Flash“? Um einen Drogenflash?

Erinnern und Vergessen – wie funktioniert das eigentlich? Ist es möglich, verloren gegangene Erinnerungen durch spezielle Methoden wieder wachzurufen? Mit diesen für einen Krimi eher ungewöhnlichen Fragen müssen sich die Münchner Kommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) in ihrem neuen Fall auseinandersetzen: Ein verurteilter Mörder ist nach über 30 Jahren rückfällig geworden, und der einzige brauchbare Zeuge, der einen Beitrag zur Aufklärung leisten könnte, ist an Demenz erkrankt. Mithilfe einer speziellen Therapie soll seiner Erinnerung auf die Sprünge geholfen werden. Batic und Leitmayr werden dabei selbst Teil eines kuriosen wissenschaftlichen Experiments.Redaktion Tatort-Fans

Wir hatten kürzlich nach einer recht intensiven Musik-Session, kurz vor dem Schlafengehen, Mühe, uns in der Zeit, mit Namen und Orten zurechtzufinden, als wir den nächsten Tag nochmal am Smartphone checken wollten. Erste Anzeichen? Hoffentlich nicht, das wäre etwas früh. Am nächsten Morgen hatte auch alles wieder funktioniert, wie vor Jahr und Tag. Aber das Thema Demenz würde viel Aufmerksamkeit erhalten, wenn wir nicht von einer aktuellen Krise in die nächste stolpern würden, denn immer mehr Menschen erreichen ein Alter, in dem Demenz eine Rolle spielt. In der Tat, kann man dagegen etwas tun? In der Tat gibt es im Bereich der Medikation einiges, was bei Demenz eingesetzt wird und auch therapeutische Ansätze. Wenn wir den Bericht zum Film schreiben, haben wir dann vermutlich die nicht so spannende Aufgabe, das, was man im Film sieht, mit der Realität zu vergleichen. Und wie kam der Tatort 1205 bei jenen an, die ihn schon gesehen haben?

„Ein Tatort, den man eigentlich erst vom Ende her richtig versteht. Dieses ist tatsächlich ein genialer Kniff der Drehbuchautoren, der an dieser Stelle natürlich nicht verraten werden soll. Leider kann das starke Finale die restlichen etwa 80 Minuten nicht ausgleichen, in denen dieser München-Tatort sich zäh wie Kaugummi in die Länge zieht. Vieles wirkt beziehungslos aneinandergereiht, erst ganz am Ende ergibt alles einen zusammenhängenden Sinn – doch das ist eindeutig zu spät. (…) Als Grundlage für eine sehenswerte Krimihandlung taugt das Thema Demenz – so wie es hier dargestellt wird – jedenfalls nicht. Zu ermüdend ist es, den Kommissaren bei ihren zahlreichen Versuchen zuzusehen, dem Gedächtnis des greisen Dr. Prinz auf die Sprünge zu helfen – ungeachtet des starken Spiels von Peter Franke. Für diesen (…) Tatort, der wenig Spannung, aber viel Langeweile entfaltet, gehen diesmal nur zwei Sterne an die Isar.“ – Redaktion Tatort-Fans, a. a. O.

Der Begriff „mühsam“, den wir im Zitat weggelassen haben, trifft es wohl ganz gut: Das Leben von Menschen mit Demenz und jenen, die mit ihnen arbeiten müssen oder das ihrer Verwandten ist von einer gewissen Mühsamkeit geprägt, auch wenn es immer wieder Momente geben mag, die sogar sehr witzig sein können. In meiner Familie fällt mir nur eine Person ein, die dement war, bevor sie verstarb, es handelt sich um eine Großtante meinerseits. Ich mochte sie sehr, weil sie über viele Jahre dieses wache, vergleichsweise moderne und verständige Gepräge hatte, das die Familienmitglieder mütterlicherseits schon in der Kriegsgeneration auszeichnete. Doch zum Ende hin war das Spannendste an den Besuchen bei ihr nicht mehr, was wir einander zu erzählen hatten und Meinungen auszutauschen, sondern, ob sie uns zuordnen konnte.

Der Einstieg in die Meinungen der Kritiker:innen kündet also von einem Tatort, der sich offenbar dem Thema angepasst hat. Was sagen die anderen?

„Fazit: Ganz anderes Storytelling – der Twist kommt erst am SchlussWAS sie wissen und um was es wirklich geht, das erfährt man eigentlich erst am Schluss. Ich bin mir nicht sicher, wie viele so lange durchhalten. Ich fand diese völlig andere Art des Storytelling gut. Aber bis auf den krassen und cool gemachten Schock-Anfang, bei dem in schwarz-weiß-sepia-Effekt in die Vergangenheit zurückgeblickt wird, gibt’s keine wirklichen Spannungsmomente. Es ist eben ein Psycho-Experiment, das aber ehrlich mit dem Thema Demenz umgeht. Das wird für einige zu zäh sein, von mir gibt’s aber, allein für den Mut, 3 von 5 Elchen.“ – SWR3-Tatortcheck, Simone Sarnow

Es geht also bewertungsmäßig schon aufwärts, obwohl auch beim SWR-Check durchklingt, dass das Ganze eine Angelegenheit ist, die man erst einmal durchhalten muss, um zum Aha-Erlebnis zu gelangen. Ist es auch einer von jenen nur zwei Experimental-Tatorten, die sich die ARD pro Jahr zu fertigen trauen möchte, nachdem viele Zuschauer generell das zu Abgefahrene zu vieler Filme der Reihe kritisiert hatten? Was ist experimentell, was wird davon mit der Zeit zum Standard? Der Realismus der Polizeiarbeit ist es sicher nicht, der in den letzten Jahren verstärkt die Reihe geprägt hat. Der nüchterne Stil der ersten Jahre ist heute noch angenehm anzuschauen. Das bedeutet nicht, dass man ihm nachtrauern muss.

„Leitmayr träumt von Led Zeppelin Auf der Suche nach der besseren Zeit: Ein Kommissar schwelgt in Hardrock-Fantasien, ein dementer Professor soll sich an einen Triebtäter erinnern. Der München-»Tatort« als Gedächtnis-Thriller.“ – Der Spiegel, Christian Buß

„An was sich Männer zu erinnern glauben, wenn sie an die Tage denken, die sie bessere Zeiten nennen“, heißt es in Form einer Bildunterschrift weiter. In der Tat, in der Tat. Richtig gute Sätze können Männer aus der Generation Buß auch noch bauen. In der Folge bezieht sich Buß auf den Surfer-Tatort „Die ewige Welle“, in dem man die Münchener wirklich als junge Männer am Strand sieht und den er herausragend fand (9/10) und der vom selben Regisseur stammt. Ja, unsere Zeit, unsere Erinnerungen eben. So gut kommt „Flash“ nicht weg, 6/10 bilden eine gewisse gepflegte Mittelmäßigkeit ab, die wir schon aus den anderen Kritiken herauslesen konnten. Im Grunde ist es eher ein Splitting in große Stärken (das Ende) und Schwächen in Sachen Spannung (der Rest)? Der Unterschied zwischen Meinung und Analyse:

„Allerdings hat sein [Regisseur Kleinerts, A. TH] Krimi ein Konstruktionsproblem: Indem sich die Geschichte im Laufe des doppelbödigen Plots von verlorenen Erinnerungen zu verdrängten Erinnerungen verschiebt, was ja zwei unterschiedliche Dinge sind, verliert der ganze bis dahin so klug in Szene gesetzt Demenz-Aspekt seine Schärfe. Es verblasst mit der seligen Erinnerung leider auch der genaue Blick.“

Rainer Tittelbach hat sich bei den Münchenern nicht nehmen lassen, die Rezension für Tittelbach-TV höchstselbst zu schreiben:

„Ein dementer Psychotherapeut soll in einem Mordfall mit historischen Wurzeln den Münchner Kommissaren endlich zu einem Ermittlungsdurchbruch verhelfen. Doch Leitmayr ist mit dem psychologischen „Gespräch“ auf der Basis der sogenannten „Reminiszenz-Therapie“ zunächst überfordert. Außerdem spielen er und Batic offenbar nicht mit offenen Karten… Die Idee zum „Tatort – Flash“ (…) nimmt nicht nur Bezug auf ein aufregendes neurologisches Experiment, sie erschließt auch neue dramaturgische Möglichkeiten. Die immer gleichen Befragungen und Vernehmungen werden durch differenziertere Gespräche ersetzt – nur, bringt das die Ermittlungen weiter? Das, was in dem bestechend inszenierten Film von Andreas Kleinert nachhallt, das sind die Interaktionen, die nostalgischen Momente und es ist „Whole lotta Love“, das sich wie ein Urschrei über die Mordszene legt. Räume als Orte der Identitäts-Suche. Design als Lustobjekt. Kommunikation als toxisches Spiel. Nur was die Dramaturgie angeht, bleibt nach dem vermeintlich cleveren Final-Twist ein bitterer Nachgeschmack.“ – Tittelbach-TV, Rainer Tittelbach

4,5 von 6 Sternen sind für diese Publikation eine durchschnittliche Tatort-Bewertung, wobei die Tendenz nach meiner Wahrnehmung zuletzt sogar Richtung 5 ging. Ich fasse zusammen: Jetzt ist auch der Final-Twist nur noch scheinbar clever, der doch von den anderen Stimmen immerhin als das Highlight angesehen wird. Wenn man jetzt sämtliche Elemente zusammenfasst, die von irgendwem als negativ herausgestellt werden, käme man auf einen Tatort, der nicht viel Spaß machen kann. Das wäre jedoch die falsche Herangehensweise. Da es mittlerweile einige Zeit dauert, bis ich mir die Filme ebenfalls anschauen kann, habe ich auch nicht mehr exakt im Kopf, was die Profis zu ihnen geschrieben haben. Insofern ist das Vergessen manchmal auch eine Gnade, ebenso wie das Verdrängen durchaus eine berechtigte Funktion im Sinne der Selbsterhaltung hat.

TH

Handlung

Alois Meininger, ein verurteilter Mörder, wird nach über 30 Jahren aus der Sicherheitsverwahrung entlassen, begeht einen weiteren Mord und taucht unter. Niemand kann Indizien liefern, wo er sich aufhalten könnte – die letzte Hoffnung ruht auf seinem ehemaligen Therapeuten Norbert Prinz, der inzwischen jedoch dement ist.

Aber wie kann man einen Demenzkranken vernehmen? In Zusammenarbeit mit dem renommierten Neuropsychologen Prof. Vonderheiden wird ein kriminologisches Pilotprojekt gestartet – doch im Laufe des Experiments offenbaren sich Batic und Leitmayr tiefere Abgründe als zunächst angenommen.

Besetzung und Stab

Franz LeitmayrUdo Wachtveitl
Ivo BaticMiroslav Nemec
Sandra KühnPatricia Ivanauskas
Prof. Ralph VonderheidenAndré Jung
Hannes LechnerKilian Klösters
Alois MeiningerMartin Leutgeb
Dr. Laura LechnerAnna Grisebach
PartygastTimocin Ziegler
Norbert PrinzPeter Franke
RubyMassiamy Diaby
Nele PrinzJenny Schily
Polizistin InesEva Klosowski
RegieAndreas Kleinert
MusikDaniel Michael Kaiser
DrehbuchSven S. Poser
Sönke Lars Neuwöhner
KameraJohann Feindt

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