UPDATE: Neue Diskussion um ein AfD-Verbot (Umfrage) +++ Die Sonntagsfrage mit Wagenknecht-Partei: AfD und Union würden am meisten verlieren +++ AfD-Erfolg wegen Ampel oder (übriger) Opposition (im Bundestag)? +++ Ausgrenzen! +++ Ausgrenzungswillige werden weniger (Umfrage + Kommentar) #Briefing 267 | PPP (Politik, Personen, Parteien)

Briefing 267 | PPP, AfD, Wagenknecht-Partei, Union, Ausgrenzung oder Zusammenarbeit

Nur drei Tage nach dem letzten Artikel, der sich hauptsächlich mit der AfD befasst, haben wir ein Update zu schreiben, weil wir politische Umfragen zu Parteien immer berücksichtigen. Es ist nicht das erste Mal, dass ein AfD-Verbot gefordert wird, dieses Mal hat SPD-Chefin Saskia Esken die Diskussion wieder ins Rollen gebracht.

Wie würden Sie die Einleitung eines Parteiverbotsverfahrens gegen die AfD bewerten?

Bitte lesen Sie, bevor Sie abstimmen, den Begleittext aus dem Civey Newsletter (folgt direkt im Anschluss an diesen Satz, unseren anhängenden Ausgangsbeitrag vom 7. August und wir empfehlen unterhalb dieses Textes weitere Beiträge von uns:

SPD-Chefin Saskia Esken hat eine neue Debatte über ein mögliches Verbotsverfahren gegen die AfD angestoßen. Sie hatte sich am Montag im ZDF Morgenmagazin besorgt darüber geäußert, dass die AfD immer mehr ins „rechtsextreme Spektrum” abdrifte. Die AfD habe am Wochenende auf ihrem Parteitag deutlich gemacht, „dass sie im Kern eine rechtsradikale Partei ist”, die „völkisch-nationale Konzepte” verfolge. Es wäre „ein großer Schaden für unsere Volkswirtschaft”, wenn sie sich damit durchsetzen würde.
Esken bezog sich zudem auf den Verfassungsschutz, der die AfD als Verdachtsfall beobachte. Sollte sich dieser Verdacht bestätigen, sollte auch die Möglichkeit eines Verbotsverfahrens debattiert werden. Der Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang hatte am Vortag in der ARD gesagt, dass er seine Einschätzung der AfD nach dem Parteitag bestätigt sehe. Demnach gäbe es verfassungsfeindliche Strömungen in der AfD, deren Einfluss zunehme. Die AfD kritisierte diese Äußerung und geht gerichtlich dagegen vor.
Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Steffen Hartmann, äußerte sich am Dienstag im rbb24 Inforadio kritisch über Eskens Anstoß. Man müsse sich angesichts der zunehmenden Radikalisierung der Partei politisch mit ihr auseinandersetzen. Teile von Union, Linke und FDP warnten bereits im Juni vor Verbotsdebatten. FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle forderte etwa in der Welt, die Wählerschaft durch politische Mittel wie „Programmatik und Kommunikation” zurückzugewinnen.

Von Umfragedarstellungen bis zu Leitkommentaren, es gibt bei uns eine Menge Gedankengut über die AfD zu lesen, das seit Anfang 2022 publiziert wurde; es handelt sich um eine Auswahl:

UPDATE 2: AfD-Umfragehoch, Weidels vergiftetes Angebot an die CDU +++ Sonneberg, Symbolik, Lauterbach +++ AfD-Kanzlerkandidat:in (Umfrage + Kommentar) | Briefing 222 | PPP – Politik, Personen, Parteien

UPDATE: Höcke & Co. verhindern in Thüringen (Campact + Kurzkommentar) +++ „Ist die AfD Ihrer Meinung nach eine rechtsextreme Partei?“ (Umfrage + Leitkommentar) | Briefing 200 | Politik, PPP, Gesellschaft, Umfrage

Gesamte AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall beobachten? (Umfrage) | Frontpage | Demokratie Gefahr | Civey Poll, Rightwing Extremism, the Far Right in Germany

Beobachtung vs. Verbot: Wie mit der AfD umgehen? | Frontpage | Parteien, Personen, Politik | Umfragen Civey, Parteibeobachtung, Parteiverbot

Insbesondere das „Briefing 200“ ist wiederum ein Mehrteiler in Form von  Updates. Natürlich ändern sich die Parameter jeden Tag, seit Anfang 2022 ist viel passiert, womit die AfD sich im Osten in der Realpolitik etablieren konnte. Deswegen haben wir dasselbe Problem, wie es offenbar auch in der SPD gesehen wird: Verbot oder bessere Politik? Wir sind immer für bessere Politik und tun uns daher mit einem Verbot nicht so leicht. Ethisch liefert die AfD immer wieder Gründe dafür, wie gerade deren Aussagen zur Inklusion an Schulen. Juristisch muss das BVerfG entscheiden bzw. sich trauen und kann dabei sogar auf seine jüngere Rechtsprechung zurückgreifen, die der NPD zugute kam, der AfD aber schaden würde.

Diese Rechtsprechungsänderung ist allerdings tückisch, wie wir ebenfalls dargestellt haben, weil sie die Opferrolle der AfD stärken kann, wenn man diese Linie im Fall eines AfD-Verbots weiterführt. Und wie sieht es politisch aus? Wir sind da wirklich zwiespältig und haben unter anderem geschrieben: Was immer auch passiert, lässt man sie weitermachen oder verbietet man sie, der politische Schaden, der Schaden für die Demokratie wird groß sein, weil man es zugelassen hat, dass sie in den Umfragen so hoch steigen kann. Und das liegt nicht nur am Osten, denn der vereinigt nur ein Viertel der Wahlberechtigten auf sich.

Nein, auch im Westen käme die AfD schon auf ca. 15 Prozent der Stimmen, wäre jetzt Bundestagswahl. Der Idealfall wäre, dass die anderen Parteien es schaffen, die AfD mit guter Politik auf das Maß der rechten Überzegungswähler:innen zu stutzen und dann erst käme das Verbot, woraufhin Verfassungsfeinde keine relevante politische Repräsentanz mehr hätten.

Wenn man das erreichen will, heißt das aber nicht nur, das politische Angebot verbessern, sondern wauch, dass man mit der AfD auf keiner politischen Ebene kooperieren darf und, so gegenwärtig unser Stand der Abwägung, eher inhaltlich Abstand von ihr halten als ihr nacheifern sollte. Besonders die CDU gibt diesbezüglich derzeit ein äußerst  zwiespältiges Bild ab, während es den Parteien der Ampelkoalition obliegt, geschlossener und kompetenter beim Regieren zu wirken. Es sind nicht nur konservative Publikationen, die den Ampelparteien eine Konzeptlosigkeit bescheinigen, die gerade in dieser Krisenzeit fatal ist. Wenn dadurch die wirtschaftliche Lage sich weiter verschlechtert, wird dies auf das Konto der AfD einzahlen, daran besteht kein Zweifel.

TH

Man soll über die AfD nicht jeden Tag schreiben, das ist schlecht für die politische … Kultur? Hygiene? Wie auch immer, sie bleibt in der Diskussion. Erstmals gibt es jetzt auch Ergebnisse für die Sonntagsfrage Bund, die die Möglichkeit einer Wagenknecht-Partei einbeziehen. Für Thüringen, wo 2024 Landestagswahlen stattfinden, kam eine solche Umfrage schon vorher und wir haben uns dazu geäußert.  Hier die Zahlen für Deutschland, die natürlich für viel Diskussionsstoff gesorgt haben:

Bild und Wagenknecht, das passt sowieso, deswegen muss man etwas vorsichtig sein, wie generell bei INSA. Außerdem ist der Vergleich falsch, der allen anderen Parteien außer der AfD ein Minus beschert. Vergleichszahl dürfte nicht die letzte Bundestagswahl sein, denn damals ist Wagenknecht definitiv noch nicht mit einer eigenen Partei angetreten, sondern hat der Linken nicht mehr geholfen, über die 5-Prozent-Hürde zu springen.

Der richtige Vergleich kann nur die aktuelle Lage mit den vorhandenen Parteien sein, und da nähme die Wagenknecht-Partei der AfD satte 5-6 Prozent weg, der SPD 1-2 Prozent, der Union 4-5 Prozent und der Linken etwa 2 Prozent. Auch die Sonstigen würden Wählerstimmen einbüßen. Kaum berührt wären die Grünen, das haben wir aber schon an früherer Stelle vorausgesagt. Es gibt zwischen deren Wählerklientel und dem potenziellen von Sahra Wagenknecht die geringsten Überschneidungen. Insofern würden die Grünen aufgrund der Einschläge, die eine Wagenknecht-Liste bei anderen Parteien verursachen würde, sogar relativ gesehen profitieren. Glauben Sie an diese 15 Prozent, die oben ausgewiesen sind? Das wäre ein Raketenstart, wie ihn noch keine neue Partei in Deutschland hatte. Seit dem zweiten Weltkrieg sowieso, aber auch davor gab es solche Erfolge aus dem Stand nicht. Die Nazis haben einige Jahre gebraucht, um auf ähnliche Wahlergebnisse zu kommen, wie sie hier umfrageseitig … soll man schreiben, für möglich gehalten oder angedroht werden? 

Sollten die nächsten Bundestagswahlen so ähnlich ausgehen, wäre eine Kenia-Koalition mit den Farben Rot, Grün und Schwarz am wahrscheinlichsten, vielleicht ginge auch Jamaika (Union, Grüne, FDP). Beides wären keine guten Kombinationen für die Zukunft des Landes, wenn schon die Ampel nicht so funktioniert, dass der Verkehrsstrom in Richtung Morgen einigermaßen fließt. Trotzdem muss man sich dieses Szenario erst einmal vergegenwärtigen: SPD, Grüne, die AfD und die Wgenknecht-Partei fast gleichauf, nur die Union noch etwas vorne. Einfacher wird das Regieren also nicht werden, falls diese Partei wirklich kommt.

Nun kommen wir zu einer Umfrage, die recht interessant ist: 

Hat Ihrer Meinung nach eher die Politik der Bundesregierung oder eher der restlichen Opposition im Bundestag zu den hohen Umfragewerten der AfD geführt? 

Sie können nicht mehr abstimmen, aber es ist schon interessant, dass weit überwiegend die Schuld bei der Ampelregierung gesehen wird. Logisch ist es allerdings auch, denn wenn andere Oppositionsparteien nicht recht performen, hat das weniger Auswirkung auf die Debatten, als wenn die Regierung den Eindruck erweckt, überwiegend Quatsch zu machen. Studieren Sie also gerne das Ergebnis, hier der Civey-Begleittext aus dem Newsletter von Anfang Juli, in dem die Umfrage vorgestellt wurde. 

Am Sonntag (vor einer Woche, Anm. TH) wurde der erste hauptamtliche AfD-Bürgermeister in Deutschland gewählt. Hannes Loth setzte sich in Raguhn-Jeßnitz in Sachsen-Anhalt gegen den parteilosen Kandidaten Nils Naumann durch. Eine Woche zuvor gewann Robert Sesselmann die erste Landratswahl für die AfD. Auch in bundesweiten Wahlumfragen verzeichnet die Partei ein Umfragehoch. In der Civey-Sonntagsfrage liegt die AfD aktuell bei 20 Prozent, gleichauf mit der SPD und hinter der Union mit 25 Prozent. 

Teile der Union machten die Bundesregierung für das Erstarken der AfD verantwortlich. So sagte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) im Juni in der BamS: „Die ständige Uneinigkeit in der Ampel ist eine Steilvorlage für Populisten.” Als Beispiel nannte er die Debatten um das Heizungsgesetz, die zu großem Unmut in der Bevölkerung führten. Die Grünen-Fraktionsgeschäftsführerin Irene Mihalic entgegnete, CDU und CSU müssten sich „darüber im Klaren sein, dass das Kopieren der menschenverachtenden Positionen der AfD auf das Konto des Originals einzahlt“.

Bundeskanzler Olaf Scholz wies Vorwürfe zurück, dass Streitereien in der Ampel für das Erstarken der AfD verantwortlich seien. Er sagte in der ARD-Sendung maischberger, wenn Ampel-Zwist zur Wahl der AfD motiviere, „dann macht man sich das Thema doch ein bisschen sehr, sehr leicht”. FDP-Fraktionschef Christian Dürr betonte Anfang Juni in der BamS, dass politische Unterschiede innerhalb der Regierung wichtig seien: „Der Erzählung der AfD, alle demokratischen Parteien wollten ohnehin das Gleiche, sollten wir nicht auf den Leim gehen.“ AfD-Chef Tino Chrupalla sieht sich derweil in seiner Politik bestätigt, da immer mehr Menschen die AfD „aus Überzeugung wählen”.

Über den Kurs der CDU muss trotzdem eine Debatte geführt werden, man kann die Eingrenzung der AfD nicht der Ampel überlassen, die in schwierigem Fahrwasser steckt. Dazu haben wir eine Meinung aus der Union gefunden, die man als wirklich honorig bezeichnen kann. Auch wenn Ruprecht Polenz ein Merkelianer ist und wir Merkels Politik für die heutigen Probleme Deutschlands maßgeblich mitverantwortlich machen, auch für den Aufstieg der AfD:

Hier geht es mehr um die Demokratiefestigkeit als um Fehler der Vergangenheit und er sagt genau das, was wir auch schon geschrieben haben: Die CDU  muss sich auch auf kommunaler Ebene halt andere Mehrheiten suchen und eigene Anträge einbringen, wenn es um wirklich notwendige Gestaltung geht. Dafür müssten sich dann auch jenseits der AfD Mehrheiten finden lassen. In Berlin-Reinickendorf z. B. läuft es schon anders, da übernimmt die AfD teilweise die Initiative und die CDU und die FDP folgen einfach. Wir halten es gar nicht für unmöglich, dass sich in der CDU diejenigen durchsetzen werden, die, ebenfalls in der Tradition Merkels, klar gegen eine Annäherung an die AfD sind, wie Hendrik Wüst und Daniel Günther, die Ministerpräsidenten von NRW und Schleswig-Holstein. Mittlerweile stößt auch der wendehalsige Markus Söder zu den Brandmauerbauern, was durchaus Bedeutung hat, denn es ist in der Union keineswegs egal, wie sich die CSU in einer so wichtigen Frage verhält.

Allerdings sind diese im Westen tätig und die Frage, wie es im Osten aussehen wird, ist weniger leicht zu beantworten. Vor allem, wenn dort AfD-Politiker auf kommunaler und regionaler Ebene Wahlen direkt gewinnen, wie zuletzt geschehen.  Der Osten ist schon so oft beleuchtet worden, doch hier haben wir etwas einigermaßen Aktuelles gefunden, was durchaus zum Nachdenken anregen könnte. Mit der stillen Mehrheit sind gerade nicht die AfD-Wähler:innen gemeint, denn die sind ja ziemlich laut, sondern eine Mehrheit, die unzufrieden ist, ohne die AfD zu wählen. Vielleicht sollte vor allem die herrschende Politik darüber nachdenken, wie man es anstellt, diese stille, anständige Mehrheit nicht an die AfD zu verlieren. 

Die Mehrheit, die eine Zusammenarbeit mit der AfD grundsätzlich ablehnt, erodiert hingegen in ganz Deutschland, und natürlich ist das eine gefährliche Entwicklung, weil dadurch Parteien, die eine Brandmauer aufrechterhalten wollten, unter Zugzwang geraten. Zu den ca. 20 Prozent Menschen, die aktuell AfD wählen würden, wäre jetzt Bundestagswahl, muss man also noch ca. 15 Prozent hinzurechnen, die die AfD auf jeden Fall mitmachen lassen wollen und die damit nach unserer Ansicht ebenfalls potenzielle AfD-Wähler:innen darstellen:

Die Menschen in Deutschland lehnen einer neuen Umfrage zufolge mehrheitlich eine künftige Regierungsbeteiligung der AfD ab, 58 Prozent der Befragten sprachen sich dagegen aus. Die Offenheit dafür, dass andere Parteien je nach Fall eine Zusammenarbeit mit der rechten Partei erwägen, wächst aber, wie eine am Freitag veröffentlichte Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Yougov zeigt.

41 Prozent der Befragten gaben demnach an, dass die Parteien die Zusammenarbeit mit der AfD vollständig ausschließen sollten – Mitte Juli waren es 47 Prozent. 35 Prozent sprachen sich dafür aus, dass über eine Zusammenarbeit im Einzelfall entschieden werden sollte. In der Umfrage zuvor lag dieser Wert bei 27 Prozent.

 (Quelle)

TH

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