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Crimetime Special 50 Jahre Polizeiruf 110

Peter Borgelt – Der ostdeutsche Kommissar Maigret

Film von Leonore Brandt

Peter Borgelt (* 20. September 1927 in Rostock; † 18. März 1994 in Berlin) war ein deutscher Film- und Theaterschauspieler.  

Am 27.06.1971 wurde die erste Episode der Krimireihe „Polizeiruf 110“ ausgestrahlt, „Der Fall Lisa Murnau„. Damit waren wir gestern wir auf den Höhepunkt unseres Juni-Specials „50 Jahre Polizeiruf 110“ angelangt und schreiben unter anderem über die beiden wichtigsten Darsteller der Reihe während der DDR-Zeit. Wir begannen mt Jürgen Frohriep, Rollenname Jürgen Hübner, und lassen eine Dokumentation über Peter Borgelt, Rollenname Peter Fuchs, folgen.

Peter Borgelt wurde als Sohn einer Künstlerfamilie in Rostock geboren. Sein Vater Paul Borgelt (* 16. Februar 1887 in Osnabrück; † 28. August 1971 in Bad Pyrmont) war Schauspieler und seine Mutter Thea Krumreich Sängerin (* 3. Dezember 1900 in Rostock; † 23. Juli 1993). Sie waren an verschiedenen Bühnen tätig.

Inhalt (MDR)

Peter Borgelt war einer der bekanntesten DDR-Fernsehstars. Seine Popularität verdankte er vor allem den fast hundert Einsätzen als Hauptmann Fuchs im „Polizeiruf 110“. Die beliebte Fernsehserie wurde 1971 als Konkurrenz zum „Tatort“ gestartet, weil Erich Honecker befand, dass DDR-Fernsehen müsse spannender werden. 20 Jahre hat Peter Borgelt den schlauen Fuchs gespielt. Dank seiner überlegten und ruhigen Art, gepaart mit leiser, sonorer Stimme, bezeichnete die Kritik seinen Kommissar schon mal als „ostdeutschen Maigret“ und verglich ihn mit Jean Gabin.

Als Peter Borgelt 1992 seine Karriere im neuen Deutschland als Hauptkommissar beendet, hat er Fernsehgeschichte geschrieben. Der Krimi-Ruhm lässt fast vergessen, dass Peter Borgelts große Liebe dem Theater gehörte. Bis zu seinem Tod stand er als Charakterdarsteller auch auf den Bühnen des Landes. Seine ersten Engagements hatte er in Burgstädt, Halberstadt, Magdeburg und Leipzig. 1967 dann der ganz große Durchbruch: das Deutsche Theater in Berlin. Fast drei Jahrzehnte gehörte er dem Ensemble dieses Theaters von Weltrang an.

Als der Mann der leisen Töne 1994 starb, hinterließ er ein Lebenswerk: über 100 Fernseh- und Kinofilme, ungezählte Theaterrollen, aber auch Auftritte u.a. in Unterhaltungssendungen wie „Klock 8, achtern Strom“ und „Kessel Buntes“, in denen er das Publikum mit seinem unerwartet komischen Talent begeisterte.

Neben der Würdigung eines Lebenswerkes versucht der Film, in Gesprächen mit Weggefährten und Angehörigen auch dem Kollegen, dem Freund und Privatmann Borgelt näher zu kommen.

Über die Dokumentation

30 Minuten über ein Leben als Superstar des Ostfernsehens sind sicher etwas kurz, zumal der Film, anders als bei der Ausgabe von „Lebensläufe“, die man über Jürgen Frohriep gemacht hat, bereits mit der Kindheit von Peter Borgelt beginnt und dabei hervorhebt, wie einsam er als Junge war, als Kind von Eltern, die ständig unterwegs zu ihren wechselnden Engagements am Theater waren.

Vielleicht wurde er deswegen ein augesprägter Familienmensch und drei seiner Kinder berichten mit sichtbarer Bewundung und Liebe in „Lebensläufe“ über ihn.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs begann Borgelt zunächst eine Lehre als Bauarbeiter, dann wollte er Komponist werden und schrieb sich im Konservatorium in Kamenz ein. Während seiner Studienzeit wirkte er als Aushilfe am Kreistheater Burgstädt, fand plötzlich am Beruf des Schauspielers Gefallen und nahm privaten Schauspielunterricht, ehe er 1950 – nach bestandener Prüfung – ein Engagement am Burgstädter Theater an der Seite seines Vaters erhielt. Nach weiteren Bühnenstationen in Meiningen, Halberstadt, Magdeburg, Leipzig und Schwerin kam er 1967 an das Deutsche Theater Berlin. Der Charakterdarsteller gehörte dem dortigen Ensemble bis zu seinem Tod 1994 an. Das letzte Mal auf der Bühne sah man Borgelt in Der Turm von Hofmannsthal und Der Wald von Ostrowski.

Anders als Jürgen Frohriep, der damit im deutschen Sprachraum eine Ausnahme war, hatte Borgelt also eine professionelle Schauspielausbildung, aber als Frohriep einer der größten DDR-Stars des Kinos war, spielte Borgelt noch vorwiegend Theater. Es stand vielleicht nicht am Himmel geschrieben, aber trotzdem wirkt es, wenn man die Polizeirufe der DDR-Zeit so lange nach dem Ende derselben rezensiert, wie wir das seit März 2019 tun, auf eine Weise logisch, dass der Mann, der für so viele in der DDR eine Identifikationsfigur war und in „Sterne“ die männliche Hauptrolle hatte, einem der wichtigsten Antikrieges- und Anti-Nazi-Filme jener Jahre, in den Polizeirufen immer ein wenig hinter den Kollegen zurücktrat, der eher das verkörperte, was die Ostdeutschen gerne gewesen wären: Ein aufrechter Hüter der Ordnung von rechtem Schrot und Korn.

Denn eines, was immer so hervorgehoben wird, auch in der obigen Inhaltsangabe, empfanden wir beim Anschauen der DDR-Polizeirufe nicht so: Dass Borgelt besonders zurückhaltend spielt. Das hat nämlich Jean Gabin, mit dem er hier verglichen wird, auch nicht getan. Vielmehr war er einer der ausdrucksstärksten Filmschauspieler des 20. Jahrhunderts und so unverwechselbar, wie es Borgelt für die Ostdeutschen gewesen sein dürfte, nachdem er die Polizeirufe geprägt hatte wie kein anderer Darsteller, der in ihnen eingesetzt wurde. Mit 85 Einsätzen, darunter in den 1980ern allerdings bereits einige Kurzauftritt als Mentor der jüngeren Generation, stellt er bis heute den Rekordhalter der Reihe dar und lediglich die Münchener Tatortkommissare Batic und Leitmayr werden ihn demnächst überholen. In einer Zeit allerdings, in der viel mehr Tatorte Premiere feiern als seinerzeit Polizrufe – allerdings auch mit einer erheblich größeren Anzahl an Teams, denn Borgelt, Hübner, Arndt und die anderen ermittelten überall in der DDR, während die Tatortpolizist:innen von Beginn an an feste Einsatzorte gebunden waren.

Wenn aber Peter Borgelts Spiel zurückhaltend war, wie dann mit der Darstellungsweise von Jürgen Frohriep? Nicht wahrnehmbar? Das stimmt nicht, wie man leicht feststellen kann, wenn man sieht, wie dominant Borgelt als Typ war und wie gut das zu seiner Rolle passte. Der Ruhm beider Hauptdarsteller der Reihe seit der ersten Stunde gründet sich auch auf ihre Funktion als Projektionsflächen, aber eben auf ganz unterschiedliche Weise und populär waren sie auf eine Weise, die in Westdeutschland mit seinem größeren Publikum und der viel größeren Schauspieler:innenkonkurrenz kaum denkbar war. Allenfalls die Stellung von Heinz Rühmann in den 1950ern ist damit vergleichbar, denn auch auf ihn konnte man das deutsche Werden, Vergehen und die Wiederauferstehung sehr gut projizieren. Alle anderen waren nicht so sehr ein Stück von allen, vom kollektiven Bewusstsein.

Waren trotzdem die beiden Polizeiruf-Stars gefangen in einem Staat, der für sie beide zu klein war? Jürgen Frohriep war unzufrieden mit seinem Leben, so viel kann man heute gesichert sagen. Auch Peter Borgelt, das kommt im Film zur Sprache, hatte gerne mal einen gehoben, aber er wirkte als Persönlichkeit viel geschlossener und hat offenbar das Beste daraus gemacht, dass er ein Großer in relativ kleinem Rahmen war. Allerdings hatte er auch nicht, wie Frohriep, das Problem, dass ein anderer ihm immer eine Nasenlänge voraus schien, denn dieser andere war er selbst. Es heißt, Hübner habe im Laufe der Zeit immer mehr ein eigenständiges Profil gewonnen, als Polizeiruf-Ermittler, aber in der Nachbetrachtung bleibt festzuhalten, dass er nie an Fuchs vorbei oder mit ihm gleichziehen konnte. Das drückte sich ab 1978 auch in der Rangordnung aus, denn Fuchs wurde mit einigem Tamtam zum Hauptmann beförder, nach der Wende noch kurze Zeit Hauptkommissar, während Hübner immer Oberleutnant bzw. Oberkommissar blieb. In den Tatorten und den heutigen Polizeirufen sind fast alle wichtigen Ermittler:innen im Dienstgrad KHK angesiedelt.

Aber: Kein einziges, wirklich kein einziges Wort sowohl in der Frohriep-Doku als auch im Borgelt-Pendant zum Verhältnis der beiden zueinander. Das ist sehr seltsam, denn die beiden ermittelten ja in den Polizeirufen, die wir als „Premium“ bezeichnet haben, in denen mehrere der Stars zum Einsatz kamen und die in der Regel auf Kinomaterial gefilmt waren, zusammen und gerade in diesen Filmen zeigt sich ja der Unterschied, nicht in denen, in denen beide jeweils alleine unterwegs sind oder nur mit Leutnant Arndt oder Meister Subras (in den 1970ern) oder nach einigen nicht so erfolgreichen Partnern, mit Grawe oder Zimmermann ab Mitte der 1980er.

Oberleutnant „Grawe“, Andreas Schmidt-Schaller, ist der einzige Kollege von Borgelt aus jenen Jahren, der im Film zu Wort kommt, aber wir müssen auch bedenken, es ist nur eine halbe Stunde Zeit dafür. Er und sein Kollege Zimmermann schienen Borgelts und Hübners natürliche Nachfolger zu werden, wobei Zimmermann (Lutz Riemann) eher auf Fuchs kam und Grawe eher auf Hübner. Die Nachwendezeit hat die Karriere von Riemann schnell beendet, nachdem seine IM-Tätigkeit bekannt geworden war, während das auf Schmidt-Schaller zwar auch zutraf, aber erst viel später bekannt wurde und intensiv aufgearbeitet wurde.

Über Frohriep und Borgelt haben wir bisher nichts dergleichen gelesen und da war wohl auch nichts. Prominente dieser Kategorie konnten, wohl, anders als Nachwuchsschauspieler, die ihre ersten Schritte in der späten DDR gingen, auch mal freundlich „nein“ sagen, falls sie denn gefragt wurden, ohne dass man sie deshalb schneiden konnte. Andere Topkräfte gingen trotzdem in den Westen, wie Armin Mueller-Stahl und Manfred Krug und bei den Frauen beliebte Darstellerinnen wie Anglica Domröse. In gewisser Weise standen Borgelt und Hübner damit auch für Staatstreue und sich mit dem bescheiden, was im Osten eben möglich war, in einer komfortablen Position, wie der Film über Borgelt betont, aber nicht als Privilegienreiter, das zu erwähnen, war wohl auch wichtig, wobei die Kinder von Borgelt eine etwas abweichende Wahrnehmung erkennen lassen, von der Macherin des Films dezent faktisch korrigiert, nicht per Kommentar.

Bereits im allerersten Polizeiruf „Der Fall Lisa Murnau“, war Fuchs der Hauptermittler und der Erfolg der Reihe „Polizeiruf 110“ ist bis heute mit ihm verknüpft, denn ohne die starke Vergangenheit hätte man die Reihe wohl ebenso wie alles andere, was in der DDR gemacht wurde, nach der Wende entsorgt. Beinahe war es auch so weit, im Jahr 1992,  nachdem Fuchs seinen letzten Auftritt hatte, in „Thanners neuer Job„, der bezeichnenderweise den im Westen gerade freigewordenen Kumpel von Horst Schimanski als neuen Dienststellenleiter im Osten in den Mittelpunkt rückte. Es ist ärgerlich, wie Borgelt in diesem Film agieren musste, so würdelos, am Ende aber doch so stark, als er seine Jacke über die Schulter nimmt und das Dienstzimmer verlässt. Es geht nicht mehr weiter. War das damals klar? Den Reset konnte Peter Borgelt leider nicht mehr miterleben, da er 1994 verstarb. Wohl konnte er zufrieden darüber sein, dass man doch weitermachen wollte, wenn auch ohne hin, der bereits erkrankt war, aber was hieß das schon, in diesen wechselhaften Zeiten? Heute wäre er sicher zufrieden angesichts der Rezeption, die der Polizeiruf genießt, denn er hat ab MItte der 1990er neue, herausragende Ermittler:innen hervorgebracht, die alle seine Erb:innen sind, auch wenn niemals wieder jemand dabei war, der jener Tatort-Parallelreihe, die sie heute darstellt, so sehr den p Stempel der eigenen Persönlichkeit aufdrücken konnte.

Unser gewähltes Titelfoto stamma aus „Der Fall Lisa Murnau“ und zeigt ihn zusammen mit Leutnant Vera Arndt, der „Dritten im Bunde“, der ersten Fernsehkriminalpolizistin in Deutschland, die hier einen Verdächtigen befragt, während Fuchs so im Hintergrund steht, wie wir ihn in drei Jahren intensiver Befassung mit der Reihe Polizeiruf 110 kennengelernt haben, nämlich gar nicht dezent im Hintergrund, sondern immer raumfüllend präsent und mental kompakt und manchmal auch humorvoll.

TH

 

 

 

 

© 2021 Der Wahlberliner, Thomas Hocke

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