Crimetime1117 – Titelfoto © SFB / RBB
Motorbootrennen auf Binnengewässern, ein Volkssport der 1970er
Feuerzauber ist eine Folge der ARD-Krimireihe Tatort. In seinem dritten und letzten Fall muss Kommissar Schmidt eine Brandstiftung mit Todesfolge aufklären. Die vom Sender Freies Berlin (SFB) produzierte Episode wurde zwischen dem 7. Mai und 30. Juni 1977 in West-Berlin, Hamburg, Hannover, Hanau und Traben-Trarbach gedreht. Ihre Erstausstrahlung am 9. Oktober 1977 erreichte einen Marktanteil von 58 %.
Die Berliner Tatorte von Beginn an zu rezensieren, war vor ein paar Jahren ein Highlight innerhalb der „TatortAnthologie“, wie das Feature seinerzeit bei uns hieß. Es ist mittlerweile in „Crimetime“ integriert. In dieser Reihe bisher:
„Der Boss“ (Nr. 17)
„Rattennest“ (Nr. 22)
„Tod im U-Bahnschacht“ (Nr. 57)
„Transit ins Jenseits“ (Nr. 69) Das bedeutet nicht, dass auch die Filme allesamt Highlights der Reihe „Tatort“ sind. Allerdings hatten wir „Transit ins Jenseits“ als einen der besten Berliner Tatorte bis heute bewertet. Wie es mit dem Nachfolger „Feuerzauber“ ausschaut, steht in der – Rezension.
Handlung
Auf einer Werft an der Havel bricht eines Nachts Feuer aus. Einer der Werftangestellten kommt in den Flammen ums Leben. War es Brandstiftung? Kommissar Schmidt ahnt nicht, dass er mit dem Rennbootfahrer Georg Kastrup, den er während eines Auftritts in der Berliner Abendschau kennenlernt, einmal dienstlich zu tun haben wird. Georg Kastrups Werft an der Havel geht eines Nachts in Flammen auf, während ihr Besitzer an einem Sommerfest auf einem Dampfer teilnimmt. Einer der Werftangestellten kommt in den Flammen um.
Kommissar Schmidt von der Berliner Mordkommission beginnt zu ermitteln und verfolgt gleich mehrere heiße Spuren: Verdächtig ist ein junger Mann, der sich nachts heimlich ein Rennboot aus dem Schuppen holte, ebenso wie ein entlassener Mechaniker, der glaubt, an Kastrups Patenten beteiligt zu sein. Dann gibt es da noch den Bruder des Werftbesitzers, der das vom Vater ererbte Grundstück für sich nutzen möchte. Kastrup selbst steckt in finanziellen Schwierigkeiten und gerät ebenfalls in den Fokus der Ermittlungen. Ein aufgeweckter Berliner Junge bringt Kommissar Schmidt schließlich auf die Spur des Täters.
Anni und Tom über „Feuerzauber“
Anni: Jetzt haben wir mit „Transit ins Jenseits“ gerade einen wirklich guten Alt-Berliner Tatort geschaut, aber bei „Feuerzauber“ geht es wieder so weiter, wie es mit „Der Boss“ und „Rattennest“ angefangen hat. Aber die Berlin-Subventionen werden wohl in jedem Berlin-Tatort vor der Wende erwähnt.
Tom: In den 1970ern bisher ja, aber daran sieht man, wie wichtig das Thema war. Wir bauen ja keinen Kreisel, heißt es an einer Stelle, wo es um die Marina geht, die KF, natürlich mit Fördermitteln unter anderem aus dem ERP-Fonds, errichten lasse will. Der Steglitzer Kreisel ist bekanntlich einer der größten Bauskandale der Subventionszeit, kostete damals etwa 350 Millionen Mark und steht mittlerweile leer. Da haben sie schon für den BER geprobt, aber es gibt ja in Berlin viele solcher Geschichten, z. B. auch mit der Landesbank.
Anni: Und wir lernen nichts dazu, ich weiß. Gerade hat der Bezirk mit Unterstützung des Senats im Wrangelkiez ein Mini-Mietshaus sozusagen zum Höchstpreis von schlappen 4,5 Millionen Euro ersteigert, zehn Mietparteien damit vor Investoren gerettet und für zigtausend andere ist bei solchen Methoden dann bald kein Geld mehr da.
Tom: Das ist eine andere Geschichte, aber Sarrazins Sparzeiten sind vorbei. Berlin ist finanziell schon ein absoluter Sonderfall, und natürlich nicht nur in dem Bereich. Auch die Art, wie Brände gelegt werden, für deren Darstellung Tischmodelle verwendet werden, obwohl man doch einen echten Schuppen angezündet hat und wie der Täter sich dann wirklich maximal doof verhält, um sich selbst zu verraten, ist sehr skurril.
Anni: Wiedersehen mit Heinz Weiss, der hier noch ein Einsitzer-Rennboot steuert, um sich auf die Rolle als Traumschiff-Kapitän vorzubereiten – und natürlich mit Günter Pfitzmann, dieses Mal in einer zwielichtigen Rolle als investitionsgeiler Bruder das Wassersportfreaks. Und Heinz Hirthe als Ermittler Schmidt, der genauso langweilig ist wie sein Nachname. Aber ich weiß, in Berlin ist alles anderes, ein halb so altes Groupie hat er trotzdem und natürlich interessiert er sich, wie alle Kriminaler, für Rennboote, fährt auch dafür durch die Gegend, weil ihm ja nur so der spätere Täter begegnen kann. Auweia.
Tom: Man sollte einfach damit aufhören, an fiktionale Geschichten höhere Logikmaßstäbe anzulegen als an das wirkliche Leben, in dem ja auch die seltsamsten Dinge passieren. Das denke ich bei Tatorten immer wieder. Aber am meisten gestört hat mich der ewig lange Vorlauf. Ich muss nicht unbedingt eine Leiche als Startpunkt der Handlung haben, obwohl mittlerweile fast alle Tatorte so gestaltet sind. Die Musik war auch ungewöhnlich auffällig für einen Tatort aus dieser Epoche, stellenweise fand ich sie angemessen oder gut, in anderen Szenen hätte man sie anders gestalten oder zurücknehmen müssen. Naja, warum sollte die Musik Doldinger-Qualität haben, wenn der Rest auf Berlin-Niveau ist? Nein, die Schauspieler waren okay, wobei weder Weiss noch Pfitzmann hier wirklich aufdrehen können.
Anni: Was hat dir am besten gefallen?
Tom: Der W123-Mercedes CE in wunderschönem Metallicblau. Ich habe nicht sehen können, ob es ein 230 oder 280 war. Den kleineren fuhr ein Onkel von mir in Weinrot. Und was hat dich am meisten genervt?
Anni: Eine der darstellenden Personen, ich sag aber nicht, welche, wegen Diskriminierungsverbot und so. Es waren nicht Pfitzmann oder Weiss und auch nicht Opa Treitschke, den fand ich mit am besten. Sachlich diese ewig langen Rennbootszenen, obwohl über die Lautsprecher echt cool nicht nur viele Infos zur Szene vermittelt wurden, sondern das auch noch in jeweiligem Dialekt, von Moselfränkisch bis Hanseatisch. Talking Heads als westdeutsches Sprachpanorama. Darauf muss man mal kommen. Genauso wie auf Kastrups überragende Kurventechnik. Er fährt einfach die Kreise um die Pylonen oder Bojen herum langsamer und enger als die anderen und ist – schwups, vor ihnen. Und waren bei diesen Rennen immer am Start schon die Boote so weit auseinander? Schade, dass ich von diesem Sport überhaupt keine Ahnung hab. Trotzdem kommt mir das mit der Kurventechnik arg konstruiert vor, wie der ganze Tatort.
Tom: Trotzdem ist auch dieser Tatort wieder ein schönes Zeitdokument über die fetten Berliner Jahre, die so fett dann doch nicht für alle waren. Das Kulissenhafte scheint wieder gut durch, das ja heute noch eine große Rolle spielt. Was nicht heißt, dass in Tatorten aus anderen Regionen nicht auch dargestellt wurde, dass der Reichtum dieser Zeit manchmal auf wackeligen Füßen stand. Aber wenn ich das überschlägig betrachte, war es eher die Ausnahme, dass alles auf Sand gebaut wurde. Übrigens hat hier auch Fritz Umgelter Regie geführt, der dann auch die Traumschiff-Serie betreute, mit dem erwähnten Heinz Weiss. Die war zwar inhaltlich ziemlich platt, aber die Settings immer super und natürlich alles etwas flotter gefilmt als „Feuerzauber“.
Anni: Und auch wenn drei von bisher vier Tatorten im Rahmen des „RBB-Restaurierungssommers“ bisher eher unterdurchschnittlich waren, ist es natürlich toll, sich ein Bild vom hiesigen Teil der Reihe machen zu können. Es werden noch zehn weitere gezeigt, cool. Also, von mir 5,5/10. Dabei spielt für mich auch eine Rolle, dass man nach acht Jahren doch schon eine erhebliche Weiterentwicklung erwarten darf, gegenüber rudimentären Übfilmen wie „Der Boss“ und angesichts der guten Besetzung von „Feuerzauber“.
Tom: Ich gebe mal 6/10, wegen Opa Treitschke und dem Investitionsbanker, der uns erklärt, wie Berlin-Förderung damals funktioniert hat. Das ERP gibt es immer noch, wenn ich mich nicht täusche und das ist ja nach der Krise 2008-2009 auch sinnvoll.
6/10
© 2022, 2017 Der Wahlberliner, Thomas Hocke
Feuerzauber“ aus dem Jahr 1978 ist der dritte und letzte „Tatort“-Einsatz von Kommissar Schmidt – gespielt von Martin Hirthe. Tatort: Feuerzauber Fernsehfilm Deutschland 1978 Kommissar Schmidt (Martin Hirthe) Georg Kastrup (Heinz Weiss) K.F. Kastrup (Günter Pfitzmann) Linda Kastrup (Bettina Schön) Treitschke (Willi Rose) Adam (Siegurd Fitzek) Sonja (Ute Boy) Evi (Anita Kupsch) Kai (Peter Seum) u.a. Musik: Rolf Unkel Kamera: Klaus Krahn, Tomas J. Blazek Buch: Joachim Nottke, Karlheinz Knuth Regie: Fritz Umgelter