Hamburgwahl #5: Erste Prognose! Ist die AfD draußen? #HH #Grüne #DIELINKE #NieMehrCDU #noAfD #FDP #Tierschutzpartei #HamburgWahl #HH2302 #Hamburg2020

Hier die erste ARD/NDR-Prognose von 18 Uhr. Vieles in etwa wie erwartet – aber schafft Hamburg die Sensation und ist das erste Bundesland, in dem die AfD wieder aus einem Parlament fliegt?

Prognose 18 Uhr, 23.02.2020, Wahl zur Bürgerschaft, Hamburg

Auch die FDP steht auf der Kippe, das Abschneiden der CDU ist historisch schwach und die Grünen haben im Endspurt nochmal zugelegt und ihren Stimmenanteil gegenüber 2015 fast verdoppelt, DIE LINKE hat leicht zugelegt. Der gesamte rechte Block käme nur wenig über 20 Prozent.

So kann man gegen Rechts auch kämpfen!

Es ist noch etwas früh und wir sind keine Fans der örtlichen SPD, aber wir sagen schonmal: Danke, Hamburg. Selbst wenn die AfD wieder in die Bürgerschaft einziehen sollte, sie wird schwächer abschneiden als 2015, auch solch ein Rückgang von mglw. 20 Prozent der Stimmanteile ist ein Novum.

Ergänzung: Das ZDF sieht die SPD bei 38,0 und die AfD bei 4,8, die FDP ebenfalls bei 5,0. Es bleibt eng.

Die höhere Wahlbeteiligung gegenüber 2015 scheint sich bestätigt zu haben.

Hamburgwahl #4: Wahlbeteiligung und beliebteste Politiker*innen

Die Briefwahlbeteiligung ließ es bereits ahnen, der Trend gegen Mittag bestätigt: Die Hamburger*innen gehen wählen! Die Wahlbeteiligung liegt trotz schlechtem Wetter (haben wir heute in Berlin auch) ca. 5 Prozent höher als bei der vorausgegangenen Bürgerschaftswahl 2015. Allerdings gingen damals bedrückend wenige Menschen zur Urne oder wählten per Brief: 56,5 Prozent der Berechtigten.

Nachtrag ohne Artikel-Update: Um 14 Uhr haben 46,4 Prozent der Wähler*innen ihre Stimme abgegeben, das Plus gegenüber 2015 hat sich damit auf 6,9 Prozent erhöht.

Hier zu #3: Unser Wahl-O-Mat.

Die derzeitigen Umfragen, die der SPD ca. 39 Prozent zubilligen, werden ja als großer Erfolg für die alte Tante angesehen – nur zur Erinnerung: Bei der Wahl 2015 erreichte sie 45,6 Prozent.

Früher hätten wir geschrieben: Mehr Beteiligung ist ein Plus für die Demokratie! Doch der Trend zum Urnengang hatte im Jahr 2019 in Ostdeutschland ein ganz anderes Ergebnis gezeigt. Die AfD holte viele Stimmen von jenen, die zuvor nicht gewählt hatten. Diejenigen, die der Demokratie schon den Rücken gekehrt hatten, kamen zurück, um ihr einen Arschtritt zu geben. Werden die Hamburger*innen es heute besser machen und Regenschirme für sie aufspannen?

Eines scheint sicher: Die AfD wird keine ostdeutschen Ergebnisse einfahren und Medien spekulieren sogar darüber, sie könnte aus der Bürgerschaft fliegen – zum Beispiel aufgrund hoher Wahlbeteiligung und befeuert durch sinkende Umfragewerte. Es wäre das erste Mal, dass die AfD ein Parlament wieder verlassen muss. Wir sind skeptisch, aber alles unter 7 Prozent würden wir als großen Erfolg für die Demokratie ansehen.

Die beliebtesten Politiker*innen der Hansestadt sind, nicht sehr überraschend, der Erste Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) und die Fraktionsvorsitzende der Grünen in der Bürgerschaft, Cansu Özdemir (Hamburger Morgenpost).

Hamburgwahl #3: Unser Wahl-O-Mat

Hier geht’s zum gestrigen Update des ersten Hamburgwahl-Artikels „CumEx hilft der SPD“, und nun unsere Sicht der Dinge. Erklärt in zwei simplen Schaubildern. Wir haben, wie bei allen Wahlen der letzten Jahre, den „Wahl-O-Mat“ ausgefüllt.

Die Tierschutzpartei hatten wir bisher nie vorne, aber sonst ist alles weitgehend wie gehabt. Eine Schwäche hat diese Art von Positionsbestimmung auf jeden Fall: Wir haben 13 von 38 Fragen mit „neutral“ beantwortet, fast alles spezielle Hamburg-Themen, weil wir nicht die Zeit hatten, uns in diese Themen einzulesen und eine Meinung zu ihnen zu entwickeln.

Gerade bei wirtschaftlichen Gegenständen wie der Energieversorgung und der Elbvertiefung maßen wir uns nicht an, ein Urteil abzugeben und wollten nicht in der Form auf Verdacht voten, dass jede Art von Veränderung oder der Wirtschaft dienliche Maßnahme grundsätzlich falsch ist.

Ein bisschen wollten wir auch berücksichtigen, dass Hamburg eben nicht Berlin ist und würden wir in Hamburg leben, würden wir manche Dinge vielleicht anders sehen als in einer Stadt, in der das Soziale auch deshalb so dringend und überragend wichtig ist, weil die Einkommen so niedrig sind. Hamburg hat eine andere Historie, tickt ein wenig anders und ist viel besser aufgestellt als Berlin. Der Kampf um eine solidarische Gesellschaft wird deshalb in Deutschland auch zuerst in Berlin geführt werden müssen, weil er hier dringend notwendig ist und die „kritische Masse“ dafür existiert – und dann, wenn die Krisenerscheinungen sich wieder einstellen, vermehrt in anderen Regionen.

Wie man dem Ergebnis, das um einige Regionalthemen „bereinigt“ ist, ansieht, hätten wir in Hamburg wohl DIE LINKE gewählt, während die SPD nur mittlere Zustimmung und einen Platz im hinteren Drittel verbucht. Dass DIE LINKE in Hamburg auch ökologisch vorne ist, hat kürzlich Fridays for Future schon festgestellt – von allen relevanten Parteien sind deren Positionen am meisten deckungsgleich mit denen der Jugend-Klimaprotestbewegung. Die Grünen hingegen dürften, wie die meisten Parteien, in Hamburg ein relativ konservatives Gepräge haben und regieren deshalb mit der Wirtschafts-SPD auch recht geräuscharm zusammen.

Und nun unsere Antworten im Einzelnen. Inklusive der Fragen, die wir besonders hoch gewichtet haben. Es geht nichts über Transparenz. Bei einer Frage hatten wir die Doppelgewichtung vergessen und erst nach der Erstellung der Screenshots nochmal korrigiert. Es hätte sich aber keine Veränderung in der Rangfolge der Parteien ergeben, lediglich hätten die Tops nochmal 0,4 Prozent mehr erhalten, für die abgeschlagenen Parteien wie die AfD hätten 0,4 Prozent weniger zu Buche gestanden. Was nebenbei wieder einmal beweist, dass die AfD eine Partei ist, die kein Mensch wählen darf, dem das Soziale wichtig ist.

TH

Nach unserem Schweigetag wegen des rassistischen Massakers von Hanau haben wir eine Kleinigkeit an unserem Twitter-Profil geändert und nehmen die Arbeit wieder auf. Mit der Maßgabe, uns künftig noch häufiger als in den letzten Wochen gegen Rechts zu stellen – wir hatten damit aber schon vor Hanau und vor Thüringen mit der Reihe „Diskursverschiebung nach rechts“ begonnen.

Wir könnten der Situation aber auf vielfältige Weise Rechnung tragen. Indem wir manches unter einer anderer Prämisse betrachten als bisher. Im Grunde ist es lächerlich, dass die offensichtliche Verstrickung der Hamburger SPD in die CumEx-Geschäfte der Warburg-Bank dazu führt, dass sie bei den Wähler*innen punkten kann. Im einzigen Bundesland, in dem 2020 gewählt wird, zieht sie in Umfragen den Grünen immer mehr davon.

Etwa schärfer formuliert: Bei den Hanseaten wird Hinterzimmerwirtschaft zulasten des Staates goutiert, die Hauptsache, sie erweckt den Anschein, dass sie der Stadt in irgendeiner Form helfen könnte. Tut sie aber nicht, wenn auf diese Weise viele Millionen an Steuergeldern einfach weggegeben werden. Trotzdem ist die gegenwärtige Entwicklung bezeichnend für eine Diskursverschiebung, die nicht nur nach rechts stattfindet, sondern auch oben gegen unten weitgehend abschirmt. Und die immer stärkere Konzentration auf den Kampf gegen Rechts lässt auch größere Wirtschaftsskandale mit einem Mal nebensächlich aussehen. Die Vernachlässigung der Forderung nach sauberer Politik beschädigt wiederum die Demokratie und hilft den Rechten.

Bisher war die Forderung nach einer weniger lobbylastigen Politik bei einem Wirtschaftsskandal wie CumEx / CumCum der Aspekt, den wir in den Vordergrund gerückt hatten.

Aufgrunddessen, was sich immer mehr an rechter Infiltrierung auch des sogenannten bürgerlichen Spektrums zeigt, ist aber wohl diese Sichtweise das Gebot der Stunde: Man muss froh sein, dass keine der rechten Parteien in Hamburg einen Stich machen dürfte.

Uns wäre es lieber gewesen, wenn die Grünen und DIE LINKE bessere Werte hätten, damit Hamburg, wie Berlin, eine R2G-Regierung erhalten könnte, aber wie verläuft der Wahlkampf in Hamburg, wie schlägt sich der aktuelle Erste Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) gegen seine Herausforderin Katharina Fegebank (Grüne)?

Der Wahlkampf ist nicht monothematisch und die Grünen beißen bei der SPD nicht voll zu und begnügen sich mit ihrer Rolle als Nummer zwei. Der Ehrgeiz, nach Baden-Württemberg das zweite Bundesland zu regieren, ist nicht unbedingt erkennbar und der zwischenzeitliche Umfrage-Gleichstand war wohl vor allem dem extrem günstigen Gesamttrend für die Grünen zu verdanken. Gut, dass die AfD nur bei 6 Prozent liegt und die CDU die Quittung für ihre massiven Fehler der letzten Zeit zu erhalten scheint; ärgerlich, dass die FDP trotz mindestens ebenso gruseligem Bild in Sachen Abgrenzung gegen Rechts wieder in die Bürgerschaft einziehen könnte.

Trotzdem bleibt das Nachdenken über ein Mindset, welches dazu führt, dass der CumEx-Tatbestand einer Regierungspartei, die ziemlich tief in dieser Sache drinsteckt, bei Hamburger Wähler*innen nicht schadet, sondern, dass vielmehr das Gegenteil der Fall zu sein scheint.

Update:

Etwa zeitgleich zum Erscheinen unseres gestrigen Artikels schrieb Wolfgang Michal im „Freitag“ einen Beitrag, der die Hintergründe erhellt – warum die Hamburger SPD so stark ist und wohl morgen das beste Ergebnis in allen 16 Bundesländern einfahren könnte. Darin finden sich viele Details, die wichtig zum Verständnis der Situation in der Hansestadt sind – und die belegen, dass wir das Mindset recht gut verstanden haben. Eine Hand wäscht die andere und alle zusammen ziehen an einem kapitalistischen Strang, der so lange allen dient – wie das System es grundsätzlich erlaubt. Ein Fall wie CumEx ist daher für manche wohl der Ausweis dafür, dass die Zusammenarbeit zwischen Politik und Wirtschaft gut funktioniert, auch wenn dabei der eine oder andere Verlust für den Staatssäckel entsteht.

 Bei der Abschlusskundgebung im Curio-Haus sprechen Ministerpräsidentin Malu Dreyer und die Bundesminister Hubertus Heil und Franziska Giffey. Ausgesperrt wurden Kevin Kühnert und die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. In Hamburg soll alles beim Alten bleiben, heißt es im Freitag-Artikel.

Im Anschluss wird beschrieben, wie die Stadt sich so progressiv und bürger*innenfreundlich gibt, dass die mitregierenden Grünen sich repräsentiert sehen und die Opposition kaum Chancen hat, etwas zu bemäkeln und wie die Grundlage für diese Politik aussieht: Sie mischt in der Wirtschaft der Stadt federführend mit, sie hilft, sie bekommt dafür etwas zurück und sie kann antizyklisch handeln. Deswegen sind wir auch nicht der Ansicht, dass die SPD die Hamburger CDU ist, denn die Politik ist nicht nur interventionistisch, sondern trägt auch staatskapitalistische Züge. In keinem anderen Bundesland sind sich Kapital und Politik wohl so nah wie in Hamburg, ohne dass der sozialdemokratische Anstrich verloren geht. Daraus folgt auch eine hohe Kompetenzzurechnung an die SPD, die sie in Berlin beispielweise nicht für sich beanspruchen kann.

Die Lebenshaltungskosten sind freilich sehr hoch und die Lage am Wohnungsmarkt ist nicht so gut, wie Immobilienverbände glauben machen wollen – hier geht es teuer zu. Was für Berlin ein noch recht neues Phänomen darstellt, ist in Hamburg Tradition: Man muss sich die Hansestadt leisten können.

Wenn etwas als vorbildlich herausgreifen sollen, dann ist es sicher der hohe Beteiligungsanteil der Stadt an der Wirtschaft. Wie es mit modernen partizipativen Modellen aussieht, in einer Kommune, in der Staat und Patrizier herrschen? Unser Gefühl: Es wird darauf nicht so viel Wert gelegt wie in Berlin, wo Kooperation oft von unten und nicht selten aus der Not heraus entsteht.

Der Stadtstaat an der Elbe hat derzeit das höchste Pro-Kopf-BIP aller deutschen Bundesländer. Ein scharfer Konjunktureinschnitt, der Produktion (z. B. Airbus) und Handel (Hafen) gleichzeitig erfasst, wäre in Hamburg allerdings besonders deutlich zu spüren. Airbus will zum Beispiel Stellen streichen und davon sollen deutsche Standorte, sprich, Hamburg-Finkenwerder, besonders betroffen sein, der Welthandel stottert ohnehin. Reicht die Substanz und reicht der Comment aus, um das Hamburger Modell auch bei wirtschaftlicher Sturmflut zu erhalten? Wir werden es in der nächsten epidemischen Ausprägung der Kapitalismuskrise sehen.

TH

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