Russland-Ukraine-Krieg: Bleibender Schaden für die Wirtschaft? +++ Wie Freunde Putins sich pazifistisch geben, um Putins schnellen Sieg zu ermöglichen | Frontpage | Geopolitik-Report 4 | Krieg und Frieden in Osteuropa

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„Einige versuchen das oder haben den Anspruch, absolut Bescheid zu wissen und müssen scheitern. Wir hingegen wissen, dass eine differenzierte Darstellung bei weitem weniger social-media-wirksam ist als ein paar knallige Schlagwörter. Wir wissen auch, dass ein Einstieg in die Geostrategie auf so viele andere Themen übergreift, dass es nie zu einem Ende kommen wird mit neuen Aspekten, die berücksichtigt werden müssen und Vertiefungen, bei denen wir an unsere Grenzen stoßen werden. Trotzdem gehen wir in kleinen Schritten weiter. Anlässlich unseres Beitrags „Nein zum Krieg – Aufruf“[1] haben wir einige Punkte festgehalten, die gegenwärtig das Korsett unserer Überlegungen in Sachen Krieg in der Ukraine bilden. Der heutige Titel des Reports beschreibt hingegen den Versuch, trotz allem etwas wie eine Linie zu finden.“ (Vorwort zum Report Nr. 4)

Der Russland-Ukraine-Krieg zeigt, wie sehr auf der Welt ganz viele Dinge miteinander verquickt oder verstrickt sind, die es der Politik, aber auch den Journalist:innen unmöglich machen, etwas wie die Weltformel ausgerechnet in diesen Zeiten und anhand dieses Ereignisses zu entwickeln.

Vom Massaker von Butscha wussten wir noch nichts, aber im Grunde ändert es auch nicht viel: Man sucht nach Möglichkeiten, Russland so unter Druck zu setzen, dass Putin einlenkt und es zu einem Kompromissfrieden kommt. Keinesfalls darf man damit den Vorschlägen von Politiker:innen folgen, die zu Russland ein ganz und gar irrationales Verhältnis haben, die gegen jede Sanktionierung Russlands sind und der Ukraine empfehlen, nicht mehr zu kämpfen, damit das Sterben aufhört und ein Ausgleichsfrieden erzielt werden kann.[2] Wo liegt der ganz offensichtliche Logikfehler, angesichts des bisherigen russischen Vorgehens? Wir schreiben auch mal auf, was wir nahezu unerträglich finden: Dass auf diese Weise ein vollständiger Sieg Russlands, das einen Angriffskrieg auf fremdem Territorium führt, mit vorgeblichem Grauen vor den Massakern Russlands herbeibegründet werden soll. Eine Prämie für Butscha und andere Kriegsverbrechen also. Dass Menschen, die angeblich antifaschistisch denken, so etwas schreiben, ruft bei uns nur noch blankes Entsetzen hervor.

Um es noch einmal klarzumachen: Russlands Regierungssystem entwickelt sich immer mehr in Richtung faschistisch, nach allen gängigen Kriterien des Verhaltens einer Administration im Inneren wie im Äußeren, imperialistisch ist es ohnehin, der Ansicht sind wir nicht erst seit dem Krieg gegen die Ukraine. Wem das alles nicht auffällt, der sollte nicht erwarten, dass er bei Wahlen die Stimmen von halbwegs denkfähigen Menschen bekommt. Damit wollen wir nicht ausdrücken, dass wir die Regierung der Ukraine super finden, wir wissen um deren Rechtslastigkeit, aber sie hat nicht Russland überfallen, sondern umgekehrt.  

Wichtige Fragen als Umfragen

finden Sie in diesem Artikel, heute haben wir eine weitere, aktuelle Frage für Sie gefunden:

Civey-Umfrage: Sorgen Sie sich, dass die neuen EU-Sanktionen gegen Russland auch Deutschlands Wirtschaft nachhaltig schaden werden? – Civey

Der Begleittext dazu lautet:

Als Konsequenz auf die mutmaßlich durch Russland verübten Kriegsverbrechen in der Ukraine, haben die EU-Mitgliedstaaten das fünfte große Sanktionspaket verabschiedet. So soll es etwa einen Importstopp für Kohle und Erzeugnisse wie Holz, Zement und Vodka geben. Zudem ist ein Ausfuhrverbot für Schlüsseltechnologien wie Quantencomputer oder Halbleiter in Planung.

Deutschland ist in hohem Umfang auf russische Rohstofflieferungen angewiesen. Besonders die heimischen Energie- und die Stahlerzeuger werden deshalb von dem Importstopp betroffen sein. Sähe das Paket nicht eine dreimonatige Übergangsfrist vor, könnte es der Zeit zufolge nach wenigen Wochen zu einer Kohleknappheit kommen. Dies könnte gravierende Konsequenzen für die deutsche Stromversorgung haben.

Das Wirtschaftsministerium plant daher bis Herbst vollständig unabhängig von Kohle-Importen aus Russland zu sein. Laut Manager Magazin gäbe es genug Alternativen auf dem Weltmarkt. Um Bevölkerung und Privatwirtschaft zu unterstützen, kündigte Finanzminister Christian Lindner (FDP) zudem weitere ​​Entlastungspakete an. Dennoch machte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im RBB klar, dass die steigenden Kosten durch den Krieg nicht vollends vom Staat aufgefangen werden können.

Die Überschrift über dem Begleittext, der aus dem Civey-Newsletter stammt, enthielt nicht das Wort „nachhaltig“, das ist aber sehr wichtig. Gegenwärtig sind ca. 50 Prozent der Abstimmenden der Ansicht, dass dies der Fall ist, weitere ca. 17 Prozent sagen „eher ja“. Zu Letzteren haben wir uns gestellt. Kurzfristig werden die aktuellen und weitere Sanktionen, die sich dann, um Russland wirklich zu treffen, nur noch auf Öl und Gas beziehen können, auf jeden Fall schaden. Aber „nachhaltig“? Nachhaltig sollte ein positiv besetzter Begriff sein, und es ist durchaus nicht sicher, ob die deutsche Wirtshaft durch die nunmehr erzwungenen raschen Umstellungen auf ebenjene Nachhaltigkeit nicht sogar profitieren wird. Man kann sie nicht mit den Ökonomien anderer EU-Länder vergleichen, weil sie immer noch wesentlich stärker produktionsorientiert ist, außerdem hat die arbeitsbplatzintensivste dieser Produktionsindustrien, die Autoindustrie, ohnehin viele Herausforderungen zu bewältigen: Die Umstellung auf Elektroantrieb unter zwangsläufiger Aufgabe der deutschen Spitzenkompetenz bei Verbrennern, Materialengpässe und andere Auswirkungen der Corona-Pandemie. Durch einen sofortigen Rohstoffimportstopp würden weitere Industrien erheblich in Mitleidenschaft gezogen. Die Gewinne sind übrigens weiterhin hoch, das sollten wir nicht aus dem Blick verlieren, nur die Produktionsziffern gehen einstweilen zurück.

Ein „nachhaltiger“ im Sinne eines bleibenden Schadens wäre es, wenn Arbeitsplätze und ganze Branchen für immer abwandern würden, das sehen wir derzeit noch nicht. Wir sehen im Moment sogar die Chance, die deutsche Wirtschaft endlich für die Zukunft fit zu machen, die viel zu lang auf Traditionelles anstatt weltmarktfähig Innovatives gesetzt hat und die Politik der Merkel-Regierung hat mitgeholfen, neue Hoffnungsbranchen zu zerstören. Wenn wir viel Glück haben, erwächst aus den aktuellen Krisen endlich die strategische Wirtschaftspolitik, die wir schon lange fordern, die aber unter Angela Merkel nicht einmal in Ansätzen zu erkennen war. Der Staat muss nun den Wandel nicht nur kommentieren oder gar verhindern, sondern helfen, ihn anzuschieben. Von russischen Rohstoffen, wahlweise Rohstoffen aus anderen mit schwierigen Regierungen und mit wenig oder gar keiner Demokratie darf das Wohl der hiesigen Ökonomie jedenfalls nicht mehr abhängen. Mehr als Russland und seit es den Wahlberliner gibt, haben wir dabei China im Auge. Alles, was wir vor zehn Jahren vorausgesagt haben, ist eingetroffen, ohne dass der Westen endlich konsequent dagegenhält. Der Reichtum der Demokratie mit ihrer Vielfalt ist insofern auch ihr Fluch, weil nicht so einfach strategisch durchgeplant werden kann. Aber es hilft nichts, wir müssen lernen, Freiheit und Denken über den Tag hinaus sinnvoll zu koordinieren, sonst werden die Gefahren und Herausforderungen immer größer und werden am Ende tatsächlich einen erheblichen, dauerhaften Wohlstandsverlust mit sich bringen.

Deswegen hat uns das gezeigte Statement von Wirtschaftsminister Habeck gleichzeitig geärgert und amüsiert: Wen wird es wohl treffen, wenn der Staat nicht alles auffangen kann, was der Krieg mit sich bringt? Diejenigen, die diesen Laden am Laufen halten und den Politikern und anderen Privilegierten ein angenehmes Leben bereiten vor allem. Das Trotzdem-Amüsement hat ein anderer Satz hervorgerufen. Angesichts der allseits bekannten Stärke der europäischen Halbleiterindustrie wird Russland vermutlich von einem Tag auf den anderen zusammenbrechen, wenn sie keine Chips mehr in Putins Reich liefert. Dass man diese Mega-Maßnahmen nicht früher gedacht hat, ist geradezu grob fahrlässig.  

Grundsätzliches

  • Militarisierung ist immer auch Entdemokratisierung. Wir haben in unserem System schon genug Probleme dadurch, dass die Politik dem Kapital im Allgemeinen gegenüber zu hörig ist. Eine Militarisierung ist eine Radikalisierung dieser Klassenordnung, denn nun geht es nicht nur mehr als bisher um den Export des Todes, um die Dominanz militärischer Strukturen und militärischen Denkens auch im Inneren, sondern im schlimmsten Fall wieder darum, dass die Söhne und mittlerweile auch Töchter einfacher Menschen für die Interessen des Kapitals und nicht etwa für die Freiheit auf direkte Weise geopfert werden, indem sie, ideologisch aufgerüstet und doch ohne Verständnis für die Zusammenhänge und die Interessen, deren Opfer sie sind, in den Krieg geschickt werden. Diese jungen Menschen sehen wir vor uns und weigern uns schon ihretwegen, der Militarisierung das Wort zu reden. Wir sehen aber auch die Kriegslasten, die vor allem von der weniger betuchten Mehrheit der Bevölkerung zu tragen sind und verweigern uns dem nächsten Krieg, der wieder lediglich zu Leid und noch mehr Ungleichheit führen wird.[3] Wir tun das, obwohl wir seinerzeit als Wehrdienstleistende klar hinter dem defensiven Auftrag der Bundeswehr gestanden haben, der trotz der gefährlichen Blockkonfrontation niemals aufgegeben wurde, der konstitutiv für das Gepräge einer nicht perfekten, im Kern jedoch nachfaschistischen und frühere falsche Traditionen infrage stellenden Ordnung war. Fast gleichzeitig haben wie zwei der größten Friedensdemos besucht, die es in der alten BRD gab, 1983 in Bonn und 1988 auf dem Hunsrück. Das eine und das andere tun und in beidem einen Sinn sehen, das war damals gelebte Demokratie. Wir hatten das Gefühl, in unserem Recht zu sein und unser Schicksal mitbestimmen zu können.
  • Konventionelle Hochrüstung bewirkt im aktuellen Krieg gar nichts. Putins Soldaten sind schon in der Ukraine und trotz hoher Verluste werden sie nicht einfach von dort verschwinden. Sie werden auch kein Moratorium einlegen, bis der Westen noch mehr rüstet, um statt der 20-fachen vielleicht die 30-fache konventionelle Übermacht darzustellen. Der Krieg könnte schnell nur auf eine Weise beendet werden: Die ukrainische Regierung bietet Putin etwas an, was man auch ohne Krieg hätte haben können: Die Neutralität des Landes, etwa nach österreichischem Vorbild, die Abtretung des Donbass und der dortigen „Volksrepubliken“ an Russland bzw. dessen Einflusszone und auch die endgültige Anerkenntnis der Tatsache, dass Russland sich die Krim längst einverleibt hat. Es ist hingegen nicht an uns, darüber zu entscheiden, ob das ukrainische Volk diese Form von Niederlage und den Verlust rohstoffreicher Gebiete als einen Ausweg ansieht. Es ist auch nicht an uns, gute Tipps in der Richtung zu geben, ob und wie man sich weiter verteidigen soll. Schon gar nicht ist es redlich von uns, den Krieg damit aus dem Sinn und als Störfaktor des persönlichen Wohlbefindens eliminieren zu wollen, dass man sagt, die Menschen sollen doch endlich vor Putins Übermacht kapitulieren. Das ist zynisch und auch der Hinweis auf den möglichen Erfolg eines jahrelangen Partisanenkriegs à la Afghanistan ist zynisch. Es ist sogar eine Anmaßung von uns, darüber zu philosophieren. Einige tun es trotzdem, und dies mit Hingabe und stellen sich damit in den ethischen Zweifel.[3]
  • Konventionelle Hochrüstung bewirkt generell nichts. Wir sind der Auffassung, dass die Bundeswehr einsatzbereit sein sollte, wenn es zu einem echten, unwiderruflichen Auftrag kommt, auch im Rahmen der UNO, das ist ihre Aufgabe, dafür ist sie eine Berufsarmee und jede:r, der / die dort dient, weiß, worauf er oder sie sich einlässt. Im Gegenzug dürfen die Angehörigen der Streitkräfte erwarten, gut ausgerüstet und kompetent geführt zu werden. Genau das war aber in den letzten Jahren nicht der Fall und eines bedingte das andere. Unfähige Verteidigungsminister:innen haben es geschafft, trotz bereits erfolgender Hochrüstung in den letzten Jahren die Bundeswehr herunterzuwirtschaften. Der deutsche Rüstungsetat ist aktuell etwa so hoch wie der Frankreichs, eines Atomstaats in jeder Hinsicht, der über eine größere Armee verfügt und von dem niemand sagen würde, er sei militärisch nicht kapabel im Rahmen dessen, was ihm innerhalb der NATO an Aufgaben zufallen könnte. Die Misswirtschaft in der Bundeswehr mit noch mehr Geld für noch mehr Misswirtschaft bekämpfen zu wollen, ist inakzeptabel und nützt lediglich der Rüstungsindustrie.
  • Außerdem verweisen wir immer wieder gerne darauf, dass die NATO im konventionellen Bereich Russland haushoch überlegen ist, es aber auf die Atomstreitkräfte maßgeblich ankommt, und diesbezüglich herrscht nach wie vor ein Gleichgewicht, das uns sicher sein lassen darf: Solange der Westen nicht auf die Idee kommt, einen atomaren Erstschlag auszuführen oder eine Lage so zu eskalieren, dass in Russland die Sicherungen endgültig durchbrennen, wird niemand uns oder ein anderes NATO-Land angreifen. Deswegen ist es richtig, in der Ukraine jetzt keine Schritte zu unternehmen, die genau eine solche Eskalation mit sich bringen könnten. Von der Ukraine zum Beispiel auf die baltischen Staaten zu schließen, ist jedoch ein Denkfehler. Sicher, wir haben bei der Einschätzung von Wladimir Putin fast alle Fehler gemacht. Nun deswegen die Domino-Theorie wieder ins Spiel bringen zu wollen, aber dieses Mal mit NATO-Staaten, die weitreichende Schutzrechte genießen, geht zu weit. Außerdem erinnern wir uns bitte daran, dass noch vor wenigen Jahren hierzulande viel mehr Menschen Angst vor Trump als vor Putin hatten, nach unserer Auffassung damals zu Recht.
  • Eine weitere Hochrüstung der NATO, wenn der nächste US-Präsident vielleicht wieder ein Scharfmacher oder gar Trump selbst ein sollte, kann die früheren Sicherheiten keinesfalls wiederherstellen, an die wir uns so kommod gewöhnt haben. Lieber sollte, mit welcher US-Administration auch immer, die Auseinandersetzung um das leider ohnehin fragwürdige, weil komplett unflexible 2-Prozent-Ziel (Rüstung = mindestens 2 Prozent des BIP) wiederaufgenommen werden. Die 1,5 Prozent, die wir derzeit in Deutschland haben, reichen vollkommen aus, wenn sie effizient eingesetzt werden und sie erhöhen die Schwelle, das Militär überall unbedacht in Kampfhandlungen einzusetzen auf ein der Ratio bekömmliches Maß. Sprich: Man fühlt sich nicht so stark, dass man Imperialismus mit Waffengewalt immer mehr als wiederstandene Politik alter Zeiten pflegt. Einsätze wie der letztlich sinnlose in Afghanistan haben das Budget stark belastet. Wir haben hierzulande glücklicherweise nicht den politischen Druck, dass eine gigantische Waffenindustrie permanent gefüttert werden muss, wie das in den USA der Fall ist. Vielmehr sind die USA auf Europa angewiesen, nicht mehr umgekehrt, wie in den Zeiten der bipolaren Weltordnung. Nur mit Europa können die Vereinigten Staaten ihre geostrategischen Ziele erreichen. Zusammen mit einigen weiteren stark westlich geprägten Staaten sind sie die einzig verlässlichen Partner. Wie sich große „neutrale“ Staaten verhalten, sehen wir hingegen derzeit im Bereich der Sanktionen gegen Russland. Mit europäische Stärke und auch mit europäischer Friedensexpertise mehr zu punkten, mehr Kooperation von den USA und mehr Willen zur Errichtung einer fairen Weltordnung einzufordern, das trauen sich die meisten europäischen Politiker:innen leider nicht zu.
  • Vielmehr riskieren Politiker:innen derzeit, den ohnehin aus sozialen Gründen gefährdeten inneren Frieden weiter zu destabilisieren, wenn sie signalisieren, dass für wichtige Zukunftsprojekte wenig, für soziale Sicherheit gar nichts, fürs Militär aber fast unbegrenzte Summen zur Verfügung stehen, für deren Bereitstellung sogar das Grundgesetz geändert werden soll. Eine Verfassung, die man leider ohnehin weit auslegen kann, was das BVerfG auch im Sinne des Neoliberalismus-Klassismus allzu gerne tut. Bis jetzt bewahrheitet sich leider, dass SPD und Grüne kein Bollwerk gegen kopf- und sinnlose Kriegstreiberei sein möchten, was viele vor Antritt dieser Regierung schon befürchtet hatten, bewahrheitet sich also. Man soll sich auch nicht davon täuschen lassen, das Olaf Scholz ein direktes Eingreifen in der Ukraine ausschließt, denn bei allem, was er ist, für einen Selbstmörder halten wir ihn nicht und außerdem ist diese Haltung billig, weil von den USA bestimmt wird, wie weit die NATO zu gehen hat oder nicht und dort denkt man im Moment nicht an ein direktes Engagement. Schon gar nicht, wenn man vorgibt, sich bei den Sanktionen an die Spitze zu stellen, was ebenfalls simpel ist, solange man im relevanten Bereich von Russland nicht so abhängig ist wie einige europäische Staaten, speziell Deutschland.
  • Die Energiepolitik und ob man sich hierzulande zu sehr auf Putin eingelassen hat, das ist ein weites Feld. Aber wir stimmen zu, dass erneuerbare Energien auf jeden Fall mit dem Begriff „Friedensenergien“ recht treffend umschrieben sind. Allerdings nicht allumfassend. Denn mehr Unabhängigkeit, mehr Autarkie, führt nur dann zu mehr Frieden, wenn man selbst die dadurch verbesserte Position nicht nutzt, um überall auf der Welt aggressiver auftreten zu können. Die ewige Kräftemeierei Russlands und der USA sind auch rohstoffbasiert und aus dem Bewusstsein heraus geführt, dass man genug davon hat. dass man noch mehr davon haben möchte und sich dafür Einfluss auf der ganzen Welt zu sichern gedenkt. Eine weniger auf fossilen Rohstoffen basiernde Weltwirtschaft hilft also zunächst einmal dem Frieden und dem Klima gleichermaßen. Die Menschen, zumindest gewisse sehr machtorientierte Menschen, tendieren dazu, alles Gute zu missbrauchen, es von seinem Zweck zu entfremden, deswegen ist dies nur eine vorläufige Einschätzung.
  • Unsere Rubrik „Demokratie in Gefahr“ zeigt uns ohnehin eine Prioritätensetzung auf, von der man sich auch durch den Ukraine-Krieg nicht ablenken lassen darf. Während der Pandemie hat sich in der Tat gezeigt, wie eng die Grenzen der hiesigen Infrastruktur sind, gleiches gilt auch in anderen Bereichen als der Gesundheitsversorgung, einige sind im Appell aufgeführt. Wenn eines Tages die Demokratie und die Bürger:innen so ausgezehrt ist, dass nur noch das Militär die Ruhe im Land mit Gewalt sichern kann, dann erst wird uns allen klar werden, warum einige so auf der permanenten Hochrüstung bestanden haben, die keine guten Demokrat:innen sind. Niemals zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik hat die Mehrheit der Menschen so viel an finanzieller Substanz verloren wie in den letzten Jahren und noch einmal verstärkt seit Antritt der neuen Bundesregierung. Das wird erhebliche Folgen haben, wenn noch mehr Geld in die Rüstung und noch weniger in Bildung und ökologischen Fortschritt gesteckt wird. Alles zusammen wäre theoretisch möglich, aber äußerst riskant. Mittlerweile zeigt sich, dass die lockere Geldpolitik in der EU an ihre Grenzen stößt. Eine Zeit konnte man das Wirtschaftswachstum in Maßen hochhalten und die Inflation doch recht niedrig, derzeit sieht es genau umgekehrt aus, nämlich so, wie es in den Lehrbüchern steht, wenn eine solche Situation zustande kommt, wie wir sie im Moment haben. Nicht nur Russland leidet, vor allem unter Sanktionen, sondern auch der Westen, eben durch diese Sanktionen und darunter, dass er wirtschaftspolitisch über viele Jahre hinweg nicht seine Hausaufgaben gemacht hat. Deren Erledigung durch mehr Waffen kaufen zu substituieren, ist der Weg schwacher Regierungen und von autokratischen Systemen, nicht der einer gefestigten Demokratie. Die Versuchung ist groß, das BIP jetzt durch Rüstung anzukurbeln, aber es ist das genaue Gegenteil von Nachhaltigkeit. Vor allem die Grünen müssen uns außerdem mal bitte erklären, wie sie ihre ökologischen Ziele mit permanenter Hochrüstung vereinbaren wollen. Das Militär ist einer der größten Umweltverschmutzer überhaupt, selbst, wenn es nicht in Kriegen unterwegs ist und Zerstörungen anrichtet. Und es ist auch nicht so leicht zu transformieren wie weite Bereiche der zivilen Wirtschaft. 
  • Es gibt keinen Frieden mit immer mehr Militarismus, das sollte uns die Vergangenheit gezeigt haben. Die jüngeren Generationen kennen zwar den Krieg hierzulande nicht aus eigener Anschauung, auch dank einer Politik, die überwiegend auf das Machbare gesetzt hat und nicht leichtsinnig war. An dieser Vorsicht muss man festhalten, die Herausforderungen für uns als verletzliche, für Krisen aller Art ziemlich anfällige Subjekte in einem von uns selbst sehr auf Kante genähten ökonomisch-ökologischen System sind auch ohne weitere weltpolitische Konflikte wahrhaft groß genug. 
  • Die Wirtschaftssanktionen halten wir grundsätzlich für sinnvoll, aber wissen auch um die Grenzen, was die Beeinflussungsmöglichkeiten des Krieges auf diese Weise angeht. Nicht hingegen angängig ist, dass viele, die selbst davon gar nicht betroffen sind, den Ärmeren der Gesellschaft nun empfehlen, die Folgen der Sanktionen mehr oder weniger alleine tragen zu müssen. Es sind politische Kämpfe, die hier ausgefochten werden, auf dem Drücken aller Beteiligten, auch der Bevölkerung in den sanktionierenden Staaten. Das heißt, diese Menschen müssen von Nachteilen so weit wie möglich freigestellt werden und der Blick ist zu denen hinzuwenden, die von jeder Krise finanziell profitieren. Wie verkommen diese neoliberale, neofeudale Ansätze zeigende Weltordnung mittlerweile ist, kann man an einem einfachen Beispiel festmachen: Als die USA die Weltwirtschaftskrise der 1930er zu bewältigen hatten und dann die enormen Kosten der Hochrüstung im Zweiten Weltkrieg, war Konsens, dass die Reichen dafür einen besonders hohen Beitrag zu leisten hatten. Für die Freiheit, für ihre eigene Freiheit, weltweit ungehindert handeln zu dürfen, natürlich auch. Das mussten sie sich aber auch etwas kosten lassen und von davon, dass die allgemeine Bevölkerung dadurch ein vernünftiges Einkommen hatte, waren die USA nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs das in jeder Hinsicht stärkste Land der Erde. Heute hingegen werden Auseinandersetzungen vor allem auf Kosten der weniger Begüterten ausgetragen und es wird tatsächlich noch über weitere Steuersenkungen nachgedacht, speziell im letzten echt neoliberalen Land namens BRD, während Joe Biden immerhin eine weltweite (zu niedrige) Unternehmenssteuer durchsetzen will und versucht, die Reichen im eigenen Land wieder mehr an den Kosten einer Geostrategie zu beteiligen, die nicht mehr so ethisch eindeutig gerechtfertigt ist ist wie im Kampf gegen die Nazis.
  • Schlussendlich geht es, und dies ist hoffentlich nicht der unwichtigste Aspekt, um die Leben der Menschen in der Ukraine und in anderen Kriegsgebieten. Wir können jetzt nur helfen, mit Spenden oder die Geflüchteten bereitwillig aufnehmen, wir können auch nicht alle Konflikte auf der Welt vermeiden, indem wir uns deeskalierend verhalten. Aber wir dürfen keine falschen Schritte manchen, weil uns die richtigen längst zu kompliziert, zu mühsam, ja, auch zu wenig aufregend und zu wenig medial verwertbar geworden sind. Übermut und Eitelkeit auf Kosten anderer dürfen nicht unser Handeln bestimmen, schon gar nicht darf die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft unter unsinnig riesigen Waffenarsenalen zusammenbrechen. Deswegen: Die Waffen nieder! Militärisch das Notwendige tun, dazu gehört auch, dass man die Ukraine jetzt nicht einfach alleine lässt und das als Fortsetzung der Entspannungspolitik verkaufen möchte.[4] Nicht das im Moment wohlfeil Erscheinende, auf längere Sicht damit aber zusätzliche Fehlsteuerungen und Belastungen in einer krisenanfälligen Zeit verursachen. Um auch dies klar zu schreiben: Die Belastungen und Fehlentwicklungen aus 16 Jahren Kanzlerschaft Angela Merkel müssen wir erst einmal aufarbeiten und beherzt reduzieren, anstatt schon wieder neue zu schaffen, kaum, dass die aktuelle Regierung die Geschäfte übernommen hat.  

[1] 1 Monat Ukraine-Krieg: #DerAppell – Nein zum Krieg (Aufruf) | Geopolitik | Ukraine-Krieg – DER WAHLBERLINER

[2] „Ich finde: Die Gräuelbilder von Butscha mahnen nicht dazu, den Krieg und die Gewalt weiter zu eskalieren. Sie mahnen, dass alles dafür getan werden muss, dass die Waffen schweigen und das Grauen nicht weitergeht! Und die einzige Möglichkeit, in überschaubarer Zeit ein Ende dieses Krieges zu erreichen, sind Verhandlungen, in denen sich beide Seiten aufeinander zubewegen.“ (Sahra Wagenknecht, Frieden für die Ukraine – wie der Krieg beendet werden kann | Revue (getrevue.co))

[3]Lesen Sie hierzu unsere Artikel:

Boom und Crash – Wie Spekulation ins Chaos führt (DE 2021) #Filmfest 760 #Geopolitik #Wirtschaft – DER WAHLBERLINER

Wo die 2.755 Miliardär:innen herkommen +++ Wachstum 2021 um mehr als 30 Prozent | Frontpage | Wirtschaft, Gesellschaft | Die Superreichen, Oben und Unten – DER WAHLBERLINER

Fragen Sie sich, für wen werden Kriege wirklich geführt? Wer profitiert davon und wer riskiert sein Leben, wer verliert alles, wer hat das Leid und wer den Spaß, in solchen Krisensituationen? Überprüfen Sie anhand dieser Überlegung die Aussagen von Politiker:innen, von Fachleuten, die möglicherweise auch Interessenvertreter:innen sind, von allen Menschen, die in den Medien auftreten, denn sie alle haben eine Agenda.

[4] „Ist die Idee der Entspannungspolitik gescheitert?“ lautet die Absatzüberschrift im Wagenknecht-Newsletter vom 31.03.2022, dort heißt es weiter: „Der Krieg und das Leid in der Ukraine werden durch eine weitere Eskalation im Gas-Streit mit Russland und eine Verschärfung des Wirtschaftskrieges nicht beendet. Auch Waffenlieferungen in die Ukraine werden keinen Frieden schaffen. Nur mit einer international akzeptierten Verhandlungslösung, die die Interessen beider Seiten berücksichtigt, gibt es die Chance zu einer dauerhaft friedlichen Lösung des Konflikt0,es.“ Der Wirtschaftskrieg gegen Russland schadet vor allem uns selbst | Revue (getrevue.co) – Sahra Wagenknecht. Klingt beim ersten Hören super, vor allem, weil Wagenknecht sich auf die besseren Zeiten, die Entspannungspolitik von Willy Brandt und seines Strategen Egon Bahr bezieht. Klar, die beiden haben sich auch durch den „Prager Frühling“ nicht beirren lassen. Was Wagenknecht aber wirklich sagt: Ukrainer:innen, hört auf zu kämpfen, ergebt euch Putin, damit er euch eine ihm gefällige Regierung verpassen und den Osten abnehmen kann. An den Westen gerichtet: Wer den Abwehrkampf der Ukraine unterstützt, der ist für das Leid dort verantwortlich. Das ist eine komplette Verdrehung der Tatsachen. Wir haben auch den Artikel gelesen, den Wagenknecht erwähnt. Wir sind in vielen klassenpolitischen Dingen mit der Autorin einer Meinung, bei diesem Artikel in vielen Punkten nicht. Denn was uns neuerdings immer häufiger auffällt: Die Klassenpolitik wird einer allzu großen Putin-Affinität geopfert. Wir äußern uns noch einmal dazu im Zusammenhang mit den Wirtschaftssanktionen.

TH

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