Crimetime 1132 – Titelfoto © SFB / RBB
Keine Insel mit zwei Palmen
Katz und Mäuse ist eine Folge der ARD-Krimireihe Tatort. Die vom Sender Freies Berlin (SFB) produzierte Episode wurde erstmals am 23. August 1981 ausgestrahlt. In seinem zweiten Fall muss Kommissar Walther einen scheinbaren Entführungsfall, aus dem sich ein Mord entwickelt, aufklären. Der Film wurde im März und April 1981 in West-Berlin gedreht.[2] Das Szenenbild erstellte Frank Hein.
Diesen Berliner Tatort haben wir im Rahmen der Reihe „Alte Tatorte des SFB, frisch restauriert“ im Sommer 2017 rezensiert und somit eine bis zu diesem Zeitpunkt komplette Sammlung der Berliner Tatorte der 1970er und frühen 1980er erstellen können:
- Der Boss (Tatort 13)
- Rattennest (22)
- Tod im U-Bahnschacht (Tatort 57)
- Transit ins Jenseits (69)
- Feuerzauber (80)
- Sterne für den Orient (93)
- Gefährliche Träume (104)
- Beweisaufnahme (122)
- Der vorliegende Tatort „Katz und Mäuse“ (127)
Handlung (1)
Zwei junge Leute, Arne und Sophie, beobachten sorgfältig einen Polizeibeamten aus ihrer Nachbarschaft und versuchen herauszubekommen, ob er ein wichtiger Mann bei der Kripo ist.
Während üblicherweise die Polizei die Täter verfolgt, sind diesmal die Verfolger die Täter selbst. Die künftigen Täter Arne und Sophie planen eine Erpressung und wollen sich der Polizei bedienen, damit die Sache klappt.
Sophie arbeitet im Maklerbüro von Heike Witkamp und ist deren langjährige Vertraute. Aber seit sie Arne liebt, möchte sie von Heike weg, möchte mit ihrem Arne überhaupt von Berlin fort auf eine ferne Insel. Da Heike für solche Träume gar kein Verständnis hat, soll nun also Sophie das Opfer einer vermeintlichen Entführung werden. Sie wollen Heike um ein ordentliches „Lösegeld“ bringen.
Zunächst scheint der Plan aufzugehen, aber Heike ahnt etwas. Arne kommt zwar zu dem Lösegeld, erfährt jedoch wenig später von einer unerwarteten und schlimmen Wendung des Falles. Der Kommissar lässt sich nicht zu voreiligen Schlüssen verführen.
Rezension
Nachdem nun der RBB, vom Beginn der SFB-Tatorte aus gesehen, zehn Jahre vorangekommen ist, kann man eine Zwischenbilanz ziehen – zu den „klassischen“ Tatorten aus der Zeit, in welcher Berlin eine geteilte und gespaltene Stadt war. Gerade gestern habe ich auf Facebook wieder einen Kommentar gelesen, der etwa so lautete: War so gemütlich damals in Westberlin und man konnte sich auch nicht verfahren, weil man irgendwann an der Mauer landete. So kann man’s auch sehen und in solchen Aussagen steckt ganz viel Entlarvendes darüber, wie den Berlinern zwar nicht die Schnauze abhandengekommen war, während der eingeschlossenen Jahre, wohl aber der freie Blick fürs Große und Ganze. Viele der Berliner Tatorte aus der Zeit muten heute höchst eigenartig an, große Würfe sind selten darunter, aber diese Mischung aus Fremdheit und Vertrautheit werden alle Westdeutschen kennen, die sich hier irgendwann angesiedelt haben. Man kennt es – und kennt es nicht. Die Marken sind westlich, der Stil anhaltend berlinerisch, die Sprüche typisch für die Stadt, die Kultur ein Mix aus trotzigem Behauptungswillen und Kopie einer Kopie, denn der Westen war ja schon eine Art minimalisierte Kopie der USA, Subventions-Berlin wiederum eine Art Verdichtung und auch ein Zerrspiegel der westdeutschen Kultur.
Die Tatorte jener Zeit haben das wunderbar eingefangen, das gilt auch für „Katz und Mäuse“. Der Wunsch, auf einer Insel leben zu wollen und nicht mehr in Berlin, ist in Berlin schon hintersinnig, das muss man sagen. Gesellschaftlich ist manches progressiv, wie die lesbischen Beziehungen, die Firmenchefin Heike pflegt, aber das junge Paar wirkt furchtbar bieder, dafür, dass er Architekt ist und sie in einer großen Immobilienfirma tätig. Das drückt sich auch im Stil von deren Heim aus, und da der Regisseur Eberhard Itzenplitz auch gelernter Bühnenbildner war, gehe ich davon aus, dass dies bewusst so dargestellt wurde. Natürlich, das kleine Haus irgendwo im Berliner Südwesten ist eine Gabe von Heike, da werden die Jungen nicht viel an der Einrichtung gebastelt haben, aber trotzdem. Die alte Villa hingegen fand ich schon deshalb herrlich, weil selbst in der Zeit, als ich nach Berlin kam, noch manch solche Villa zu bestaunen war. Mehr im Ostteil der Stadt allerdings, doch auch im Westen gab es noch solche verlorenen Häuser wie Objekt 14. Wenn man bedenkt, was dort geschieht, hätte es 13 heißen müssen, aber das war natürlich auch ein kleiner Gag, die Nummer eins weiter zu setzen, was ja nicht heißt, dass auch die Hausnummer die 14 ist.
Diese älteren Tatorte, natürlich nicht nur die aus Berlin, nehmen sich viel Zeit für die Figurenzeichnung, die Howcatchem-Variante, die hier gezeigt wird. Auch kombiniert mit einem Howdunit oder einer Heist-Plotanlage, ist das recht gut möglich, weil von Beginn an klar ist, wer die Täter sind und die Polizei erst spät ins Spiel kommt. Keine gute Sache für Kommissar Walther, weil er sich nicht so profilieren kann wie die Polizisten in den Filmen, bei denen nach heute üblichem Muster am Beginn der Handlung eine Leiche steht oder liegt und von dort aus ermittelt wird, wer den toten Menschen auf dem Gewissen hat oder den Tod des Menschen zu verantworten hat.
Die Schauspieler machen ihre Sache in „Katz und Mäuse“ recht gut. Susanne Uhlen und Peter Seum als naiv-durchtriebenes Pärchen mit einem gewissen Mäuse-Appeal und Astrid Jacob als heißkalte Katze, die am Ende die Mäuse jagt und ihre eigenen Mäuse wieder in ihren Besitz bringt, haben mich überzeugt, auch wenn die Maklerin etwas überzogen wirkt. Nur, was ist in dieser Branche überzogen? Nach meiner Erfahrung gibt es dort fast nichts, was es nicht gibt, sie zieht gewisse Persönlichkeiten an. Vielleicht auch welche mit klackernden Armreifen. Schon aus modischen Gründen wäre dieser Tatort heute nicht mehr denkbar, aber mir war recht schnell klar, worauf es hinausläuft und wie Walther doch aufdecken wird, wer die arme Sophie auf dem Gewissen hat. Der Plot ist ziemlich kompliziert, obwohl nur wenige Personen mitspielen, an mindestens zwei Stellen hakt er etwas. Die eine ist, als Arndt mit seinem VW-Bus wegfahren kann, ohne dass die im Haus anwesenden Polizisten es merken, dass der Wagen abgängig ist, der vor dem Haus geparkt war. Die andere: Dass sie, wenn sie sowieso schon so rücksichtslos mit den Opferinteressen umgehen und sich ziemlich offen zeigen, das Telefon nur abhören, aber nicht wirklich anzapfen. Eine Fangschaltung hätte zwar nicht ausgereicht, um Sophies kurze Anrufe zu ermitteln, wohl aber, von wo die übrigen kamen.
Und natürlich ist das Auffinden des Verstecks von Sophie durch Heike an eine wirklich grausame Kette von Zufällen – gekettet. Wer ist so verrückt, ausgerechnet ein Verkaufsobjekt des eigenen Arbeitgebers zu „besetzen“, es dann auch noch in der Zeitung zu belassen, Besichtigungstermine zu riskieren – anstatt irgendeine abgelegene Laube zu organisieren oder ein anderes unauffälligs Plätzchen, das sollten Architekten doch schaffen. Sogar der Keller des eigenen Wohnhauses wäre günstiger gewesen, die Entdeckungsgefahr insgesamt viel geringer.
Im Ganzen finde ich den Film trotzdem gelungen und wer die heutigen, gestanzten und gestelzten, aber auch nicht immer logischen Tatort-Drehbücher kennt, weiß die ironische Spiel- und Experimentierlust damaliger Filme der Reihe, wie sie die ersten Jahre prägte, zu schätzen.
Und natürlich muss man hervorheben, dass hier, vermutlich erstmals in einem Tatort, lesbische Liebe – sagen wir, angedeutet wird. Und wo, wenn nicht in Berlin, wo so vieles zusammengeht. Auch die klare Verteilung der Rollen zwischen der großen Maklerin mit der etwas herben Ausstrahlung und der süßen Sophie ist wunderbar kenntlich gemacht und natürlich viel für einen Außenstehenden zu ermitteln als das Verhältnis zwischen den meisten Lesben oder homosexuellen Männern in der Realität.
Finale
Durch die lange Exposition hat man eigentlich ein zeitauthentisches Gefühl. Der Film beschleunigt eher wie ein Käfer aus den 1970ern denn wie ein heutiger Wagen, aber man sieht auch mehr von der Umwelt – oder von den Figuren. Ob man sie mag, muss man relativ früh entscheiden, aber mein Test ist gelungen: Als Arndt den Gulli aufgeschraubt hat, was übrigens ziemlich seltsam wirkt, weil verschraubte Kanaldeckel normalerweise nur dann vorkommen, wenn eine Strecke wegen eines Großereignisses abgesichert wird, hatte ich gehofft, er kommt an das Geld. Allerdings mit dem Hintergedanken, dass am Ende sowieso alles schiefgehen wird. Denn welche von beiden Frauen in der alten Villa das Nachsehen hatte, war ja vorher schon klar. Allerdings mit einer kleinen Unsicherheit: Der Schuss und das anschließende Erwürgen waren ja off screen, sodass es auch hätte sein können, dass Sophie nur eingesperrt würde – und nicht getötet. Leider brachte das Anheben des Containers Klarheit.
7,5/10
© 2023, 2022 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2017)
| Regie | Eberhard Itzenplitz |
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| Drehbuch | |
| Produktion | Horst Borasch |
| Kamera | Gérard Vandenberg |
| Schnitt | Katja Schmiljan |
| Premiere | 23. Aug. 1981 auf Deutsches Fernsehen |
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