„Mythos Europa“ (Régis Debray, Le Monde diplomatique) #Europa #Europe #EU #Europawahlen #Mythos #USA #Globalisierung

Wir wollen ohne Umschweife einsteigen – wenn auch verspätet – ins Thema Europawahlen, werden aber selbst wenig zu Europa schreiben können, aus bekannten Kapazitätsgründen.

Wir beginnen heute sozusagen von oben: Régis Debray – den Namen sollte man als Linke_r schon gehört haben. Sein Beitrag „Mythos Europa“ erschien bereits im Sommer 2017 und wir haben von ihm heute durch eine Weiterverbreitung via WordPress-Leseauswahl erfahren.

Debray schreibt in „Le Monde diplomatique“, einem Ableger von „Le Monde“, der linksliberalen unter den drei großen überregionalen Tageszeitungen in Frankreich. In Frankreich kann man aber recht offen schreiben, zumal, wenn man eine Legende ist und es wird Zeit, damit auch unsere eigenen Wurzeln zu stärken. Besonders tief sind sie noch nicht, man konnte den Wahlberliner recht einfach in Richtung Mietenwahnsinn versetzen, als sich abzeichnete, dass es nicht möglich ist, über Grundsätzliches und über die Politik und das Geschehen vor Ort gleichermaßen zu berichten.

Aber vielleicht sollten wir mehr in Ablegern denken.  Dafür wurde die Kategorie „EBA“, empfohlene Beiträge anderer Autor_innen, eingerichtet.

Europa liegt uns am Herzen, aber die EU in ihrem jetzigen Zustand und ihrer heutigen Ausrichtung als Transmissionsriemen für den Globalkapitalismus unterstützen wir nicht. Das ist eine klare Ansage und wir überlegen, ob wir erstmals seit wir es ausüben dürfen, nicht von unserem Wahlrecht Gebrauch machen. Das ist für jemanden, der politisch denkt, im Grunde undenkbar, zumal, wenn derjenige Mitglied einer politischen Partei ist, die sich „links“ und nicht mehr sozialistisch nennt und der wieder einmal aufgerufen ist, diese Partei, zu unterstützen.

Es ist umso trauriger, festzustellen, dass sie diese Unterstützung nicht verdient, weil sie nicht klar genug auf linke Positionen setzt.

Nur ein Beispiel: Im Bundestagswahlprogramm von 2017 forderte diese Partei noch, den dominierenden US-Ratingagenturen eine eigene europäische Institution entgegenzusetzen. Ausgerechnet im Europawahlprogramm fehlt dieser wichtige Punkt jetzt, wurde einfach gestrichen. Wir erinnern uns: Vor wenigen Monaten hat Moody’s, eine der drei großen US-Agenturen, damit gedroht, die Kreditwürdigkeit des Landes Berlin herabzustufen, sollte hier linke Politik im Sinne der Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen betrieben werden.

Hunderte, ja Tausende solcher Zusammenhänge ließen sich aufzählen, die uns zutiefst  unzufrieden mit der aktuellen Politik und ihrer bedenkenlosen Unterstützung eines neoliberalen Projekts machen und damit, dass dies auf alle im Bundestag vertretenen Parteien zutrifft.

Auch wenn die Sicht von Régis Debray eine sehr französische ist, die wir nicht in allen Punkten teilen, legt er in besserer Sprache als hierzulande üblich ein grundsätzliches Problem offen: Die mangelhafte Identitätsbildung der EU, die nicht zu gemeinsamen Narrativen, nicht einmal zu gemeinsamen Interessen übers Fiskalische und die kapitalismusaffine Wirtschaftsverfassung hinaus führen kann. Selbst die Wirtschaftsprojekte, von denen wir zuletzt lesen konnten, sind, Deutschland und Frankreich betreffend, in der Rüstungsindustrie angesiedelt und dienen dazu, weltweit mehr Waffen verkaufen zu können. Die Ökonomisierung aller Lebensbereiche ist ganz klar ein von der EU gefördertes Gesellschaftsmodell und die Immobilienblase beruht in weiten Teilen auf Vorgaben, die sich aus einer zwanghaften Euro-Währungspolitik ergeben.

Was wir hingegen dringend brauchen, ist ein sozial linkes, pazifistisches und ökologisch progressives Projekt, auf das wir uns mutig, mitnehmend und mehrheitlich vereinbaren können. Ein solches Projekt, das die Fantasie der Menschen endlich wieder beflügelt und die kulturelle Vielfalt Europas nutzt, anstatt sie zu negieren und damit die Menschen bereit für die bedingungslose Akzeptanz eines gesichtslosen Weltkapitalismus zu machen. Wessen Haus von Briefkastenfirmen-Investoren zwecks Renditesteigerung gekauft wurde, sollte mindestens ahnen, was wir meinen. Ein solches, notabene demokratisches Projekt ist jedoch nicht einmal am Horizont abzusehen.

Es bleibt uns derweil nichts anderes, als das gutwillige Klein-Klein so positiv wie möglich zu beschreiben, mit dem vor Ort versucht wird, hin und wieder und systembedingt auf eine wiederum nicht sozial gerechte Weise Nadelstiche gegen den Metatrend zu setzen.

Wir werfen diese gewissenlose Haltung, die mittlerweile wieder Millionen in Existenznot bringt, in erster Linie der höheren Politik vor. Nicht den Rechten, die keinen humanistischen Horizont haben und die sich im Tribalismus verlieren, wohl aber Kräften, die sich links nennen und einmal mehr die Interessen der Menschen verraten. Also gehen wir dorthin, wo die Chancen verpasst wurden, verweilen im wenig Euphorie zulassenden Ist und werden in nächster Zeit mehrere Beiträge zu diesem Thema empfehlen.

Für Frankophone: Hier geht es zum Originalbeitrag.

TH

EBA 20

Kritisch schauen und immer wieder Beiträge außerhalb des Mainstreams und vor allem jenseits unserer aktuellen Zentralthemen lesen, über die wir selbst schreiben – das ist eine Aufgabe, die der Wahlberliner sich gestellt hat. 

Wir empfehlen. Manchmal kommentieren wir die Empfehlungen auch oder versuchen, die darin geäußerten Gedanken weiterzuführen. Unsere bisherigen Beiträge der Serie „Jeden Tag ein Blick nach draußen“: 


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