Unsere Serie über China führen wir fort mit einem Telepolis-Betrag, der die sogenannten drei Imperien und ihre Stellung zueinander behandelt und verengen dann den Fokus auf die realen Auswirkungen chinesischer Wirtschaftspolitik z. B. in unserer Heimat.
1.) Nach Russland wird China wieder zum großen Gegner. Wenn wir lesen, dass in den USA vor den chinesischen Militärausgaben gewarnt wird, müssen wir uns immer ein wenig am Kopf kratzen. Die USA gaben 2018 das 2,8-fache aus im Vergleich zu China, die NATO insgesamt erreicht mehr als das Vierfache und China gehört keinem Verteidigungsbündnis an. Man scheint in Washington mächtig Angst vor der Effizienz der chinesischen Rüstungswirtschaft und der chinesischen Volksarmee zu haben. Da ist natürlich auch etwas dran: Es wird nicht zu Unrecht darauf verwiesen, dass die chinesischen Zahlen z. B. dadurch niedriger sind, dass die Herstellungskosten für Rüstungsgüer in China nach wie vor geringer sind. Das macht übrigens auch die russischen Rüstungsausgaben kleiner, als sie nach westlichem Maßstab wären.
Der Kampf einer Weltmacht gegen die chinesischen Konfuzius-Institute hingegen mutet geradezu lächerlich an, ist aber auch ein Echo auf die Kommunistenverfolgung der 1950er. Das Feindbild China wird geschärft, so wie damals das Feindbild Sowjetunion. Propaganda wird überall gewittert und ist natürlich auch überall:
„Anlass für das Gesetz war der Fall der Arizona State University, die Pentagon und Peking gleichermaßen zur Finanzierung heranziehen wollte. Befürworter der Zusammenarbeit hatten die Finanzierung durch das Pentagon als Beweis gewertet, dass bei der Kooperation mit Peking keine Sicherheitsbedenken bestehen, was chinesische Staatsmedien sofort und gerne zitierten. Das rief wiederum Kritiker auf den Plan, , die moniertendass nun chinesisch-kommunistische Propaganda, so die Befürchtung, durch Pentagon-Geldern mitfinanziert wird.“
Weltweit soll es 2020 die stattliche Zahl von 1.000 Konfuzius-Instituten geben, in Deutschland waren es im Sommer 2018 deren 19. Sie sind auf Universitätsebene angesiedelt und natürlich darf man ihre Wirkung nicht unterschätzen, wenn sie tatsächlich für Propagandazwecke der KPCh eingesetzt werden. Doch in Deutschland herrscht in solchen Dingen viel Liberalität, wir kennen das ja von den zahlreichen Moscheen, in denen nicht immer verfassungstreu gepredigt wird, auch dort nehmen staatlichen Institutionen anderer Länder, wie die türkische DITIB, erheblichen Einfluss. Ob man das noch als Soft Power bezeichnen kann, wie die Konfuzius-Institute, lassen wir an dieser Stelle offen, aber der unter der Ägide des Kommunismus eigentlich anrüchige Philosoph eines ganz anderen Zeitalters hat Marketingpotenzial und das sei erkannt worden.
„Von Zeit zu Zeit machen bestimmte Amerikaner Lärm. Letzten Endes läuft es darauf hinaus, wie sie die Welt und Chinas Entwicklung sehen und ob sie überhaupt in der Lage sind, ihre Kalte-Kriegs-Mentalität aufzugeben, ob sie die Welt als Nullsummenspiel sehen und veralteten Entweder-Oder-Konzepten anhängen oder nach gegenseitigem Nutzen und Win-Win-Zusammenarbeit mit anderen Ländern suchen.
So wird der Parteifunktionär Hua Chunying zitiert. Es kann zwar wirtschaftlich Win-Win-Situationen geben, aber geopolitisch ist das Nullsummenspiel selbstverständlich die logische Variante: Vorausgesetzt, es gibt kein Machtvakuum, das ohne Verschiebung der Machtverhältnisse besetzt werden kann (genau genommen bedeutet auch diese Besetzung eine Verschiebung), ist der Aufstieg eines Imperiums immer der Abstieg eines anderen – oder, weniger scharf formuliert, dessen Verlust an Einfluss und Bedeutung. Da aus Chinas offizieller Parteipolitik kaum etwas nach außen dringt, was nicht nach außen dringen soll, gehen wir davon aus, dass das obige Statement genau das darstellt, was es darstellen soll: Eine Schuldzuweisung für die Unfriedlichkeit und mangelnde Kooperationsbereitschaft in der Welt an die Amerikaner. Wir meinen auch, man kann mit China gut kooperieren – zu dessen Bedingungen. Wer das nicht glaubt, soll sich die Konditionen ansehen, zu denen ausländische Betriebe in China arbeiten dürfen, nämlich immer so, dass alles in chinesischer Hand bleibt, während chinesische Unternehmen weltweit ungehindert auf Shoppingtour gehen dürfen – besonders gerne in Deutschland, denn hierzulande gibt es überhaupt keine strategische Wirtschaftspolitik.
Das fällt auch linken Politikern auf und damit zum zweiten Text:
2.) Oskar Lafontaine: Es darf nicht dabei bleiben, dass nur der chinesische Staat saarländische Betriebe rettet – Halberg Guss verstaatlichen (Pressemitteilung von DIE LINKE im Saarland):
„Nachdem der Vorstandsvorsitzende von Dillinger Hütte und Saarstahl, Fred Metzgen, heute in der „Saarbrücker Zeitung“ den Wettbewerbs-Vorteil der saarländischen Stahlindustrie durch die in den 90er Jahren gefundene Stiftungslösung herausgestellt hat („Wir sind seit Jahren besser ausgelastet als unsere Konkurrenz… Die Stiftung stabilisiert uns ja schon durch die Dividendenpolitik, die sie praktiziert. Das Geld, das in Dillingen und bei Saarstahl verdient wird, bleibt weitgehend im Land und steht für Investitionen wieder zur Verfügung…“) erneuert Oskar Lafontaine seine Forderung, dass das Land bei Halberg Guss eingreifen muss, wenn es nicht zu dem von der IG geforderten Tarifvertrag kommt. „Der Staat darf nicht tatenlos zusehen, wie die Existenzen hunderter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bedroht werden, weil sich ein verantwortungsloser Investor einen Preiskampf mit dem Automobilkonzern VW liefert, sondern muss im Sinne der Beschäftigten handeln. Es kann nicht sein, dass nur der chinesische Staat saarländische Betriebe rettet (Saargummi, Schraubenwerke Beckingen). Eigentum verpflichtet und wer sich an dieses Gebot des Grundgesetzes nicht hält, muss vom Staat in die Pflicht genommen werden. Ohne die Verstaatlichung und anschließende Stiftungslösung gäbe es die saarländische Stahlindustrie in der jetzigen Form nicht, deshalb sollte jetzt bei Halberg Guss eine ähnliche Lösung angestrebt werden.“
(Ende der Pressemitteilung)
Damit haben wir das auf die Ebene einzelner Vorgänger heruntergezogen, was wir oben ganz allgemein und nicht zum ersten Mal dargestellt haben: Die Abhängigkeit westlicher Länder von China wächst rapide, und zwar auf vielen Ebenen. „Soft Power“ ist wohl eine davon, ganz eindeutig aber ist die Lage dann, wenn es um handfeste Industriepolitik geht. Wenn linke Politiker mit einigem Analysevermögen vor China warnen, sollte man das aus einer linken Perspektive ernst nehmen. Dass die Lösung für industrielle Probleme und selbst das Schicksal florierender Unternehmungen nicht immer chinesisch sein darf, wird als evident angesehen und das ist es auch. Man darf dabei nämlich auch nicht vergessen, wie chinesische Unternehmen bei solchen Aktionen vom Staat unterstützt werden. Früher einmal war viel von der Deutschland-AG die Rede, aber diese war bei Weitem nicht so geostrategisch und expansiv ausgerichtet wie die heutige Kooperation von Staat und Privatwirtschaft in China.
Wieder zurück zum Telepolis-Artikel, in dem es heißt, man mache sich in den USA Sorgen wegen der Übernahme amerikanischer Firmen durch chinesische Investoren. Deshalb wird dort längst stärker geprüft, selbst, wenn es um Minderheitsbeteiligungen und nicht um Übernahmen geht. Das liegt bei militärisch nutzbaren Technologien ohnehin auf der Hand, aber es muss natürlich auch dort gelten, wo Technologieführer neutrale Produkte herstellen, wie der weltführende Industrieroboter-Hersteller Kuka aus Deutschland. Wir sollten aus früheren weitgehend verlorenen Wirtschaftskriegen gelernt haben: Was weg ist, ist weg und kommt nicht wieder. In Deutschland gilt das besonders für jene Unternehmen, die ohne Unterstützung durch den Staat den ungleichen Kampf mit den zunächst vor allem kopierenden und billiger produzierenden Japanern verloren haben. Der chinesische Weg ist anders, in gewisser Weise sogar ehrlicher, weil man mittlerweile ganz offen mit der Absicht umgeht, dass man nicht gedenkt, sich von anderen Ländern aufhalten zu lassen.
Dass dabei am Ende eine Win-Win-Situation im Bereich der Hochtechnologie herauskommt, die auch den Europäern noch einen industriellen Kern belässt, wagen wir stark zu bezweifeln. Spätestens in einer Rezession, die weltweite Überkapazitäten sichtbar macht, wird es heißen: Erst retten wir uns selbst, dann, falls überhaupt und falls noch möglich, die anderen. Das ist zunächst kein Ausdruck manifester Bösartigkeit, sondern dem neoliberalen Wirtschaftssystem immanent, das kaum noch wohlstandssichernde Regulative auf internationaler Ebene kennt. Alles wird einer Freihandelsideologie geopfert, an deren anderem Ende Chinesen sitzen wie Seidenraupen und an ihren imperialen Seidenstraßen spinnen und die Fäden in der Hand halten.
Man kann von Donald Trump als Mensch und Politiker ansonsten halten, was man will, er hat immerhin erkannt, worum es geht und versucht, dem Einhalt zu gebieten oder wenigstens, die Entwicklung solange zu bremsen, bis ein neuer Comment gefunden ist, der den USA ihre Position einigermaßen sichert. Handelskonflikte sind deshalb unausweichlich und noch scheut China eine allzu drastische offene Auseinandersetzung. In ein paar Jahren könnte das anders aussehen.
„Sowohl chinesische wie amerikanische Unternehmen haben den Willen und das Potenzial, die Investitionen zu verstärken. Die beiden Regierungen sollten den Wünschen der Unternehmen entsprechen und für eine günstige Umgebung und stabile Aussichten sorgen.“
So lesen sich Statements aus China zu dieser Sache derzeit noch. Im viel wichtigeren Strategiedossier „China 2025“ jedoch wird unverhohlen die Technologieführerschaft auf mehreren wichtigen Feldern angezielt und die Technologieführerschaft eines Landes allein, das wissen wir aufgrund der vielfach beklagten Dominanz amerikanischer IT-Unternehen, gegen die offenbar kein Kraut gewachsen ist und die sich auf immer neue Felder ausdehnt, tendiert zur Asymmetrie und schafft Abhängigkeiten.
Wir sind keine Freunde der imperialen Attitüden der USA, aber unter der Ägide eines komplett undemokratischen Landes wie China zu leben, kann nicht die Ersatzlösung sein. Deswegen halten wir es für einen weiteren schweren strategischen Fehler, die 5G-Technologie in Deutschland von chinesischen Unternehmen implementieren zu lassen. Man kann es auch als Bankrotterklärung eines Wirtschaftsstandarorts bezeichnen, der einst durch Firmen wie Siemens oder AEG-Telefunken viele andere Länder mit Kommunikationsinfrastruktur augestattet hat – ohne nebenei zentral gelenkt seine Ideologie oder seine Werte exportieren zu wollen. Man kann umgekehrt natürlich kritisieren, dass Export keine oder zu wenig Moral kennt, aber auch China macht Geschäfte mit autokratischen Regierungen.
Falls die Teile des Telepolis-Artikels stimmen, die sich auf chinesische Militärübungen beziehen, die eine Eroberung amerikanischer Stützpunkte im Pazifik zum Gegenstand haben, ist der Sprung vom Export zur militärischen Verschiebung der Kräfteverhältnisse nicht weit. Das Kalkül dürfte sein, dass die USA keinen Atomkrieg riskieren werden – aber dass man es zulässt, dass solche Informationen weltweit publik werden, sagt einiges darüber aus, wie China sich selbst mittlerweile sieht. Wir stellen diese Information unter Vorbehalt, aber sie passen in ein Bild, das wir von der chinesischen Expansion haben, welches möglichst frei von Illusionen bleiben soll. Machtpolitik kennt keine karitativen Absichten. Deswegen sind wir allen Imperien gegenüber reserviert.
Kehren wir zum Ausgang zurück: Die chinesischen Militärausgaben steigen von Jahr zu Jahr und da ist noch viel Luft nach oben. Die NATO wird China nicht totrüsten können wie einst den Ostblock, denn der Ostblock hatte kaum wirtschaftlichen Einfluss im Westen, den er hätte in die Waagschale werfen können, um eine bessere Verhandlungsposition zu erzielen. Die Rüstungsbegrenzungen im Kalten Krieg fanden in einer Tauwetterperiode statt, von der aktuell nicht die Rede sein kann. Im Gegenteil, die Fronten verhärten sich und die Idee vom Ende der Geschichte ist auserzählt, ist zu Ende. Es geht weiter, im Kampf der Imperien. Für die Beschreibung des Bildausschnitts, in dem Europa skizziert wird, reicht ein Satz: Gegen Schwächere treten bzw. ihnen eine spätkoloniale Handelspolitik aufzwingen, vor denen, die man für stärker hält und die aufgrund der europäischen Uneinigkeit auch stärker sind, buckeln, das trifft es ziemlich genau. Russland wird in dem Artikel übrigens nur im Titel erwähnt und das gibt die Lage ebenfalls präzise wieder: Der Vergleich mit China erübrigt sich, Russland kann froh sein, wenn es als eigenständiges Imperium erhalten bleibt und nicht selbst in chinesische Abhängigkeit gerät. Dafür könnte der Westen einiges tun, aber jene Klasse von Politikern, die den Paradigmenwechsel selbst den niedrigsten Lobbyinteressen zu opfern bereit ist, wird auch diese Chance wieder vergeigen.
TH
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