Elektromobilität hat blutige Hände (Bärbel Weisshaupt, Blog Haimart) #Klimawandel #EMobilität #Elektroautos #Tesla #ArneMüller

Unser gestriger Empfehlungsbeitrag „Warum Tesla die Welt nicht retten wird“ hat eine Reaktion von Bärbel Weisshaupt, Blog  Haimart, ausgelöst und zu einem Artikel von ihr geführt, in dem sie sich aus naturwissenschaftlicher Sicht mit der Speicherung von Energie für Fahrzeuge befasst: „Elektromobilität hat blutige Hände„.

Wir finden, dieser Beitrag ist eine sehr gute Ergänzung zum Tesla-Artikel, der für das Heise-Magazin Telepolis verfasst wurde  und deshalb empfehlen wir ihn. Zum Beispiel gibt er Aufschluss über die technischen und wirtschaftlichen Hintergründe der Gewinnung von Lithium, das für die heutigen E-Auto-Batterien unerlässlich ist, „blutige Hände“ ist im übertragenen Sinn gemeint.

Der Artikel von Bärbel Weisshaupt belegt eindrucksvoll, wie wackelig die Argumente von der guten CO²-Bilanz der Elektromobilität sind. Selbst wenn man alle anderen Bauteile und deren Energiebilanz bei der Herstellung ausklammert, wie Weisshaupt es hier getan hat und sich nur auf die Gewinnung von Lithium für die Batterien konzentriert, erreicht ein in Deutschland betriebenes durchschnittliches Elektro-Auto seine CO²-Neutralität erst nach etwa 100.000 gefahrenen Kilometern. Wenn man die Herstellung aller Bauteile und deren Energieverbrauch berechnet, vermutlich niemals. Der Verbrauch an sonstigen Rohstoffen ist dabei nämlich noch nicht berücksichtigt.

Beim Auto handelt es sich in seiner heutigen massenhaften Erscheinungsform  sich um ein neoliberales Produkt, das man höchstens mit ein wenig Greenwashing ökologischer erscheinen lassen kann, als es ist; ein Produkt, dessen Gebrauchsvorteile privatisiert, dessen Folgekosten aber sozialisiert werden, wie man allein an den Darstellungen zum Wasserverbrauch für die Lithiumgewinnen in Chile sehr gut nachvollziehen kann.

Es ließen sich unzählige weitere Beispiele dieser Art finden, die beim Produktions- und dann beim Gebrauchsprozess dieses bei weitem aufwendigsten Konsumprodukts, das sich Menschen in Industrieländern üblicherweise leisten können, relevant sind. Wir müssen uns darüber klar sein, dass das Auto für die meisten nur deshalb erschwinglich ist, weil seine Folgekosten umverteilt werden und überwiegend nicht direkt den Käufer und Betreiber treffen.

Besser mit Fluor, wie wir es aus der Zahnpasta kennen, als Energiespeicher? Vielleicht wird das bald möglich sein, jedenfalls ist der Einblick, den Bärbel Weisshaupt darüber gibt, sehr interessant.

Vielleicht werden Elektroautos auch kleiner, leichter und damit wiederum vernünftiger als etwa die gegenwärtigen Tesla-Modelle oder gar der neue Mercedes-Riesen-SUV, der nun wirklich die Idee der CO²-Ausstoß-Verminderung hinter der E-Mobilität pervertiert. Vielleicht eher so wie ein Renault ZOE, der leider kein Prestige bietet, jenseits des grünen Mäntelchens.

Eine junge Generation bzw. die Teile davon, die mit ökologischen Überlegungen sozialisiert wurden und außerdem keine sicheren Jobs haben, mit denen man Autos problemlos finanzieren kann, sehen diese ohnehin nicht mehr überwiegend als Statussymbol an und wenden sich auch aus ökonomischen Gründen von vom Eigentum und vom (Allein-) Besitz an diesen Produkten ab.

Die ökonomischen Zwänge, nicht ein wirklich umfassendes, an den Gesamtfolgen jedweden Konsums orientiertes Umweltbewusstsein sehen wir als die stärkste Gegenkraft, die eine die immer weitere Zunahme des motorisierten Individualverkehrs bzw. des Bestands an dafür vorgesehenen Verkehrsmitteln verhindern könnte.

Selbst, wenn also das Problem der Speicherung in Batterien gelöst werden könnte, die weniger Platz und weniger teure und nur mit schweren ökologischen Folgen zu gewinnende, seltene Rohstoffe verbrauchen als bisher, bleiben alle anderen Nachteile erhalten, die ein motorisiertes Fahrzeug während seines Lebenszyklus verursacht – aber es ist wichtig, einen Blick auf die Technik zu werfen, denn eines erscheint uns sehr wahrscheinlich:

Die Fahrzeugproduktion wird in den nächsten Jahren vielleicht in Deutschland abnehmen, aber nicht weltweit – es sei denn, eine Wirtschaftskrise bedingt es, wie 2009. In Deutschland geht die Produktion vor allem leicht zurück oder stagniert, weil die Firmen, die einst hier entstandene Markenlogos auf ihre Produkte kleben, immer mehr außerhalb Deutschlands produzieren lassen (alle deutschen Hersteller zusammengerechnet mittlerweile über 50 Prozent ihres Ausstoßes). Diese Verschiebung bringt keinerlei ökologische Vorteile, deswegen ist eine nationale Betrachtung so fragwürdig, die sich (nicht nur) in Umweltbelangen gerne bis zum Massenautismus steigert.

Beim letzten Absatz gehen wir davon aus, dass es sich nicht bloß um die Technologie handelt, die vor allem in Brasilien seit vielen Jahren verwendet wird, indem Methanol anstatt Benzin getankt wird; diese Technik verbindet sich mit Volkswagen, die in Brasilien sehr stark vertreten sind und diese Technik führend mitentwickelt haben. Die Idee dahinter war, dass das aufstrebende Brasilien der 1960er und 1970er, das zwar reich an vielen Reserven ist, aber wenig Rohölressourcen besitzt, von Importen so weit wie möglich unabhängig sein wollte. Auch diese bereits seit Jahrzehnten eingesetzte Technik wird wegen des hohen Verbrauchs an landwirtschaftlichen Erzeugnissen und an Energie für die Produktion kritisiert; dies läuft auf eine ähnliche Sichtweise hinaus wie beim heimischen Biosprit, der sich berechtigterweise nicht durchgesetzt hat und der die Probleme des zwangläufig nicht ressourcenschonenden massenhaften Individualverkehrs nicht behebt.

TH

EBA 26

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1 Kommentar

  1. Es wird gerade daran geforscht, dass man aus CO2 und Wasserstoff aus dem Wasser zu gewinnen. Das ist zwar sehr energieaufwändig, aber unabhängig von landwirtschaftlichen Produkten. Gut wäre, wenn es möglich wäre die Salze aus dem Wasser abzufangen, sodass vielleicht auch wieder Lithium dabei abfällt.

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