Der Fluch der gelben Schlange (D 1963) #Filmfest 127 #EdgarWallace

Filmfest 127 A "Special Edgar Wallace" (23)

Von diesem Text gibt es eine neuere Version.

Die gelbe Gefahr in Schlangenform

Ist an oder in dem Film nun etwas wesentlich anders als an den übrigen Edgar-Wallace-Filmen von der Rialto des Dänen Preben Philipsen, die fast die gesamte Kultreihe zu verantworten hat?

Ja und nein. Artur Brauner und seine CCC hatten Anfang der 1960er wohl das Gefühl, etwas den Anschluss verloren zu haben. Andere waren oft etwas schneller, wenn es darum ging, sich publikumsträchtige Stoffe zu sichern. Das galt für die Edgar-Wallace-Bücher ebenso wie für die Karl-May-Western. Also nahm die CCC, was übrig blieb, z. B. Stoffe von Wallace-Sohn Edgar Bryn oder die Nahost-Abenteuer von Karl May – und mit der Rialto kam eine Produktionsgemeinschaft wenigstens insofern zustande, als diese die CCC-Studios in Berlin nutzte. Aber einen ehrgeizigen Mann wie Artur Brauner konnte das nicht befriedigen. Wie genau es dazu kam, dass „Der Fluch der gelben Schlange“ den Weg in die Wiki-Liste der 38 Wallace-Filme gefunden hat, die 1959 bis 1972 entstanden, ist mir nicht bekannt, aber die Voraussetzungen, dass es keine großen Unterschiede zu den Rialto-Produktionen geben würde, waren nicht so schlecht.

Mit Joachim Fuchsberger, Eddi Arent, Werner Peters standen drei wichtige Darsteller zur Verfügung, die auch in vielen Rialto-Filmen mitwirkten und F. J. Gottlieb, der Regisseur, hat zwei weitere Filme der Reihe für Rialto gemacht – allerdings nach „Der Fluch der gelben Schlange“ und als herausragender Regisseur im Wallace-Universum gilt er nicht. Die Zuschauerzahl von 2 Millionen lag unterhalb der des Vorgängers „Das Gasthaus an der Themse“ (3,6 Millionen) und des Nachfolgers „Der Zinker“ (2,9 Millionen). Hat das einen besonderen Grund und wie wirkt der Film im Vergleich zu den besten Filmen der Reihe heute? Dies und mehr klären wir in der Rezension.

Notizen (1)

Handlung mit Auflösung (1)

Joe Bray – ein reicher Brite, der in Hongkong lebt – ist im Besitz eines alten chinesischen Orakels, der gelben Schlange. Eines Nachts brechen Unbekannte in Brays Pagode ein, um die Schlange zu stehlen. Brays Sohn Clifford Lynn wird Zeuge der Tat, er kann die Schlange in seinen Besitz bringen. Er verdächtigt seinen Halbbruder Fing-Su und dessen Organisation „Die freudigen Hände“ als Auftraggeber des versuchten Diebstahls, was Bray zunächst nicht glaubt.

Kurz darauf reist Clifford Lynn nach London, um sich dort mit Brays Vetter Stephan Narth zu treffen. Dieser erhofft sich seine finanzielle Rettung durch Clifford Lynns Heirat mit seiner Pflegetochter Joan. Die jungen Leute lassen sich auf diese Abmachung jedoch zunächst nicht ein, wovon Fing-Su, der ebenfalls in London lebt, Wind bekommt. Dieser übergibt Stephan Narth die nötigen 50.000 Pfund und macht ihn damit zu einem willenlosen Werkzeug.

Inzwischen entdeckt Clifford Lynn in einem Unterschlupf von Fing-Su und seiner Sekte eine Waffenkammer und eine geheime Loge, in der am 17. November ein Kampf gegen alle Weißen beginnen soll. Dazu benötigt Fing-Su als Machtsymbol jedoch die gelbe Schlange, die Clifford Lynn bei einem Freund versteckt hat. Kurz darauf wird er von Sektenmitgliedern beraubt.

Rezension

Bei diesem Film musste ich etwas fischen, um ihn zu finden. Amazon Prime hat mich gerettet, für 2,99 Euro. Manchmal geht es eben nicht anders.

Das fängt ja wieder gut, alsbald wird ein Chinese von hinten abgestochen, der Vorspann, der dann folgt, färbt sich rot, aber es gibt noch nicht die später für die Reihe typischen Einschusslöcher, denn der Mord erfolgt ja mit einem Dolch. Joachim Fuchsberger (Rollenname Clifford Lynn) hat gleich einen actionreichen Einsatz, bei dem er die zwei Mordbuben noch in die Flucht schlage kann – und hat einen Beutel an sich genommen, darin eine Schlangenfigur. So richtig gelb sieht sie nicht aus, aber wir dürfen vermuten, es ist die gelbe Schlange, die sich für den Titel des Films hergegeben hat. Der Mord hat, wie wir erfahren, vor der „aufgebrochenen Pagode“ stattgefunden und in dieser gibt es einen Keller, darin ein Grab, daraus wurde die Schlange gestohlen und damit laut Joe Bray, dem Ziehvater von Cliff, das Symbol für die Macht Chinas zurück in die Welt gebracht. So war das also, und jetzt haben wir den Salat. Oder wird es doch schon am 17. November es Jahres (1963) geschehen. Wenn es an diesem Tag Krieg gibt, kann dieser die Welt zerstören. Der Kalte Krieg mit der Kubakrise von 1962 wirkt gerade nach.

Joe Bray beauftragt nun aber Cliff, nach London zu fahren und sich nicht um die gelbe Schlange zu kümmern, offenbar hat Cliff auch einen Stiefbruder und ein Familienzwist deutet sich an. Puh, nach diesem bedrohlichen Hongkong bei Nacht bin ich froh, das gemütliche alte Mörder-London wieder im Bild zu sehen. Es geht nichts darüber, den Big Ben läuten zu hören, auch wenn die Stunde für einige Personen, wie das in Edgar-Wallace-Filmen so ist, bald geschlagen haben dürfte. Aber London ist auch das Finanzzentrum Europas und sofort geht es um Geld: Ein Mann hat Schulden, ein Geschäftspartner kann nicht aushelfen, aber er kennt einen gewissen anderen, der es könnte. Aber am besten kommt man wohl wieder finanziell auf die Füße, wenn man Töchter (oder Nichten) verkuppelt. Die ältere will einen gewissen Cliff nicht heiraten, obwohl sie ihn noch gar nicht kennt, aber das süße Nesthäkchen vielleicht? Kaum trifft Cliff ein, da bekommt er ein Päckchen, aber wer kann wissen … die Schlitzdingsbumse, und in dem Päckchen ist eine lebendige Warnschlange, die allerdings nicht mehr alt werden wird. Komisch, es sah doch erst einmal gar nicht so aus, als ob Cliff auf Schlangenfang wäre. Nun, Vorsicht ist besser als Rücksicht, auch bei den Warnmethoden.

Ach, endlich, da kommt Eddi, dieses Mal spielt er einen Sammler von Sinoquitaria oder wie alte chinesische Vasen heißen mögen. Samul Carter heißt der Mann und er kennt Cliff recht gut, wie die herzliche Begrüßung belegt. Aber sie treffen auch auf den Stiefbruder von Cliff, der sich Fing-Su nennt und Cliff schenkt dem Sammler Carter einen Dolch, der die chinesische Herrschaft symbolisiert (wie auch die Schlange bzw. additional) und der gerade wenig zielsicher durchs Fenster geworfen war. In diesem Film werden aus dem Nachtdunkel an Fenstern noch einige Schlitz … dingens auftauchen. War das ein gefakter Angriff? Fing-Su soll also den kleinen Geschäftsmann retten, der in Nöten steckt, obwohl dieser bei einem Tod von Joe Bray erben würde, doch das reicht als Sicherheit nicht aus, deswegen wird über die Töchter (Nichten!) ein Deal abgeschlossen. Saint Clay nennt sich Fing-Su, wenn er geschäftlich in London unterwegs ist. Dann wird Joe Bray just als tot gemeldet, so ein günstiger Zufall, aber Cliff will die jüngere der Schwestern wohl auch ohne finanzielle Interessen haben.

Aber Gefallen müssen schon sein, wie ein Dinner bei Fing-Su, Onkel und jüngere Tochter. Zögernd nimmt sie an, aber herein platz Cliff und nimmt sie einfach mit. Sowas Eifersüchtiges, und das sagt sie ihm auch und findet es gut. Der Stiefbruder ist eigentlich ein Halbbruder von Cliff, sagt dieser, und stammt aus der kaiserlichen chinesischen Familie. Das sagt natürlich einiges über seine Art und seine Absichten aus. Die beiden werden mal wieder von einem Handlanger verfolgt, aber ich werde das hier nicht jedes Mal erwähnen, weil es zu häufig vorkommt. Jetzt ins Berlin-Londoner Aquarium, verfolgt von jenem Mann. Wasserschaden? Nein, das wäre doch wohl doch etwas zu teuer geworden, und die armen exotischen Tiere. Ein Aquarium mit Alligatoren, da schau her. Wieder ein Angriff auf Cliff, aber Stichtag ist nunmal der 17. November, vorher kann nichts passieren. Aber es trifft auch den armen Carter, hat er doch die Fenster nicht geschlossen, um seine Sammlung zu sichern und die Einbrecher, die ihm eins über den Kopf geben (sind welche, die durch offene Fenster kommen, eigentlich Einbrecher oder eher Einsteiger?), suchen und suchen was und finden es in einem chinesischen Prunktopf mit Deckel. Was wird es wohl sein? Die gelbe Schlange, die Cliff dort also unauffällig deponiert hat. Unauffällig ist eben nicht zwangsläufig unauffindbar. Cliff hat den Verdacht, sein Halbbruder steckt hinter allem und, das nehme ich mal vorweg, da hat er nicht so unrecht. Fahren die wieder auf der falschen Straßenseite? Nee, nicht mehr. Die schrille Musik passt sich sogar der Geschwindigkeit der Autos an. Famos.

St. Clays Personal (wir sind an seinem Unternehmen, Werksgelände angekommen) besteht ausschließlich aus Chinesen, über den Stacheldraht oberhalb des Maschenzauns steigt nun Cliff, der mehr wissen will. Das ist ja mal eine Riesenbande, die der St. Clay bzw. Fing-Su (nicht Feng-Shui) da zusammengebracht hat. Wir werden aber gleich erfahren, es handelt sich um eine Bruderschaft, im Keller der Fabrik gibt es ein riesiges Waffenlager und es geht um die Welt. Na hoffentlich ist die genug, schließlich startete damals auch die bemannte Raumfahrt und da sind die Chinesen ja mittlerweile auch eigenständig unterwegs. Cliff stolpert auf einer Treppe, verliert seine Pistole, kann sie aber ungesehen wieder aufnehmen. Blacky, festhalten, das Schießeisen, ist wichtig! In einem Tempelraum entweichen aus dekorativen dampfende Duftschwaden oder duftende Dampfschwaden, vorne ist ein Altar, zwei große, vergoldete geöffnete Hände, die Schlange ist auch da. Gelb ist sie immer noch nicht, aber immerhin dieselbe, die wir schon kennen. Cliff wird mit Dolchen beworfen, er schießt zurück, sein Halbbruder steht da und wartet, wie es ausgeht. Reden die da wirklich chinesisch miteinander?

Die Schlange bleibt bei Fing-Su, Fuchsi bzw. Cliff kann abhauen, verfolgt von einer Menge Bündlern oder Bandenmitgliedern. Die Welt aus Stahl und Stahl, durch die gerannt wird, ist sehr impressiv, am Ende geht es auf eine Brücke und Cliff fällt ins Wasser und ist weg. Sein Halbbruder fährt (es ist wieder Tag) in die City, geht entschlossenen Schrittes zu dem Geschäftsmann zwischen sich und dem kleinen Dicken, der die beiden reizenden Nichten vorweisen kann, dieser Mittler ist Mitglied des Geheimbundes und heißt Major Spedwell. Wir lernen: Was für den einen Verbrechen sind, gehört für andere zur Mission. Ich sage immer, es kommt auf den Zweck an! Manchmal verbietet der Zweck die Mittel. Feng-Shui … Fing-Su will also der nächste Kaiser von China werden, ein paar Millionen, sagt er, stünden hinter ihm. Das sind aber keine 600 (Millionen), merken seine Gesprächspartner an, aber der Mann ist zuversichtlich: Alle werden sich der Macht der gelben Schlange beugen. So wie heute der Macht des in Deutschland von chinesischen Firmen installierten Netzes 5G. Major Spedwell bekommt Bedenken, als es zu rabiat zu werden droht. Na, es muss ja noch ein paar Leute geben, die man umbringen kann, ohne dass das Publikum zu sehr trauert. Was haben die eigentlich hier alle gegen Dreitagebärte? Blacky, lass dir nichts einreden, du siehst auch mit ein paar Stoppeln auf deine michelhafte Art gut aus. Und außerdem sind Frauen keine Bankkonten, hallo!? Hier werden ja Ansichten verbreitet.

Jetzt eine Straßenszene mit Carter und der jüngeren Schwester, die er zufällig trifft. Stolz zeigt er eine neue Vase für seine Sammlung, zweite XY-Dynastie, doch in Schnee und Eis sind auch Sackkarren nicht sicher und er fährt das Teil gegen eine Mauer, hieraufhin sehen wieder einmal vorhandene Verfolger in einem Auto die Chance, die junge Frau zu entführen und Carter kriegt wieder eins mit dem Gummiknüppel auf dieselbe Stelle, die schon einmal Opfer eines Schlages wurde. Ja, es gibt doch ganz witzige Stellen, in diesem Film, vor allem, weil die Regie dieses Mal Arendt nicht so nervig agieren lässt wie im nächsten Gottlieb-Film innerhalb der Reihe, „Die Gruft mit dem Rätselschloss„.

Joan Bray, die jüngere der Schwestern, ist in den Händen des Fu-Manchu … nein, Fing su. Der hat sozusagen einen Narren an ihr gefressen und wer die Welt beherrschen will, darf nicht den Eindruck machen, er könne eine Frau nicht kriegen, egal wie. Derweil erklärt Eddi dem Fuchsi die Situation vom Nachmittag und wieder kommt ein Dolch geflogen (Fenster offen!) und jetzt ist ein Brief drauf aufgespießt. Immer diese Obstmesserwerferei! Die gelbe Schlange gegen Joan steht auf dem Zettel, was sonst? Wird er John wirklich rausgeben, derjenige, der alles begehrt? Darauf würde ich mich mal nicht verlassen. Joan soll aber mit dem Waffenhändler-Major eine Seereise antreten. Hm. Habe ich schon erwähnt, dass im gruftartigen Fabrikkeller viele gruftige Figuren stehen und ihrem Chef huldigen? Aber da kommt einer, der macht den Eindruck, als ob er nicht dazugehört, obzwar er eine Kutte trägt wie alle. Ich glaube, die Nase ist länger als bei den anwesenden Chinesen. Eindeutig aus „Die Zigarren des Pharao“ abgeschaut. Ts, ts. Ich habe einen Verdacht, wer sich unter der Kutte verbrigt.

Der Bund heißt übrigens „Bund der freudigen Hände“, etwas wie die „Koalition der willigen Idioten“, auf dienstbare Einzelpersonen übertragen. Hm, dieser Mann hat einen Finger zu wenig. Schade, dass ich anfangs nicht auf die Hände aller Beteiligten geachtet habe. Cliff und Eddi warten darauf, dass ein Inspektor anruft, um den SEK-Angriff auf das Unternehmen Fing-su-St.-Clay zu beginnen, doch schon wieder sind Helfer unterwegs und schneiden das Telefonkabel durch. Jetzt erst. Warum der Inspektor bisher nicht angerufen hat, weiß niemand. Ich sehe überall nur noch Chinesen wuseln. Alle Kunstgegenstände von Carter in Gefahr. Aber so sind sie gar nicht, es geht nichts Weiteres zu Bruch und bloß vier von ihnen reichen aus, um Cliff zu überwältigen. Die nicht wirklich gelbe Schlange, die Cliff bei seinem ersten Besuch in der Firma geklaut hat (habe ich vergessen zu erwähnen), erlangen sie nun auch wieder. Da freut sich Fing-Su aufrichtig. Irgendetwas an diesem Film erinnert mich an Marylin Monroe. Wie sie in „River of no Return“ das Lied „One silver dollar, changing hands … changing lives“ sang. Ach ja. Hoffentlich wird’s nicht zu schlimm.

Zur sanften Musik einer Spieluhr – der Score ist wirklich sehr abwechslungsreich – träumt die Schwester von Joan, sie wird von allen Mabel genannt, von der Heirat, die sie bisher versäumt hat und zieht Joans Brautkleid an. Seufz. Und wieder wuseln dunkle Gestalten ums Haus. Derweil im „Tempel“: Vor versammelter Kuttenträgerschaft liegt jemand auf einer Bahre, weißes Tuch drüber, Zeichen des Reichs der Mitte auf dem Tuch. Der Narth, der Onkel von Mabel und Joan, wird vom Chef dazu bestimmt, symbolisch die unter dem Tuch liegende Puppe zu erstechen. Und was macht Werner Peters, der den Narth spielt? Er gibt wieder den Untertan, fast so gut wie 1951 in Wolfgang Staudtes gleichnamigem Film nach einem Roman von Heinrich Mann, womit er auch berühmt wurde. Damals ließ er nur seine Liebe allein, wegen einer Geldheirat, jetzt … ersticht er den Major Spedwell. Nicht, dass ich das nicht vermutet habe, aber was hat der sich denn zuschulden kommen lassen? Okay, er hatte mal leicht aufgemuckt, wollte mit Mord nichts zu tun haben. Hier geht es zu wie im Volksgerichtshof, allerdings tritt Framing des Scharfrichters hinzu. Treue und Zugehörigkeit kann man eh nur mit dem Blut eines Verräters bezeugen.

Nun schaut es aus, als ob Mabel auch noch gestohlen würde – doch sie kriegt einen Dolch in den Rücken und alsbald stellen wir fest: Cliff glaubt, man habe sie für Joan gehalten. Das ist leider Quatsch, denn Fing-su weiß ja, dass Joan bei ihm ist. Also ist die ganze Szene böser Quatsch. Aber Drama muss sein, z. B. wenn die jüngere Schwester wohl gleich die ältere tot sehen wird. Sie waren nie so recht ein Herz und eine Seele, aber zwei gute Herzen doch. Eines davon fährt auf zum Himmel, das andere darf mit dem von Cliff in die Flitterwochen fahren.

Nun hat nochmal Fing-su seinen großen Auftritt als Propagandachef der künftigen Weltherrschaftsbündnispartei. Aber da greift wirklich Vater Joe Bray ein und bringt seinen eigenen Sohn um. War da was von Kain und Abel? Naja, nicht zentral, da hat ja ein Sohn den anderen umgebracht und der Vatermord ist auch ein klassisches Motiv, machmal kommt auch die umgekehrte Konstellation vor, wenn der Vater sieht, dieser Sohn ist gänzlich missraten.

Joe Bray gibt der Hoffnung Ausdruck, dass nunmehr der Weltfrieden gerettet sei. Tja, heute wissen wir’s besser, auch wenn es Europa seit damals nicht so zentral getroffen hat bzw. Zentraleuropa nicht getroffen hat.

Besonderheiten / Typizitäten der Edgar-Wallace-Filme (1)

  • Regie: (…) Nicht viel weniger Einfluss auf die Serie (als Alfred Vohrer mit seinem eher ekstatischen und effektvollen Stil, A. d. Verf.) hatte Harald Reinl, zu dessen fünf Edgar-Wallace-Filmen das erste Werk zur Reihe Der Frosch mit der Maske sowie die Höhepunkte Die Bande des Schreckens und Der unheimliche Mönch zählen. Typische Merkmale der Filme des einstigen Heimat- und Bergfilm-Regisseurs sind stimmungsvolle Außenaufnahmen mit langen Kamerafahrten und -schwenks. Stilmittel, die Reinl vor allem auch in den durch ihn geprägten Karl-May-Filmen angewendet hat. (…)
    • F. J. Gottlieb, der hier in einem seiner drei Wallace-Filme Regie führt,  hat sicher die Reihe nicht gestylt, aber sich ganz gut angespasst. Es ist auch nicht sein Regiestil, der hier am meisten stört, selbst, wenn er dem Chargieren von Joachim Fuchsberger allzu viel Raum gibt, sondern die ideologische Ausrichtung.
  • Darsteller: Die Besetzung mit bewährten Schauspielern in ähnlichen Rollen war typisch für die Edgar-Wallace-Verfilmungen. Zu den meist reifen und besonnenen Ermittlern zählten Joachim Fuchsberger (13 Filme), Heinz Drache (acht Filme), Siegfried Lowitz (vier Filme), Harald Leipnitz (drei Filme) oder Klausjürgen Wussow (zwei Filme). In den weiblichen Hauptrollen waren meist attraktive, junge Schauspielerinnen wie Karin Dor (fünf Filme) (…) zu sehen. (…) Komische Rollen übernahmen Eddi Arent (23 Filme), Siegfried Schürenberg (16 Filme) und Hubert von Meyerinck (vier Filme) (…).
    • Mit Joachim Fuchsberger und Eddi Arent sind zwei Kerndarsteller des Wallace-Ensembles im Einsatz, mit Werner Peters ein weiterer Schauspieler, der in mehreren Filmen der Reihe mitgewirkt hat und immer für eine zwielichtige Figur gut ist.
  • Titel: Die Filmtitel, die meist den Romantiteln entsprachen, sollten beim Publikum eindeutige Assoziationen mit dem Genre des Edgar-Wallace-Films hervorrufen. So verbarg sich hinter vielen Titeln ein eindeutiger Hinweis auf den Hauptverbrecher des Films (Der grüne Bogenschütze, Der Zinker, Der Mönch mit der Peitschea.).
    • Die gelbe Schlange ist zwar nur eine künstlerisch gestaltete, nach Meinung des China-Spezialisten Eddi Arent nicht allzu wertvolle Arbeit, aber sie ist das Symbol für die dunkle Macht, die am 17. November im Jahr des Drachens auferstehen und zuerst China und dann die Welt erobern soll. Fu-Chin sagt beinahe wörtlich das, was in Deutschland wenige Jahrzehnte zuvor auch propagiert wurde.
  • Handlung: Die Handlungselemente der Edgar-Wallace-Filme waren ähnlich angelegt. So drehte sich das Geschehen vordergründig um einen meist fantasievoll maskierten Hauptverbrecher. Im Gegensatz zum Psychothriller war hierbei das Entlarven des bis zum Finale unbekannten Verbrechers entscheidend (Whodunit). Die Motive der Verbrecherfiguren waren meist Habgier, Rache, Erbschleicherei sowie Mädchen- und Drogenhandel.
    • Es gibt zwar die Kuttenträger, aber im Grunde ist der Film ein Howcatchem, denn nach weniger als der Hälfte der Spielzeit hat sich bereits herausgestellt, dass Fu-Chin mit seinen Helfern einer der größenwahnsinnigsten Gauner ist, die in einem Edgar-Wallace-Film zu sehen sind. Es geht um nicht weniger als um die Weltherrschaft.
  • Handlungsorte: Der (hauptsächliche, A. d. Verf.) Handlungsort war, wie in den Romanvorlagen, fast immer London und Umgebung, wobei sich die Akteure vorwiegend in alten Schlössern, Herrenhäusern oder Villen bewegten. Auch verruchte Nachtlokale, düstere Blindenheime, Irrenanstalten und finstere Kellergewölbe waren beliebte Haupt- und Nebenschauplätze der Handlung. In späteren Filmen kamen Mädchenheime und -pensionate hinzu. Die tatsächlichen Drehorte befanden sich aufgrund geringerer Produktionskosten jedoch selten in Großbritannien sondern in Deutschland. So dienten vor allem Straßen in Berlin und Hamburg. (…) Als Kulisse für London-Szenen. Für die nötige Authentizität in den Filmen sorgten oft allein Archivaufnahmen Londons, die man in die Filme einfügte.
    • Hongkong ist nur eine Wohnung in einem Berliner Studio, auch die meisten London-Aufnahmen sind hier gefilmt, nicht dort. Es gibt keinen so zentralen Handlungsort wie in einigen anderen Filmen der Reihe, aber die Frabrik
  • Vorspann: Die meisten Edgar-Wallace-Filme begannen mit einem spektakulär in Szene gesetzten Mord. Dann folgte der Vorspann des Films, der ab 1961 (bis auf zwei Ausnahmen) farbig gestaltet war (der Rest des Films war Schwarzweiß). Schon die Gestaltung der Namensnennung mit blutroten oder giftgrünen Buchstaben sollte einen spannenden Film ankündigen. Um der Serie einen noch höheren Wiedererkennungswert zu verleihen, wurde der Vorspann der Wallace-Filme ab 1962 mit aus dem Off erklingenden Schüssen und dem Satz „Hallo, hier spricht Edgar Wallace“ eröffnet. (…)
    • Edgar Wallace spricht hier schon, wobei bemerkenswert ist, dass Alfred Vohrer, der hier seine Stimme hergibt, nicht für die CCC gearbeitet hat. Der erste Mord geschieht per Dolch, bevor der Vorspann einsetzt, das Geschehen ist dabei S/W bzw. in Sepia gehalten, die Namen tauchen in unterschiedlichen Farben auf und mit dem Mord ist der Vorspann zu Ende und das Bild färbt sich aufgrund des (gedachten) Blutes des Ermordeten durchgehend rot.
  • Musik: Besonders prägnant gerieten auch die Soundtracks der Filme, vor allem die oft reißerische und eingängige Titelmusik. Die Musik von insgesamt 18 Filmen der Serie stammt von Peter Thomas, der mit seinen phantasiereichen Arrangements und modernen Aufnahmetechniken der markanteste und dominanteste Komponist der Serie war.
    • Ich muss gestehen, ich hätte Peter Thomas die ungewöhnliche, grelle Filmmusik auch zugetraut, die manchmal zwar etwas nachgibt, in romantischen Szenen, aber sonst oft das Geschehen sehr stark untermalt, wenn nicht dominiert. Wenn eine Lampe blinkt, dann macht sie Töne, die man sich nicht als real vorstellen darf, wenn Autos fahren, covert die Musik sogar die jeweilige Geschwindigkeit, der Beginn in Hongkong wird ein wenig mit asiatischem Klangeinschlag untermalt. In der Tat war hier einmalig in der Reihe Oskar Sala am Werk: Nach dem Krieg entwickelte Sala 1949 bis 1952 das Mixturtrautonium und schrieb Kompositionen für den Film, vor allem für preisgekrönte Dokumentar- und Industriefilme; über 300 Produktionen dieser Art entstanden. Am bekanntesten wurde Salas Produktion für den Film Die Vögel von Alfred Hitchcock im Jahre 1963: Die angsterregenden Vogelschreie entstanden nicht in Hollywood, sondern in einem Berliner Hinterhof an Salas Trautonium, wo er ab 1958 in Charlottenburg über ein eigenes Studio verfügte. Auch in den Edgar-Wallace-FilmenDer Fluch der gelben Schlange (1962) und Der Würger von Schloß Blackmoor (1963) erklang seine – für diese Serie eher ungewöhnliche – Filmmusik. In dem Film Anders als du und ich (§ 175) (1957) ist dazuhin Salas Instrument im Spiel zu sehen. Als angenehm kann man die Musik nicht bezeichnen, aber das soll sie ja auch nicht sein.

Finale

Joachim Fuchsberger scheint es in Hongkong so gut gefallen zu haben, dass er Anfang der 1970er in einem weiteren Krimi-Abenteuerfilm mitwirkte: „Das Mädchen von Hongkong“. Allerdings ist erkennbar keine Sekunde von „Der Fluch der gelben Schlange“ wirklich in der damaligen britischen Kronkolonie gedreht worden, wohl aber möglicherweise die eine oder andere Szene in London, wo der Film weit überwiegend spielt – oder man hat wieder einmal Archivaufnahmen verwendet. Dass man eine Figur des Films eindeutig in London verorten kann, wie in „Das Verrätertor„, den wir zuletzt im Rahmen des „Special Edgar Wallace“ rezensiert haben, ist mir nicht aufgefallen.

Heute wird es zu der mit Abstand bisher niedrigsten Wertung für einen Edgar-Wallace-Film kommen. Ob die Handlung wesentlich schlechter ist als diejenige anderer Werke der Reihe, ist Ansichtssache, immerhin hat uns die Kuttenträgerbruderschaft des guten Willens an „Die Zigarren des Pharao“, eine jener herrlichen Detektivgeschichten von Hergé, erinnert, sie entstand wohl nach dem Tod vono Edgar Wallace – aber natürlich auch an den Ku-Klux-Clan, und Letzteres ist sicher auch intendiert gewesen.

Ganz sicher bin ich der letzte, der nicht vor der Gefahr des heutigen chinesischen Wirtschaftsimperialismus warnen würde, deren Dimensionen viele offenbar noch nicht erkennen, aber diese Gefahr als „gelbe Gefahr“ zu bezeichnen, wie es in diesem Film fast unumwunden getan wird, ist rassistisch und nicht an einer Theorie über die Wirtschaftsimperien orientiert, die keine guten und schlechten Völker, sondern nur zerstörerische Systeme kennt.

Die gelbe Schlange wird zwar trickreich als ein Symbol der Reaktionäre, die offenbar an der Restitution der Monarchie in China arbeiten, verkauft, aber die Chinesen werden entweder so dämonisch gezeigt wie das „Halbblut“ Fing-Su oder als brutale und bedenkenlose Werkzeuge, die vielleicht ebenfalls nicht zufällig eine Assoziation wachrufen: Zu den „blauen Arbeitsameisen“, aus denen die chinesische Bevölkerung zu der Zeit im Wesentlichen bestand, als der Film gedreht wurde. Auch dieser Begriff ist im Grunde rassistisch, trifft es aber besser. 1963 war zudem der Kalte Krieg auf dem Höhepunkt und China bereits Atommacht und wirkte auf die Westler, wie heute, weit weniger berechenbar als etwa Russland bzw. damals die Sowjetunion.

Ich mag dem Film aber nicht unterstellen, dass er prophetisch gesehen hat, was damals 600 Millionen Menschen, heute 1,4 Milliarden, erreichen können, wenn sie so geführt werden, wie das immer noch der Fall ist und es dadurch viele Reibungsverluste nicht gibt, die man in Demokratien in Kauf nehmen muss. Eher schon wäre es richtig gewesen, die Unterschiede zwischen Totalitarismus und Demokratie herauszustellen, als von einer „gelben Gefahr“ zu faseln. Ist nun also der Fing-Su ein typischer Chinese oder ein typischer Demagoge, der geradezu Joseph Goebbels nachempfunden zu sein scheint? Der Film macht es allzu leicht, Ersteres anzunehmen, obwohl ich Artur Brauner, der die Gesamtproduktionsleitung innehatte, durchaus zurechne, dass er Letzteres (auch) im Sinn hatte.

Auch ist die Figur des Fing-Su besetzungsseitig zu hinterfragen: Einem Schweizer werden die Augen schmal und lang gezogen, damit er wie ein Halbchinese wirken könnte, dafür musste man ihm eine Frisur verpassen, die dicht an den Augenwinkeln endet, damit man diese künstliche Veränderung der Optik der Augen nicht zu deutlich sieht. Gelungen ist das nicht wirklich.

Ein weiteres Kennzeichen von „Der Fluch der gelben Schlange“ ist, dass er jenseits des Rassismus deutlich konservativer wirkt als der Durchschnitt der Wallace-Produktionen. Wie man sich insgesamt fünf Minuten über Joachim Fuchsbergers Drei- oder Fünftagebart als Kulturschande auslassen kann, ist schon echt krass. Dabei gab es damals noch kaum „Hippies“ und das Deckhaar hält ohnehin tadellos mit Dreiwetter-Taft – doch wehret den Anfängen! Einige der Wallace-Filme enthalten auch starke Frauenfiguren, besonders, wenn Harald Reinl seine Frau Karin Dor einsetzen konnte. Einmal darf sie sogar zur Überraschung aller eine Serienmörderin geben. Von dieser zuweilen nicht so veralteten Rollenkonfiguration ist hier ebenfalls nichts zu sehen: Das Love Interest von Joachim Fuchsberger, gespielt von Brigitte Grothum, ist niedlich, aber ein typisches Opfer und außerdem wird darüber philosophiert, dass Frauen verschiebbare Kontoposten sind, nur an der Verzinsung zu messen. Ein schwacher Protest des Vaters der beiden Frauen, um die es dabei geht, lässt nicht das unangenehme Gefühl verfliegen, dass wir es mit einem besonders rückständigen Film zu tun haben.

Das dürfte auch der Hauptgrund dafür sein, dass er nicht zum „Kanon“ gehört, zu den Werken aus der Reihe, die häufig gezeigt werden und den heutigen Kult-Eindruck wesentlich bestimmen. Obwohl „Der Fluch der gelben Schlange“ nicht weniger spannend ist als viele andere Filme der Reihe, wenn man auf diesen Stil steht, hat man also auch von ihm etwas, obwohl Eddi Arent mit seinem gelungenen Einsatz das Schlimmste mildert, bleibe ich reserviert.

Hinzu tritt eine Handlung, die zwar recht rasant gestaltet ist, aber sie zählt zu den am wenigsten logischsten und zwingenden, die ich bisher in einem Wallace-Film gesehen habe. Aus der obigen Rezension geht das an einigen Stellen hervor.

53/100

© 2020 Der Wahlberliner, Thomas Hocke

  1. Angaben aus der Wikipedia

  2. Unsere bisherigen Rezension im Rahmen des „Special Edgar Wallace“

Begleitartikel „Special Edgar Wallace“ (Update)
Filmfest News 1 (beinhaltet das 2. Update zum „Special Edgar Wallace“ – vorliegender Artikel)
Filmfest News 2 (aktueller Stand des „Special Edgar Wallace“ und weiterer Vortellungsrhythmus
FFA 61 Der Frosch mit der Maske
FFA 63 Der Rächer
FFA 65 Der grüne Bogenschütze
FFA 67 Die toten Augen von London
FFA 70 Der rote Kreis
FFA 72 Das Geheimnis der gelben Narzissen
FFA 74 Die seltsame Gräfin
FFA 76 Das Rätsel der roten Orchidee
FFA 78 Die Tür mit den sieben Schlössern
FFA 80 Das Gasthaus an der Themse
FFA 83 Die Bande des Schreckens
FFA 85 Der Zinker
FFA 88 Der schwarze Abt
FFA 91 Das indische Tuch
FFA 94 Der Hexer
FFA 97 Neues vom Hexer
FFA 102 Der Fälscher von London
FFA 107 Der unheimliche Mönch
FFA 112 Zimmer 13
FFA 117 Die Gruft mit dem Rätselschloss
FFA 122 Das Verrätertor
FFA 127 Der Fluch der gelben Schlange (dieser Beitrag)
FFA 132 Todestrommeln am großen Fluss (geplant für die dritte Märzwoche 2020)
FFA 137 Sanders und das Schiff des Todes (geplant für die erste Aprilwoche 2020)

Regie Franz Josef Gottlieb
Drehbuch Janne Furch,
Franz Josef Gottlieb
Produktion Artur Brauner
Musik Oskar Sala
Kamera Siegfried Hold
Schnitt Walter Wischniewsky
Besetzung

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